Börsen-Prognose "Der nächste Crash kommt am 17. Oktober"

Der Analyst Martin Armstrong wagt mit Computermodellen präzise Aussagen über Börsencrashs. Im Dokumentarfilm „The Forecaster“ wird sein Leben gezeigt. Armstrong rechnet derweil den Termin des nächsten Crashs aus.

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Martin Armstrong Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Armstrong, ursprünglich sollte die Dokumentation „The Forecaster“ (Deutschlandstart: 7. Mai) nicht in den USA gezeigt werden. Warum?

Martin Armstrong: Inzwischen hat sich die Situation geändert. Der Film läuft jetzt in einigen ausgewählten Städten. Wir bekamen sehr gute Kritiken, aber man sagte uns, dass sich die Filmindustrie nicht mit den Banken anlegen will – ein klarer Fall von Selbstzensur. Deshalb war die Dokumentation auch als deutsche Produktion angelegt.

Hat das nicht viel mehr mit der Tatsache zu tun, dass Sie zwölf Jahre wegen angeblichen Betrugs hinter Gittern verbrachten?

Indirekt. Es war so, dass ich im Zuge meiner Aktivitäten die ganzen Manipulationen beobachtete, wie sie von den US-Banken praktiziert wurden. Und um meine Recherchen zu unterfüttern, behielt ich von jedem Telefonat Tonbandaufnahmen. Ich wollte sie nur zur Absicherung, nie um jemand damit zu erpressen. Auf einmal wurde ich wegen angeblichen Betrugs angeklagt, und im Zuge dessen wurden meine Anwälte gezwungen, diese Aufnahmen herauszurücken, obwohl die mit dem eigentlichen Fall gar nichts zu tun hatten.

Die Irrtümer der Crash-Propheten
Der US-Wissenschaftler Lars Peter Hansen - Nobelpreisträger für Wirtschaft in 2013 - warnt derzeit vor einem Crash. "Ein Einbruch um 20 Prozent kann passieren", sagte Hansen. Der Professor an der Universität in Chicago zeigte sich gegenüber der Tageszeitung "Welt" über die Gelassenheit der Investoren angesichts der Risiken erstaunt. Allerdings sei die Vorhersage, wann eine Spekulationsblase platze schwierig. Den Nobelpreis erhielt Hansen für seine Arbeiten zu Risiken und Unsicherheit am Kapitalmarkt. Andere Crash-Propheten lehnten sich deutlich weiter aus dem Fenster. Quelle: dpa
Nouriel Roubini Quelle: REUTERS
Marc Faber Quelle: dpa Picture-Alliance
Alan Greenspan Quelle: REUTERS
Wolfgang Münchau, Archivbild von 2002 Quelle: dpa
Paul Krugman Quelle: REUTERS
Max Otte Quelle: dpa Picture-Alliance

Von welchen Manipulationen sprechen Sie?

Es geht hier um unzählige Beispiele, ob den Angriff 1997 auf den thailändischen Baht, den malaysischen Ringgit und den japanischen Yen oder die Versuche, den Preis für Silber Ende 1997 hochzutreiben, ebenso die Manipulation der internationalen Platin- und Rhodiummärkte, nicht zu vergessen den Angriff auf den Rubel 1998. Auch die Praxis, Subprime-Hypotheken als neues Produkt zu verkaufen – der Auslöser der Finanzmarktkrise 2007 –, gehört dazu. Verantwortlich ist dafür ein, wie ich ihn nenne, „Club“ der großen amerikanischen Finanzinstitute, der mit wichtigen Regierungsstellen zusammenarbeitet.

Mit Verlaub, die großartige Verschwörungstheorie der Weltregierung...? So klingt das.

Ich spreche nicht von systemischen Manipulationen. Da geht es nur um die Frage „Wie viel kann ich in 30 Tagen verdienen?“. Die Spieler machen ihren Trade, und dann geht es schon weiter zum nächsten.

Zur Person

Als Sie sieben Jahre in Beugehaft waren, wollten die Behörden angeblich, dass Sie den Quellcode Ihres Computerprogramms herausrücken, mit dem Sie laut eigener Aussage Krisen auf den Tag genau vorhersagten – darunter den Kollaps des Nikkei 1989 oder die Russlandkrise 1998. Wie funktioniert dieses Programm?

Die entscheidende Frage ist: Welche Daten gibst du ein? Die meisten Firmen haben keine ausreichende Datenbasis – die reicht vielleicht bis 1971. Wir haben zunächst die Währungsordnung der Weltgeschichte, so weit es geht, auf der Grundlage des Münzwesens rekonstruiert. Dann fügten wir andere Daten hinzu – zum Beispiel Wetterzyklen, denn Mitte des 19. Jahrhunderts machte sogar in entwickelten Staaten die Landwirtschaft 70 Prozent der Volkswirtschaft aus. Später nahmen wir auch die Daten für die Entwicklung der Eisenbahn auf, dann für die Industrieproduktion und als Nächstes für die High-Tech-Entwicklungen. Du kannst dich nicht einfach auf verschiedene Sektoren konzentrieren, sondern brauchst ein Programm, das alles kombiniert auswertet. Wir haben dafür alle erdenklichen Datenbanken genutzt, ob von der Organisation für technologische Zusammenarbeit und Entwicklung oder dem IWF. Wir hatten Teams, die das britische Zeitungsarchiv in London auf ausländische Wechselkurse hin auswerteten – allein unsere Datenbank zu diesem Thema ist beispiellos. Und das alles wird von meinem Programm analysiert. Wobei ich ihm nicht vorgegeben habe, wie es das tut, sondern dass es einfach nur analysiert. Über die Ergebnisse bin ich selbst immer wieder erstaunt.

"Die Blase an Staatsanleihen platzt"

Sie wurden 2011 aus der Haft entlassen. Arbeiten Sie nun an dem Programm mit den gleichen Mitteln weiter?

Richtig. Die Recherchen sind heutzutage auch viel einfacher geworden. Zu der Zeit, da wir die Daten per Hand eingeben mussten, waren rund 240 Leute auf der ganzen Welt im Einsatz. Wir wollen es jetzt auch online zur Verfügung stellen, sodass jeder sein Portfolio eingeben und damit überwachen kann.

Dieses Programm hat ein zyklisches Modell ermittelt, demzufolge alle 8,6 Jahre eine größere Wirtschaftskrise ausbrechen soll? Wettervorhersagen jenseits von vier Tagen stimmen selten, und Sie wissen auf Monate, was das komplexe System Wirtschaft macht? Was kommt denn als Nächstes?

Ich erwarte einen Crash im Oktober dieses Jahres, weil dann die Blase an Staatsanleihen platzt. Um den 17. herum sollten die meisten das verstanden haben. Erste Anzeichen werden weitere wirtschaftliche Unruhen in Europa sein. Hinzu kommt, dass die Federal Reserve die Zinssätze anheben wird.

Und der Euro bricht vermutlich auch ein?

Korrekt. Mitglieder der EU-Kommission kamen vor Einführung des Euro zu mir, und ich sagte ihnen, dass sie zuvor erst mal alle Schulden konsolidieren müssten, um eine stabile Währung zu erreichen. Sie erklärten mir, dass es dafür noch keine politische Unterstützung gäbe und die einheitliche Währung die erste Priorität sei. Konsolidierung sei im nächsten Schritt geplant. Aber in der nächsten Phase sind dann die betreffenden Personen nicht mehr im Amt, und ihren Nachfolgern fehlt dann der Wille, das durchzusetzen. Die Situation, die dadurch entstanden ist, ist ungefähr so, als gäbe es keine Staatsschulden in den USA, sondern nur die Schulden der Bundesstaaten. Wenn Sie Geld anlegen wollen, wird das zu einem russischen Roulette. Die USA als ein einziger Gesamtschuldner sind viel stabiler. Der Euro hätte als Konkurrenz zum Dollar nur überleben können, wenn die Schulden aller Staaten konsolidiert worden wären. Was passiert also? Man kauft deutsche Bundesanleihen, sodass deren Kurse entsprechend steigen.

Was Analysten für 2015 erwarten
Deutsche BankDie Anlagestrategen sind verhalten optimistisch, zumindest was den deutschen Aktienmarkt angeht. Ende 2015 sehen sie den Dax bei 11.500 Punkten. Während die USA mit einem prognostizierten Wachstum von 3,5 Prozent zur Lokomotive werden dürfte, rechnen die Analysten für Deutschland nur mit einem Plus von 0,8 Prozent. Zugewinne könnte es dank des schwachen Euro bei exportorientierten Industrien geben. Ende 2015 sieht die Deutsche Bank den Euro bei 1,15 Dollar. Anleihen werden dagegen nicht mehr so attraktiv sein. Die Renditen bleiben extrem niedrig, Chancen gibt es lediglich bei US-Unternehmensanleihen mit guter Bonität. Auch Schwellenländeranleihen könnten für Risikofreudige interessant werden. Insbesondere Indien wird für die Deutsche Bank zur attraktiven Region. Quelle: REUTERS
Der Vermögensverwalter Allianz Global Investors ist ein Tochterunternehmen der Allianz. Quelle: imago images
CommerzbankDie Commerzbank sieht den Dax Ende 2015 bei 10.800 Punkten, ist also nicht ganz so optimistisch wie die Deutsche Bank, was den Leitindex angeht. Einig sind sich beide aber, was mögliche Staatsanleihekäufe der EZB angeht. Mit einem sogenannten Quantitative Easing (QE) rechnen beide Institute in der ersten Jahreshälfte. Anschieben könnten den Dax steigende Unternehmensgewinne dank des schwächeren Euro. Das könnte auch Dividenden begünstigen. Die Bank rechnet für den Dax mit einer Dividendenrendite von knapp über drei Prozent. Besonders hohe Dividendenrenditen erwarten die Analysten bei Medienpapieren wie Freenet und RTL sowie Immobilienkonzernen wie DIC Asset oder TAG. Als negative Einflussfaktoren verweist die Commerzbank nicht nur auf die wahrscheinliche Zinserhöhung der Fed, sondern auch auf niedrigere Wachstumsraten in China. Quelle: dpa
Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)Was den Dax betrifft ist die Landesbank etwas pessimistischer als die Großbanken. Relativ konservativ rechnet sie mit einer Spanne zwischen 8300 und 10.000 Punkten. Zwar erwarten die Analysten eine leichte Erholung der Weltwirtschaft, einen breiten Aufschwung sehen sie allerdings nicht. Lediglich hinsichtlich der USA scheinen sich alle einig zu sein, auch die Helaba erwartet ein Wachstumsplus von rund drei Prozent für die größte Volkswirtschaft. Für Deutschland erwartet die Landesbank ein Plus von 1,3 Prozent - mehr als die Deutsche Bank. Im Portfolio rät die Helaba zu einer leichten Anhebung der Aktienquote. Anleihen sollten dagegen zugunsten von Immobilien leicht reduziert werden. Quelle: dpa
Julius BärDie Schweizer Privatbank sieht die Devisenmärkte und Wechselkursentwicklungen ebenfalls im Fokus der Entwicklungen des nächsten Jahres. Auch die Schweizer sehen die USA als Wachstumsanführer, während die Euro-Zone mit einem Plus von nur 0,8 Prozent eher ein Bremsklotz ist. Die schwächelnde Nachfrage der Euro-Zone sei vor allem für die Schweiz ein Nachteil, heißt es. Für Investoren dagegen gelte es, Kurs zu halten, liquide zu bleiben und nach Wachstumsthemen Ausschau zu halten, so die Analysten. Mögliche Bereiche für Wachstumsthemen sind laut den Privatbankern E-Autos, digitale Technologien, Energieinfrastruktur und Bildung. Quelle: REUTERS
FidelityDie Fondsgesellschaft gibt sich optimistisch, auch für Deutschland. "Wenn die geopolitischen Risiken in den Hintergrund treten und die Notenbanken die Wirtschaft weiter unterstützen, hat Deutschland beste Voraussetzungen, um 2015 an den moderaten Aufwärtstrend anzuknüpfen", schreibt Fondsmanager Christian von Engelbrechten. Auch Fidelity sieht Impulse seitens des Euro für die exportorientierten Unternehmen. Eigentliche Stütze der Konjunktur sei aber der heimische Konsum - der Verbraucher, der konsumiert statt spart, treibt die Wirtschaft an. Durch die steigenden Gewinne sieht Fidelity auch am Aktienmarkt gute Chancen und rechnet mit einer Dividendenrendite von im Schnitt drei Prozent. Quelle: REUTERS
DZ BankAktuell sei das Gewinnwachstum der Dax-Unternehmen noch zu hoch geschätzt, sagen die Analysten der DZ Bank. Die Rahmenbedingungen für Aktien bleiben dennoch dank expansiven EZB-Maßnahmen und einem Mangel an Anlagealternativen positiv. Trotzdem erwarten die DZ Banker keine großen Kurssprünge, der Leitindex habe kaum noch Potenzial. Bis zum Jahresende 2015 rechnet die Bank nicht mit einem Anstieg über 9500 Punkte - und auch schwankungsanfälliger könnte der Index werden. Konservativen Anlegern raten die Experten daher zu "Dividendenaristokraten". Risikofreudigere Investoren könnten dagegen im ersten Quartal Chancen bei den Zyklikern haben. Quelle: REUTERS

Die Mehrheit der Ökonomen sieht Deutschland bisher von den Krisen wenig berührt. Ihr Crash-Szenario scheint das recht exklusiv anders zu sehen.

In dem Fall wird Deutschland vor einer Rezession nicht gefeit sein, es kann sich vom Niedergang der europäischen Nachbarländer nicht abkoppeln. Europa wurde durch diesen Sparkurs auseinandergerissen. Deutschland ist einfach zu sehr auf seine Inflationsangst fixiert, während wir in den USA die Deflation fürchten – jedes Land hat seine historisch bedingten Antipathien gegen die Probleme, mit denen es in der Vergangenheit kämpfte. Ihr Land muss einfach erkennen, welche Prozesse einen Anstieg der Inflation fördern und welche nicht. Und wir sind an einem Punkt angekommen, wo Schuldenmachen die Inflation eher vorantreibt als das Gelddrucken.

"Egal wie hoch die Steuern sind, der Staat wird sowieso mehr ausgeben"

Erwarten Sie eine Lösung aus der Politik?

Das Problem ist, dass wir unter den Politikern zu viele Anwälte haben. Im US-Kongress sind es, glaube ich, um die 40 Prozent. Und die sind praktisch gehirntot. Sie wissen, wie man Gesetze schreibt, aber nicht, wie die Wirtschaft funktioniert. Wer, bitte, der bei klarem Verstand ist, entwirft ein System, in dem man praktisch jedes Jahr Schulden aufnimmt?

Ihr zyklisches Modell ist fokussiert auf Krisen. Kennen Sie keine optimistischere Sichtweise?

Ich würde hier Schumpeters Konzept von der schöpferischen Zerstörung zitieren wollen. Natürlich gibt es erst mal Grund zum Pessimismus, aber diese Krise leitet dann die Veränderung ein, die zum nächsten Zyklus führt. Alle sprechen davon, dass wir eine große Depression wie in den Dreißigern verhindern müssen, aber das ist gar nicht möglich. Die ging ja weit über einen Crash des Aktienmarkts hinaus. Damals waren 40 Prozent der Amerikaner noch Farmer, und die Krise führte dazu, dass sich diese Menschen umorientieren mussten. Das war notwendig. Und aus heutiger Sicht finde ich einen Crash des staatlichen Schuldenwesens wünschenswert. Aus meiner Sicht sollte man dem Staat einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts für sein Budget zuweisen, und das war es – staatliche Steuern brauchen wir nicht mehr. Denn egal, wie hoch die Steuern sind, der Staat wird sowieso mehr ausgeben. Auf Bundesebene kann er auf elektronischem Wege so viel Geld schaffen, wie er braucht.

Sie wirken wie der einsame Rufer in der Wüste. Gibt es eigentlich auch eine Klientel, die Ihre Ansichten teilt?

Momentan gibt es viel mehr Menschen als früher, die sozusagen dieses Zepter übernehmen wollen. Meine Firma berät Individualkunden ebenso wie multinationale Konzerne. Bei meinen Konferenzen finden sich die Vertreter von Zentralbanken im Publikum. Ich bekomme auch viele E-Mails von Bankenvertretern, die meine Ansichten bestätigen. Nur dass sie die nicht öffentlich äußern dürfen, denn damit würde das zu einer offiziellen Stellungnahme ihres Arbeitgebers.

Wenn Ihre Erkenntnisse immer stimmen würden, wären Sie längst Multimilliardär. Warum sind Sie das nicht?

Es geht mir gut, und ich bin nicht gezwungen zu arbeiten. Aber ganz ehrlich, was soll ich mit dem ganzen Geld anfangen? Klar, ich kann erste Klasse um die Welt fliegen, in teuren Hotels wohnen, aber damit kann ich auch nicht recht viel mehr als eine halbe Million ausgeben. In Florida wurde jüngst ein Haus für die Rekordsumme von 147 Millionen angeboten. Was soll ich dann mit dem Rest? Geld ist dann nur noch so was Abstraktes wie eine Telefonnummer. Ich hatte einige der reichsten Menschen der Welt als Kunden, und die machten sich die meiste Zeit darüber Sorgen, dass ihnen andere Leute ihr Vermögen wegnehmen wollten. Das ist kein Leben für mich. Ich will meine Freiheit.

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