Die zentrale Frage bleibt: Sind Aktien nun (zu) teuer? Kurze Antwort: Ja. Aber sie waren durchaus schon noch teurer. Setzt man nur die gängigste Kennziffer in den historischen Vergleich, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), so waren Aktien nur einmal teurer als heute: In den letzten Monaten der Jahrhunderthausse 1999/2000. Damals kosteten die Dax-Konzerne im Durchschnitt das bis zu 30-Fache ihrer geschätzten Gewinne der kommenden zwölf Monate. Momentan liegt das Dax-KGV bei 16, wenn die Gewinne im laufenden Jahr wie erwartet im Schnitt um acht Prozent steigen.
Dennoch häufen sich Vergleiche mit der Überhitzung der Kurse vor der Dotcom-Blase. Im Boomjahr 2000 hatten 6,2 Millionen Deutsche Aktien gekauft. In keinem Jahr lag die Zahl nach Daten des Deutschen Aktieninstituts seitdem höher. 2014 ging die Zahl der Aktionäre erneut um 400.000 zurück, auf 4,1 Millionen – sie liegt damit noch leicht unter dem Durchschnitt der letzten 18 Jahre. „Wir sehen aktuell den harten Kern der Anleger am Markt, die wissen, was sie tun“, sagt Leven. „Das unterscheidet uns vom Dotcom-Boom, bei dem eine wahre Hysterie ausgebrochen war und oftmals mit viel Unwissen investiert wurde.“
Beruhigend ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), das anzeigt, wie viel Ab- oder Aufschlag Anleger für das ihnen an ihren Unternehmen zustehende Vermögen bezahlen. Für den Index MSCI Europe liegt das KBV nur leicht über dem historischen Durchschnitt von rund 1,75, das heißt, derzeit bezahlen Anleger eine Vermögensprämie von 75 Prozent. Zur Jahrtausendwende lag die Prämie bei 300 Prozent.
Dennoch beruht die Kursentwicklung derzeit überwiegend auf einer Bewertungsausweitung. Anleger sind bereit, höhere Preise zu zahlen, und treiben damit die KGVs. Auf dem Tief nach der Lehman-Pleite, Ende 2008, lag das Dax-KGV bei nur 7,5; das heißt: Allein die gestiegene Bewertung der Dax-Aktien ist für mehr als eine Verdoppelung der Kurse verantwortlich; der Rest des Dax-Plus von mehr als 200 Prozent seit Anfang 2009 ist allerdings untermauert durch gestiegene Gewinne der Dax-Konzerne und die ausgezahlten Dividenden, die in die Berechnung des Dax miteinfließen.
„Aktien sind zweifellos teuer, gemessen an vielen gängigen Bewertungsmodellen sind wir auch bereits in einer Übertreibung“, sagt Alfred Roelli, Kapitalmarktstratege der Genfer Bank Pictet, „aber man muss wissen, dass diese historischen Modelle von der Geldpolitik extrem verzerrt werden.“ Wegen der niedrigen Zinsen könne das Dax-KGV sogar auf 25 steigen, vermutet Zimmermann vom Bankhaus Lampe: „Dann nähern wir uns allerdings den historischen Höchstwerten von Anfang 2000, und dort wird die Luft sehr dünn, auch ohne steigende Zinsen.“