Börsendebüt geglückt Healthineers entkommt dem Hexensabbat

Auf das Zittern folgt die Erlösung: Der Healthineers-Börsengang hat geklappt. Die Bilanz eines bewegten Vormittags an der Börse.

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Bernd Montag, CEO und Jochen Schmitz, CFO von Healthineers sowie Ralf Thomas, CFO von Siemens und Michael Sen, Vorstand von Healthineers posieren mit dem Börsenbullen. Quelle: Bloomberg

Frankfurt Die Erlösung kommt erst um 10:03 Uhr. Nach einstündiger Verzögerung ruft Makler Nico Baader den ersten Kurs für das Papier von Siemens Healtineers aus: 29,10 Euro kostet die Aktie der Medizintechnik-Tochter – zuvor war der Ausgabepreis auf 28 Euro festgesetzt worden. Nach quälendem Warten ist das Aufatmen groß, die Healthineers-Manager Bernhard Montag, Michael Sen und der neue Börsenchef Theodor Weimer schütteln die Glocke minutenlang, wollen sie gar nicht mehr los lassen. „Nicht kaputt machen“ ruft ein Journalist aus der Kulisse. Ausgerechnet der wichtigste Börsengang des Jahres war Opfer eine technischen Panne geworden, das Handelssystem Xetra funktionierte nicht, die Emission über insgesamt 4,2 Milliarden Euro konnte nicht pünktlich starten.

Was seit Wochen akribisch vorbereitet worden war, lief ziemlich aus dem Ruder. So knallten die Sektkorken schon um 9:35 Uhr – viel zu früh, da gab es den ersten Kurs noch nicht. Auf dem Parkett kursierten zwischen vegetarischen Schnittchen und Orangensaft Gerüchte, dass Hacker den Absturz bewirkt hätten. Keineswegs betont die Deutsche Börse, weder Hacker seien unterwegs gewesen, noch sei es ein Fall von Cybersecurity, betont ein Sprecher der Deutschen Börse.

Es war ein interner Fehler, die Aufarbeitung werde zwei, drei Tage dauern. Vielleicht war es auch einfach Hexenwerk gewesen, denn der Freitag war auch großer Verfallstag an der Börse, Hexensabbat genannt. Dann laufen an der Termin- und Optionsbörse Eurex Futures und Optionen auf Aktienindizes und Einzelwerte aus. Am Kassamarkt kann dies für größere Kursschwankungen sorgen. Denn Investoren versuchen oft, zum Verfall die Kurse kurzfristig in die für sie günstige Richtung zu bewegen.

Kurz nach 10 Uhr war dann auch die Bühne frei für den Markenbotschafter von Siemens. Manuel Neuer; der Torwart von Bayern München läuft in den Börsensaal ein und posiert neben dem Vorzeigemodell „Magneton Sola“, dem neuesten Magnetresonanztomographen der Healthineers-Ingenieure. „Er wird sich natürlich nicht hineinlegen, sonst weiß Borussia Dortmund ja alles über ihn“, scherzt eine Managerin.

Jochen Schmitz, der Finanzchef von Siemens Healthineers, bleib angesichts des technischen Blackouts gelassen. „Die Aktie von Siemens Healthineers ist nicht für den Moment emittiert worden, sondern ein langfristiges Investment.“ Er war bis Donnerstag auf Roadshow, um Investoren von der Werthaltigkeit seines Unternehmens zu überzeugen, zuletzt in München. Erst eine Stunde vor der Preisfeststellung war die Plackerei dann endgültig fertig. Jetzt kann sich das Management wieder um das Tagesgeschäft kümmern.

500 Investoren wurden vor dem Börsengang angesprochen. Die Roadshow ging von Frankfurt bis New York. Die Neuemission war gut verteilt. Selbst Privataktionäre, die normalerweise keine Rolle spielen in Deutschland, waren mit dabei. Ihnen wurde rund zehn Prozent zugeteilt, wie aus Konsortialkreisen zu hören war. Ohnehin kam Deutschland groß heraus. Während im Schnitt etwa fünf Prozent der Aktien bei heimischen Investoren landen, waren es diesmal etwa ein Viertel der Emission. Anleger aus England und den USA waren für rund 50 Prozent der verkauften Aktien verantwortlich. Selbst in Taiwan landeten etliche Papiere. Insgesamt war der Börsengang mehr als dreifach überzeichnet, wie aus Bankenkreisen zu hören war.

Zwar wollten viele Hedgefonds zugreifen, die für Liquidität sorgen sollen. Doch angesichts eine guten Auftragsbuches fiel dem Management von Siemens Healthineers zusammen mit den Banken die Wahl der Investoren schwer. Am Ende landeten etwa drei Viertel der Aktien bei langfristigen Investoren, die im Fachjargon Long-only-Anleger genannt werden, also Fonds, Versicherungen und Pensionskassen.

Die Preisspanne reichte von 26 bis 31 Euro und wurde damit zuvor unerwartet niedrig angesetzt. Das hing auch mit dem unsicheren Börsenumfeld nach der Ankündigung von Strafzöllen durch den US-Präsidenten Donald Trump und dem unklaren Wahlergebnis in Italien zusammen. Kurzzeitig sorgten diese beiden Faktoren für stärkere Kursturbulenzen. Kaeser hatte auf einen Börsenwert von bis zu 35 Milliarden Euro für die Erlanger Tochter gehofft, jetzt sind es sieben Milliarden weniger gewesen. Der Münchner Industriekonzern gibt 15 Prozent an der Tochter ab, damit ist viel Spielraum für weitere Nachplatzierungen – bei dann hoffentlich höheren Kursen.

Für Diskussionen sorgte bei potenziellen Investoren wie Fonds und Pensionskassen im Vorfeld vor allem die Labortechnik-Sparte. Dort setzt Siemens Healthineers – die klare Nummer zwei hinter Roche – auf seine neue Plattform „Atellica“. Sie soll die Trendwende bringen, nachdem sich Siemens in den vergangenen Jahren auf dem umkämpften Markt schwer getan hatte. Während etwa die Analysten von Redburn und Morgan Stanley hier Wachstumschancen entdecken, zeigen sich Anleger teilweise skeptischer. „Die Sparte lief in den vergangenen Jahren nicht rund“, sagte ein Fondsmanager einer ausländischen Investmentgesellschaft. Bei Magnetresonanztomographen, Röntgen- und Ultraschall-Geräten ist Healthineers dagegen die unangefochtene Nummer eins auf dem Weltmarkt.

Eine Woche nach Healthineers ist das zweite Schwergewicht an der Reihe, das in diesem Frühjahr an die Börse gehen will. Bei der DWS, der Vermögensverwaltungstochter der Deutschen Bank, läuft die Zeichnungsfrist seit Mittwoch. Hoffentlich hält sich dann das Kursfeststellungssystem stabil. Noch einmal so eine Panne können weder Börsenchef Weimer noch das Management der DWS gebrauchen. Die Nerven sind vor der Erstnotiz ohnehin angespannt genug.

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