Börsenausblick auf 2018 Der Sinn und Unsinn von Prognosen

Chefanlagestrategen haben gerade viel zu tun: Im Dezember gilt es, Prognosen für 2018 zu erstellen. Baisse oder Hausse? Welcher Markt birgt Chancen, welcher Risiken? Doch was bringen Anlegern diese Ausblicke?

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Experten tun sich schwer mit punktgenauen Dax-Prognosen. Quelle: dpa

Düsseldorf In den Postfächern von Finanzjournalisten geht es momentan zu wie bei einer Auktion: Wer bietet mehr? Dax 13.000, 14.000 oder gar 15.000 Punkte? Daumen rauf, Daumen runter. Es ist die Zeit der Prognosen. Schließlich wollen Anleger wissen, was sie im kommenden Jahr an der Börse erwartet. Das Problem: Niemand hat eine Kristallkugel. Und: Die meisten Prognosen waren in den vergangenen Jahren wenig treffsicher.

Nicht umsonst lautet ein oft bemühtes Zitat: „Prognosen sind immer dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Von wem diese Aussage stammt, weiß niemand so genau. Aber sie könnte gut von einem Börsianer kommen. Denn wie schwer es ist, die Zukunft an den Märkten vorauszusagen, wissen die nur zu genau. Crashs kommen in der Regel völlig unerwartet und sehr heftig. Und wer hätte gedacht, dass die aktuelle Hausse so lange läuft. Im neunten Rally-Jahr wachsen zwar die Zweifel, aber die waren auch in den vergangenen Jahren immer wieder zu hören.

Geht die Rally weiter oder nicht? Oder pendeln die Märkte eher seitwärts oder droht eine heftigere Korrektur? Vielleicht sogar ein Crash? Wo steht der Dax Ende 2018? Fragen, auf die Anleger nur zu gerne Antworten hätten. Und die liefern ihnen die Analysten in diesen Tagen – natürlich mit vielen Konjunktiven versehen. Denn wissen kann niemand, was uns in den kommenden zwölf Monaten an den Märkten blüht. Trotzdem stellen sich die Anlagestrategen auch in diesem Jahr wieder dem Wettbewerb um den besten, weil zutreffendsten Ausblick.

Mitunter können diese Ausblicke auch irreführend sein. „Anleger sollten sich von den alljährlichen Prognosen nicht täuschen lassen: Wer versucht, aus den Prognosen etwas für seine Anlagestrategie abzuleiten, wird Schiffbruch erleiden“, sagt Lutz Neumann, Leiter Vermögensberatung bei der Sutor Bank. „Hätten sich Anleger an den Dax-Prognosen für 2017 orientiert und wären dem Aktienmarkt mit größerer Skepsis als nötig begegnet, hätte dies ihre Rendite deutlich geschmälert.“ Von 30 der Sutor Bank vorliegenden Dax-Prognosen für 2017 hätten 29 bei maximal 12.000 Punkten gelegen – also rund 1.000 Punkte unterhalb des aktuellen Stands. Ein Bankhaus wagte sich mit seiner Prognose von 12.300 Punkten am weitesten nach vorne. Die niedrigste Prognose lag bei 10.400 Punkten. Damit haben die Prognosen eine Spanne von nahezu 2.000 Punkten.

Eine Auswertung der Sutor Bank, die die Prognosen mit der tatsächlichen Dax-Entwicklung über 20 Jahre vergleicht, zeigt: Erst der jährliche Durchschnitt aller Dax-Prognosen von 8,2 Prozent liegt annähernd in Reichweite der durchschnittlichen jährlichen Entwicklung der vergangenen 20 Jahre von 5,76 Prozent. „Dass langfristig die durchschnittlichen Dax-Prognosen mit der tatsächlichen Dax-Entwicklung ungefähr vergleichbar sind, reicht nicht zur Ehrenrettung der Prognostiker, sondern ist allenfalls eine unterhaltsame Fußnote“, so Neumann. Die Unterschiede zwischen den jährlichen Prognosen und der tatsächlichen Index-Entwicklung sind zum Teil immens: In den vergangenen 20 Jahren lag die Differenz allein in 13 Jahren – 2017 mitgerechnet – bei  mehr als zehn Prozentpunkten.


Dax-Prognose gehören in die Rubrik Unterhaltung

 

Doch völlig sinnlos sind die Ausblicke natürlich nicht. „Man kann als Anleger Prognosen konsumieren, sollte dabei jedoch nicht auf punktgenaue Dax-Prophetien achten, sondern auf die Argumentation, die dahinter steckt“, sagt Marcel de Gavarelli, Leiter Fonds Advisory der Laureus Privat Finanz. „In die Zukunft kann keiner schauen, aber dafür auf die Fakten.“ Wie stellen sich die Fundamentaldaten dar? Wie entwickelt sich die globale Wirtschaft? Wie gestaltet sich die Politik der wichtigsten Notenbanken? Welche Ereignisse stehen im nächsten Jahr an? „Das sind die Fragen, die sich ein Anleger stellen sollte – und nicht: Wo steht der Dax an Tag X?“, sagt Gavarelli. „Zumal immer wieder unerwartete Entwicklungen die Kapitalmärkte – ob begründet oder nicht – kurzfristig in die eine oder andere Richtung beeinflussen.“

Auch der Versicherungskonzern Ergo tut sich mit Punktprognosen schwer. „Wie beim Fußball ist es wenig sinnvoll, den Endstand eines einzigen Spiels vorhersagen zu wollen. Zu groß ist die Abhängigkeit von singulären Faktoren wie Glück, Tagesform, Willen“, sagt Andree Moschner, Mitglied im Vorstand der Ergo und Finanzprodukte und Strategic Asset Allocation. Selbst die Bayern würden mal gegen einen vermeintlichen Underdog verlieren. „Aber auf Basis von Fachwissen, Erfahrung und Instinkt kann man die großen Entwicklungslinien und vermutlichen Gewinner einer Saison durchaus prognostizieren – und auch darüber hinaus für einen vertretbar vorhersehbaren Zeitraum.“ Aus diesen Grund beschäftigt er sich als Chef der Kapitalanlage einer Versicherungsgesellschaft intensiv mit dem Thema und liefert für 2018 auch erstmalig einen Ausblick auf das Börsenjahr. Auf eine Punktprognose verzichten die Düsseldorfer aber.

Karsten Stroh sieht das ähnlich. „Wir halten Dax-Prognosen, genauer gesagt Punktprognosen zu einem bestimmten Zeitpunkt, für wenig sinnvoll“, sagt der Experte für europäische Aktien bei JP Morgan Asset Management. „Sicherlich ist es grundsätzlich unter Berücksichtigung der fundamentalen Daten und verschiedener Marktindikatoren möglich, zu prognostizieren, in welche Richtung sich ein Markt in einem absehbaren Zeitraum entwickeln kann“. Aber auf einen genauen Wert abzuzielen und dann auch noch zu einem ganz konkreten Termin sei schier unmöglich und reine Spekulation. „Deshalb liegen diese Prognosen auch so häufig daneben“, sagt der Anlageexperte.

Auf einen Ausblick will man aber auch bei JP Morgan Asset Management nicht verzichten. „Wir halten uns aus genau diesen Gründen mit den Punktprognosen zurück und beschreiben lieber die fundamentalen Treiber, die die Märkte in den nächsten Monaten beeinflussen sollten“, so Stroh. Für den Dax hat er für 2018 entsprechend auch keinen konkreten Wert vor Augen, betont lediglich, dass er und seine Kollegen auch im kommenden Jahr Risikoassets wie Aktien weiterhin positiv sehen.

Sutor-Experte Neumann sieht Prognosen hingegen grundsätzlich kritisch, vor allem für langfristig orientierte Investoren. Er rät deshalb davon ab, aus den Ausblicken die persönliche Anlagestrategie abzuleiten. „Dax-Prognosen gehören in die Rubrik Unterhaltung, nicht jedoch in die Rubrik Geldanlage“, sagt er. Langfristig orientierte Anleger sollten ihre Investmentstrategie nicht aufgrund von Prognosen oder auch aktueller politischer Ereignisse über den Haufen werfen.

Denn das kostet in der Regel Geld, getreu der alten Börsenweisheit ‚Hin und Her macht Taschen leer‘. „Erwiesenermaßen kostet häufiges Umschichten wertvolle Rendite – einerseits, weil ein kurzfristiger Aufschwung verpasst werden könnte, andererseits weil es unnötig Gebühren verursacht“, warnt Neumann. „Anleger messen kurzfristigen Trends und Ereignissen meist eine höhere Bedeutung bei als langfristigen – beim Anlageverhalten sollte es jedoch genau andersherum sein und mehr auf die langfristige Ausrichtung geschaut werden.“

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