Börsenausblick Sechs Top-Aktien fürs zweite Halbjahr

Die Rally ist weit gelaufen, die Aktienmärkte dürften in den nächsten Monaten eher seitwärts tendieren. Mit der richtigen Auswahl können Anleger aber weiter auf Aktien setzen – trotz möglicher Turbulenzen.

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Der Börsenhändler Michael Pansegrau telefoniert in der Börse in Frankfurt vor der Anzeigetafel des Deutschen Aktienindex. Das Bankhaus Lampe empfiehlt für das zweite Halbjahr sechs Top-Aktien, die trotz der hohen Index-Notierungen noch Kurspotenzial haben. Quelle: dapd

Nahezu alle großen Aktienmärkte haben zuletzt neue Allzeithochs erreicht, parallel dazu sind die Volatilitäten in die Nähe historischer Tiefststände gefallen. „Risiken gehören offensichtlich der Vergangenheit an, der Optimismus ist ausgeprägt“, kommentiert Ralf Zimmermann, Aktienstratege vom Bankhaus Lampe. So kletterte Dax auf eine Rekordmarke von rund 12.879 Punkten.

Das Angstbarometer, der VDax, schloss in diesem Jahr noch nie über einem Wert von 25. Laut einer Auswertung der Commerzbank war dies 2016 immerhin an 71 Handelstagen der Fall gewesen. Doch so ruhig weitergehen dürfte es in den nächsten Monaten nicht. Gegenwind sieht Zimmermann aus ganz verschiedenen Richtungen aufziehen. Anlegern empfiehlt er daher, sich etwas defensiver aufzustellen – und rät konkret zu Aktien, bei denen Analysten noch Nachholpotenzial sehen.

Die Kursrally im ersten Halbjahr habe sich aus einer Kombination verschiedener positiver Faktoren ergeben, die alle gleichzeitig gewirkt hätten, betont Zimmermann: Vor allem in der Eurozone habe es bei der Konjunkturentwicklung nachhaltig positive Überraschungen gegeben. Die Dynamik habe sich auch auf die Unternehmensgewinne übertragen. Erstmals seit Mitte 2015 haben die Analysten begonnen, ihre Gewinnschätzungen für die Dax-Konzerne zu erhöhen. Zugleich habe der deutsche Leitindex gegenüber dem US-Markt mit einem Bewertungsabschlag notiert, der dazu führte, dass globale Anleger verstärkt in Europa und auch in Deutschland investierten.

Daneben hofften die Investoren auf ein umfangreiches Konjunkturprogramm durch US-Präsident Donald Trump. Die Notenbankpolitik sei zudem weiterhin locker geblieben. Allein die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan haben ihre Bilanzen durch Wertpapierkäufe seit Dezember 2016 um rund 1.300 Milliarden Dollar ausgeweitet. Und: Aktienfonds hätten Netto-Zuflüsse verzeichnet, was letztendlich den Aktienmärkten zugutekam.

Im zweiten Halbjahr müssen sich Anleger aber wohl auf turbulentere Zeiten einstellen. Denn wichtige Indikatoren, wie der Ifo-Geschäftsklimaindex, bewegen sich bereits jetzt auf historisch hohem Niveau. Im Mai war der Index, der auf einer Umfrage unter 7.000 Unternehmen zu ihrer Geschäftslage und ihren Erwartungen beruht, auf 114,6 Punkte und damit den höchsten gemessenen Wert seit 1991 gestiegen.

Erholt sich etwa der wichtige chinesische Automarkt in den nächsten Monaten nicht, drohen in der zweiten Jahreshälfte zweistellige Rückgänge im größten globalen Automarkt. „Bei einem rückläufigen Ifo-Index dürfte zumindest die Marktdynamik nachlassen. Abhängig vom Ausmaß dieses Rückgangs wären auch Kursverluste möglich“, meint Zimmermann

Zudem sei der US-Aktienmarkt den Gewinnen bereits deutlich vorausgelaufen. „Der globale Ankermarkt, die USA, ist aus unserer Sicht fundamental überbewertet“, betont der Anlageprofi. Die Unternehmensgewinne befinden sich nur auf dem Niveau vom zweiten Quartal 2014, der marktbreite Aktienindex S&P 500 notiert aber – ohne Dividende - rund ein Viertel höher. Die Anleger setzen offenbar darauf, dass es die Politik schon richten wird.

Kursziele für den Dax

Lange lagen die Hoffnungen vor allem auf der Notenbank, zuletzt verlagerten sie sich auf mögliche Steuersenkungen und Infrastrukturprogramme, die US-Präsident Trump im Wahlkampf in Aussicht gestellt hatte. Diese Erwartungshaltung sei jedoch gefährlich, meint Zimmermann: „Der US-Markt ist auf Bewertungsniveaus gestiegen, die auf Basis mancher Größen nicht mehr allzu weit von den Spitzen während der Tech-Blase entfernt sind.“

Dies mache den US-Markt anfällig für eine kräftige Korrektur, die auch den Dax als risikoreichen Markt treffen würde – etwa wenn sich Präsident und Kongress nicht auf ein Fiskalpaket einigen können.

Ein weiterer Risikofaktor ist dem Lampe-Experten zufolge der deutlich erhöhte Fremdkapitalhebel. Die Erwartung dauerhaft niedriger Zinsen habe die fremdfinanzierten Aktienkäufe an der New Yorker Börse auf ein Allzeithoch steigen lassen. Auch das chinesische Wachstum sei wesentlich durch Kredite angetrieben worden. Steigende Zinsen seien damit ein potenzielles Risiko, so Zimmermann. Die US-Notenbank Fed hat bereits begonnen, die Leitzinsen anzuheben. Die EZB könnte in den nächsten Monaten einen Zeitplan für den Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm bekanntgeben.

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Die geopolitischen Risiken haben sich dagegen nach der Frankreich-Wahl, bei der die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen unterlag, etwas reduziert und lauern laut Zimmermann nun mehr im Hintergrund. Von der Bundestagswahl im September erwartet er nur beschränkte Auswirkungen auf die Märkte. Auch bei den Wahlen in Italien sieht er lediglich eine Verlängerung des Status Quo – also keine echten Reformen und anhaltende Wachstumsschwäche, aber auch keine Diskussion über einen Euro-Austritt.

Für den Dax rechnet der Aktienstratege bis zum Jahresende mit einer Seitwärtsbewegung, so dass das Börsenbarometer am Jahresende dann etwa bei 12 700 Punkten stehen dürfte. Zugleich müssten Anleger in den nächsten Quartalen „sichtbare Schwankungen“ in Kauf nehmen. Im besten Fall – wenn es beispielsweise ein deutliches US-Konjunkturpaket gäbe - könnte der Dax bis auf 14 300 Punkte steigen, das untere Ende der Spanne sieht Zimmermann bei 11 100 Punkten, wenn das Konjunkturpaket in den Vereinigten Staaten stark enttäuscht.

Anlegern empfiehlt er, in den nächsten Monaten „leicht defensiv“ zu investieren – beispielsweise in Aktien des im Dax notierten Konsumgüterkonzerns Henkel oder des Chemiehändlers Brenntag aus dem MDax. „Brenntag dürfte aufgrund seines hohen Nordamerika-Exposures von einem US-Stimulus profitieren“, sagt Lampe-Analyst Heiko Ferber. Die Aktie habe Nachholpotenzial. Alternativ könnten Investoren defensivere Werte innerhalb eher zyklischer Sektoren auswählen, ergänzt Zimmermann.

Favorit sei der Maschinenbau. Hier gebe es noch Potenzial für längerfristige Gewinnsteigerungen, im Gegensatz zum Automobilsektor. Top Pick unter den deutschen Aktiengesellschaften wären für das Bankhaus Lampe daher beispielsweise die MDax-Firma Gea. Die Aktie war in den vergangenen Quartalen einer der schwächsten Werte im Mittelwerteindex und sei daher „ein Underperformer, bei dem viel Negatives eingepreist ist“, betont Branchenanalyst Gordon Schönell.

Leicht steigende Zinsen sprechen für Finanztitel, während sie Immobilienaktien belasten. „Wir präferieren Versicherungen gegenüber Banken“, erklärt Zimmermann. Ein besonderes Augenmerk sollten Anleger daher auf den Dax-Konzern Münchener Rück und Talanx aus dem MDax legen. Rüstung und damit der MDax-Wert Rheinmetall bleibe zudem ein strategisches Thema, da die Verteidigungsausgaben der europäischen Regierungen in den kommenden Jahren über den Wachstumsraten der Vergangenheit liegen dürften.

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