Börseninvestments absichern Wann sich die Reißleine fürs Aktiendepot lohnt

Die Schwankungen an den Börsen nehmen zu, gerade vor der anstehenden Urlaubszeit macht das viele Anleger nervös. Wie Sie am besten über den Sommer kommen, was für Aktienverkäufe und für Derivate als Sicherung spricht.

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Online-Depot im Sommerurlaub kontrollieren Quelle: Getty Images, dpa, Montage

Das Auf und Ab an den Börsen nimmt langsam zu. Erst am Dienstag schickten schwache US-Daten auch den Dax auf Talfahrt, der Leitindex schloss mit 11.327 Zählern so niedrig wie seit März nicht mehr. Schon in der feiertagsbedingt kurzen Vorwoche büßte der Index rund drei Prozent ein. Vor allem am vergangenen Mittwoch rauschten die Kurse ins Minus, Schuld war das überraschend schwache Wirtschaftswachstum in den USA.

Die Unsicherheit über die US-Konjunktur lässt vor allem den Euro wiedererstarken. Die Gemeinschaftswährung hat innerhalb der vergangenen Wochen ihren Kurs in Richtung Parität unterbrochen und liegt mittlerweile immerhin wieder bei 1,11 Dollar. Allerdings drückt der stärkere Euro die Kurse und verunsichert vor allem die Anleger. Nachdem die Börsen lange Zeit scheinbar nur gestiegen sind, nimmt die Unsicherheit nun zu:

- hohe Bewertungen verstärken bei Anlegern die Sorge vor schmerzhaften Rückschlägen an den Märkten.

- traditionell schwanken die Kurse in den Sommermonaten stärker als üblich. Anleger sorgen sich um ihre Rendite, Vorsichtige denken über passende Absicherungsinstrumente nach.

Aktienkultur in Deutschland

Sind die Sorgen der Anleger begründet? Und wie können und sollten sich vorsichtige Investoren gegen mögliche Kursverluste absichern?

Aktuell sind auch die geringeren Umsätze ein Grund für das Hin und Her der Börsen. "Der deutsche Leitindex ist noch nicht über den Berg und Abschläge in die Gefilde um 11.000 Punkte sollten weiter einkalkuliert werden", sagt Jens Klatt, Chefanalyst beim Broker DailyFX. Der Eindruck entstehe, dass der Index seine Korrektur noch etwas weiter fortführen werde. „Der Dax dürfte nun schon ein gutes Stück seiner Korrektur hinter sich haben“, meint Daniel Saurenz von Feingold Research. Nervös werden müssen Anleger aber trotzdem nicht unbedingt. Weitere Kursverluste wären angesichts der Rally seit dem vergangenen Oktober kein Beinbruch, so Saurenz.

Wie volatil die Kurse tatsächlich sind zeigt am besten ein Blick auf den sogenannten VDax. Der Index ist im vergangenen Monat um gut 20 Prozent gestiegen und liegt damit deutlich höher als in den Monaten zuvor. Je höher er steigt, desto unruhiger wird es an den Märkten - eine Aussage darüber, ob die Kurse steigen oder fallen werden, liefert der VDax allerdings nicht. "Im langfristigen Durchschnitt liegt der VDax aktuell noch im Rahmen, allerdings durchaus im oberen Bereich der Standardbreite", sagt Christian Köker, Derivateexperte bei der HSBC. Der Markt bewege sich nicht mehr nur nach oben, sondern fange wieder an, verstärkt auf (schlechte) Nachrichten zu reagieren.

Einiges deutet also darauf hin, dass die Kurse in den nächsten Wochen stärker schwanken als zuvor. Vor allem für vorsichtige Anleger stellt sich nun die Frage, ob die Überhitzung an den Märkten schon so hoch ist, dass es zu herben Kursrücksetzern kommen könnte. "Die Märkte sind nicht per se überbewertet", sagt Tobias Basse, Aktienstratege der NordLB. Anleger müssten allerdings beachten, dass die Nullzinsen an den Anleihemärkten und die dort möglicherweise zu diagnostizierende Blase auch Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben. "Über Umwege könnte eine solche Blase auch die Kurse der Dividendenpapiere aufblähen", sagt der Aktienstratege.

Short-ETFs mit und ohne Hebel

Zuletzt hatten einige Marktbeobachter dafür plädiert, verstärkt in Aktien zu investieren, die eine hohe Dividendenrendite versprechen, um so die Zinsverluste bei festverzinslichen Papieren auszugleichen. Sind die Dividendentitel entsprechend gefragt, wirkt sich das langfristig auch auf die Bewertungen aus. Steigende Bewertungen machen viele Anleger nervös. Analyst Basse rät, sich in solchen Momenten auch einfach mal zu trauen, die entsprechenden Papiere zu verkaufen. Wenn die schwankungsreiche Zeit vorbei ist, könne man im Zweifel günstiger wieder einsteigen. Auch Robert Rethfeld von Wellenreiter Invest rät für die volatile Phase zu Gewinnmitnahmen bei Kurssprüngen. Wer Angst hat, den passenden Moment zum Verkauf regelmäßig zu verpassen, kann Stoppkurse für einzelne Titel einbauen. Werden diese unterschritten, kommt es automatisch zum Verkauf des Papiers.

Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln

Ein kompletter Ausstieg ist allerdings nicht empfehlenswert, dafür fehlen die Alternativen zu Aktien. Wer sein Depot Sommerfest machen will sollte zunächst auf eine gute Streuung achten - global gestreute Investments und ein gutes Mischdepot mit Absicherungs-Assets wie physischem Gold lassen vorsichtige Anleger ruhiger schlafen.

Zudem ist viel rein und raus bei Aktienkäufen nicht jedermanns Sache, auch weil jeweils Bankgebühren anfallen. Experten warnen in bestimmten Fällen vor zu rigorosen Verkäufen. Schon der 1999 verstorbene Börsenexperte André Kostolany wusste, das Anlegertreue manchmal wichtig ist: „Wer Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der hat sie auch nicht, wenn sie steigen“, hieß eine seiner Regeln.

Leichtsinnig zu verkaufen kann sich zudem rächen, wenn die Papiere schon lange im Depot liegen. Denn Kursgewinne von Aktien, die vor 2009 gekauft wurden, sind steuerfrei, erst danach wurde die Abgeltungsteuer von 25 Prozent eingeführt. Besonders in solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich mit Kurssicherungsinstrumenten zu behelfen, anstatt gleich die Verkaufskeule herauszuholen.

Die besten Börsenweisheiten
Pik-König und Pik-Ass Quelle: dpa
Schotten im Kilt Quelle: dpa
„Besitzer von Zinspapieren schlafen gut. Aktionäre hingegen leben gut.“ Quelle: dpa
eine Frau beißt in einen Burger Quelle: dpa
US-Investor Warren Buffett Quelle: dpa
Eine Schafherde Quelle: dpa
Roulette-Tisch Quelle: dapd

Wer Aktien mithilfe von Derivaten absichern will, hat dafür verschiedene Möglichkeiten. Einige davon sind vergleichsweise einfach. „Anleger, die mit einer weiter fallenden Kursentwicklung beim Dax rechnen, können mit sogenannten Short-ETFs auf den Index profitieren“, erklärt Ingo Theismann vom unabhängigen Vermögensverwalter Consulting Team. Ein Short-ETF bewegt sich immer entgegengesetzt zum jeweiligen Index. Fällt der Dax, steigt das ETF - und umgekehrt. Deshalb muss das Papier im Ernstfall auch schnell wieder verkauft werden. Erhältlich ist das Papier beispielsweise von db x-trackers (WKN DBX0BY) oder Lyxor (WKN LYX0FV). Aktuell ist der Kurs der Papiere vergleichsweise günstig, steigt aber angesichts der zunehmenden Marktschwankungen.

Wie die Dax-Konzerne ihre Anleger verwöhnen
Dax-Konzerne werden 2015 wohl einen Rekordwert von 30 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausschütten Quelle: AP
Die Allianz verwöhnte ihre Aktionäre bereits in diesem Jahr und wird 2015 wohl die höchste Dividendenrendite ausweisen. Der Konzern erhöht seine Ausschüttungsquote um fast 30 Prozent. Dass die Allianz so spendabel ist, liegt unter anderem am hohen Nettogewinn des Versicherungskonzerns: Dieser wird fürs laufende Jahr wohl 6,5 Milliarden Euro betragen (in den ersten neun Monaten verdiente die Allianz bereits fünf Milliarden Euro).Dividendenrendite: 4,7 ProzentDividende: 6,85 Euro pro Aktie Quelle: dpa
Der Rückversicherungskonzern Munich Re gehört ebenfalls zu den spendablen Dividendenzahlern. Der Konzern geht von einem Ergebnis von „leicht über drei Milliarden Euro“ aus. Vor allem weniger Belastungen durch Naturkatastrophen sorgten bei der Munich Re für einen Gewinnsprung im vergangenen Quartal. Dividendenrendite: 4,3 Prozent Dividende: 7,75 Euro pro Aktie Quelle: dpa
BASF Quelle: obs
Daimler Quelle: dpa
Die Zahlungen der Deutschen Telekom an die Anteilseigner sollen von 2015 bis 2018 im Schnitt jährlich um zehn Prozent wachsen. Die Dividendenprognose ist an das Wachstum des Free Cash Flow gekoppelt. Damit bleibt die Telekom eine der spendabelsten Dax-Konzerne. Dividendenrendite: 3,1 Prozent Dividende: 0,50 Euro pro Aktie Quelle: REUTERS
Die Deutsche Börse hat unter der Führung von Reto Francioni glänzende Jahre hinter sich. Der neue Chef Carsten Kengeter, ein früherer Investmentbanker, wird erst einmal zeigen müssen, ob er an Francionis Erfolg anknüpfen kann. Dividendenrendite: 3,0 Prozent Dividende: 2,10 Euro pro Aktie Quelle: dpa

Anleger, die noch spekulativer auf fallende Kurse setzen wollen, können Short-ETFs auch gehebelt kaufen. Während die Kursentwicklung bei einem normalen Short-Papier 1:1 entgegengesetzt zum Index verläuft, steigt das gehebelte Papier überproportional. Bei einem doppelten Hebel beispielsweise steigt das Short-ETF um zwei Prozent, wenn der Dax um einen Prozent fällt.

Das Prinzip der Short-Produkte ist zwar relativ einfach, Anleger müssen aber trotzdem aufpassen, wie sie die Instrumente einsetzen, um Verlusten zu entgehen. Grund dafür ist die Berechnung, die sich bei steigenden Kursen nachteilig auswirkt. Steigt der Dax etwa um zehn Prozent von 100 auf 110 Punkte, verliert das Short-ETF entsprechend zehn Prozent, es fällt von 100 auf 90 Zähler. Fällt der Dax allerdings am nächsten Tag wieder auf 100 Punkte zurück, steigt das ETF lediglich auf 98,2 Punkte, da der Indexfall von 110 auf 100 einem Rückgang von 9,1 Prozent entspricht. Das ETF kann nur so viel steigen, wie der jeweilige Tagesverlust des Index. Über einen längeren Zeitraum können durch diese Berechnungsweise auch bei Seitwärtsbewegungen der Kurse für den Anleger Verluste entstehen.

Put-Optionen als Wette auf fallende Kurse

Wer noch mehr Risiko verträgt, kann auf Put-Optionen als Absicherungsinstrument zurückgreifen. Auch Puts greifen, wenn die Kurse fallen, sie funktionieren wie eine Art Versicherung gegen Verluste einer Aktie oder eines Indexfonds. Für Anleger ist das komfortabel, hat jedoch seinen Preis. Wählen muss der Anleger zum einen den Basispreis der Puts, dieser richtet sich nach dem aktuellen Kurs, den er absichern will. Wer aktuell einen Dax-ETF absichern will, müsste rund 11.450 Punkte wählen. Auch die Laufzeit des Papiers ist wichtig und sollte möglichst genau bestimmt werden, denn je länger der Anleger seine Positionen "versichert", desto teurer der Put.

10 Tipps für Börseneinsteiger

Vorsichtige Anleger könnten die Laufzeit ihrer Put-Option beispielsweise an der geplanten Zinswende in den USA orientieren, da diese zu merklichen Kursbewegungen führen könnte. Eine Zinserhöhung seitens der Fed würde die Kurse zwar kurzzeitig belasten, sei aber ein wichtiges Signal für nachhaltige Kursgewinne. "Nach der Zinswende könnten sich für Anleger Einstiegsmöglichkeiten bei US-Aktien ergeben", erklärt der Analyst.

Anleger, die ihre Daxbestände vollständig absichern wollen, müssten folgende Beispielrechnung aufmachen: bei den aktuellen Kursen sollte ein Put mit 11.300 Zählern als Basiswert gekauft werden. Wer, wie einige Banken, davon ausgeht, dass die Fed im September ihre Zinsen erstmals wieder erhöht, sollte eine Laufzeit bis Oktober wählen. Die entsprechende Option (WKN TD2JUB) kostet aktuell 6,41 Euro, ist also nicht mehr ganz billig.

Wer Daxpositionen für 5000 Euro absichern will, müsste 45 dieser Puts kaufen (5000 : 11300 x 100), da die Optionsscheine üblicherweise mit dem Bezugsverhältnis  100:1 ausgegeben werden. Die Kosten für mehr Sicherheit würden also insgesamt bei rund 290 Euro liegen, also bei rund 5,7 Prozent der abzusichernden Summe. „Wer einen Dax-Einbruch von mehr als sechs Prozent für denkbar hält, kann über die Absicherung nachdenken“, sagt HSBC-Experte Köker. Das gelte vor allem für diejenigen, die weiterhin viel Potenzial am Markt sehen, sich allerdings gegen kurzfristige Rücksetzer wappnen wollen.

Crash-Versicherung

Günstiger wird es, wenn Anleger anstelle einer solchen Voll-Absicherung nur einen richtigen Crash absichern – also den Basiswert deutlich niedriger ansetzen, etwa bei 10.000 Zählern. Diese Crash-Alternative kostet nur etwa ein Drittel der „Vollkasko“-Variante.

Anleger müssen sich ähnlich wie bei einer Versicherung überlegen, wie viel ihnen das Plus an Sicherheit wert ist und zu wie viel Selbstbeteiligung sie bereit sind. Wer nicht verkaufen will, sondern nur ein Sicherheitsnetz spannen will, hat den Vorteil, dass er seine Aktionärsrechte behält.

Und auch auf der Kostenseite gibt es einen weiteren vermeintlichen Vorteil: wer mit dem Kauf von Kurssicherungsinstrumenten Verluste macht, kann diese bei der Steuererklärung gegen die erzielten Gewinne rechnen und mindert so seine Steuerlast. Wenigstens ein kleiner Trost.

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