Börsenkenner im Gespräch „Viele Leute haben viel Geld verloren“

Die meisten erinnern sich an das Platzen des Neuen Marktes mit Grauen. Börsenkenner Fidel Helmer hätte den Markt am liebsten viel früher beerdigt. Er erinnert sich an ein ungutes Gefühl und an fehlende Vernunft am Markt.

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Fidel Helmer: „Zockermentalität wird es immer geben.“ Quelle: dpa

Frankfurt/Main Das Scheitern des Neuen Marktes vor zehn Jahren war nach Ansicht von Börsianer Fidel Helmer ein heilsamer Schock. „Die Hürden sind heute höher, Anleger sind wesentlich vorsichtiger. Und das ist auch gut so“, sagte Fidel Helmer, Leiter Wertpapierhandel der Privatbank Hauck & Aufhäuser, der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt.

Helmer, der seit mehr als 40 Jahren an der Frankfurter Börse tätig ist, weiß aber auch: Die Aktienkultur in Deutschland hat dauerhaft unter dem Platzen der Dotcom-Blase gelitten: „Diesen Schock kann man nicht innerhalb weniger Jahre überwinden, viele Leute haben viel Geld verloren.“ Die Zahl der Aktionäre in Deutschland erreichte den Höchststand des Jahres 2001 (fast 13 Millionen, Aktionärsquote 20 Prozent) seither nie mehr.

Viele Händler auf dem Frankfurter Parkett, erinnert sich Helmer, hätten schon zum Start des Neuen Marktes im März 1997 ein ungutes Gefühl gehabt: „Die ersten Aktien am Neuen Markt, Mobilcom und Bertrandt, waren ja noch sehr gute. Aber selbst da haben die Händler gesagt: Jetzt haben wir den Zockermarkt eröffnet. Das hat sich dann bewahrheitet.“

Nachdem die ersten Aktien in dem jungen Segment sehr gut gelaufen seien, habe sich der Hype verselbstständigt, sagt Helmer. „Schuld an der Misere waren alle Beteiligten: Die Kunden haben alles gezeichnet, was nicht niet- und nagelfest war. Die Deutsche Börse hat die Kriterien für die Aufnahme neuer Titel viel zu lasch gehandhabt. Die Banken haben sich Unternehmen, die sie an die Börse gebracht haben, oft nicht so genau angeschaut. Und die Medien kannten im Grunde nur noch ein Thema: Die New Economy.“

Rückblickend sagt der Börsenkenner: „Man hätte den Neuen Markt noch viel früher beerdigen müssen.“ Viele der Firmen hätten im Grunde am Aktienmarkt nichts zu suchen gehabt. „Manche Unternehmen, die nur aus ein paar Leuten, Computern und Büros bestanden, hatten auf einmal eine Bewertung wie Daimler. Das da etwas nicht stimmen kann, musste eigentlich jedem klar sein, der einigermaßen vernünftig denken kann.“

Gänzlich gefeit vor Auswüchsen sei die Börse auch heute nicht, meint Helmer: „Diese Zockermentalität gibt es immer. Wenn man überproportionale Gewinne erzielen kann, wird es immer wieder solche geben, die versuchen da mitzuschwimmen.“ Der Börsenboom der vergangenen Wochen macht Helmer allerdings keine Sorgen: „Die Gefahr einer Blase sehe ich derzeit nicht: Die Unternehmenszahlen sind gut, Liquidität ist vorhanden und es gibt viel zu wenig Anlagealternativen.“

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