Frank Scheunert und Peter Eck galten jahrelang als gefürchtete Berufskläger, die auf Hauptversammlungen Vorstände und Aufsichtsräte mächtig ins Schwitzen brachten. Sie reichten Anfechtungsklagen ein, kippten Beschlüsse und blockierten Entscheidungen. Für die beiden war das ein einträgliches Geschäft – etwa, wenn die Unternehmer zur Besänftigung der Kritiker einen Vergleich schlossen.
Eck will damit früher Millionen verdient haben – pro Jahr. Noch 2011 musste die Postbank den beiden knapp 1,80 Euro je Aktie Nachschlag zahlen, weil sie aus Aktien des Finanzdienstleisters BHW herausgedrängt worden und mit der Abfindung nicht zufrieden waren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute steuert Scheunert von Dubai aus den Hedgefonds Exchange Investors. Eck lebt in London.
Mittlerweile befassen sich nicht mehr Bankvorstände mit den beiden, sondern Staatsanwälte und Richter: Eck und Scheunert werden immer tiefer in einen Strudel schwerer Vorwürfe und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gezogen. Im Zentrum des Börsenkrimis: die Düsseldorfer Beteiligungsgesellschaft VestCorp AG, die im August 2012 Insolvenz anmeldete – völlig überraschend.
VestCorp ist Nachfolgerin des Wagniskapitalgebers TFG, der in seiner Blütezeit um die Jahrtausendwende fast eine halbe Milliarde Euro Börsenwert hatte. Aktionäre werfen einem Netzwerk aus ehemaligen Vorständen, Aufsichtsräten und Mittelsmännern vor, VestCorp ausgeplündert und fast 19 Millionen Euro aus den Kassen geholt zu haben.
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sieht offenbar einen Anfangsverdacht. Sie bestätigte der WirtschaftsWoche, dass sie nach einer Strafanzeige Ermittlungen gegen sechs mögliche Verantwortliche wegen angeblicher Bankrott- und Untreuestraftaten zulasten der VestCorp AG, ihrer Gläubiger und Gesellschafter aufgenommen habe (120 Js 281/13).
Die Vorwürfe richten sich nach Informationen der WirtschaftsWoche gegen Peter Eck und Frank Scheunert, gegen zwei Ex-Aufsichtsräte und gegen die früheren VestCorp-Vorstände Udo Treichel und Udo Spütz. Alle wissen angeblich weder von der Strafanzeige noch von Ermittlungen und weisen die Vorwürfe zurück.
Eck und Hedgefondsmanager Scheunert sind für die Düsseldorfer Justiz keine Unbekannten. 2012 wurden beide vom Landgericht wegen Marktmanipulation verurteilt (10 KLs 2/11 und 10 KLs 17/11). Laut den Urteilen haben mehrere Personen, darunter Eck und Scheunert, zwischen August 2008 und September 2009 immer wieder Geschäfte in dem kleinen Nebenwert Resprop Immobilien AG abgesprochen und den Kurs in die Höhe getrieben. Eck bekam 9900 Euro, Scheunert 9600 Euro Geldstrafe aufgebrummt. Das Urteil gegen Eck ist rechtskräftig. Scheunert ging in Revision. Bis der Bundesgerichtshof ihn verurteilt oder freispricht, gilt er als unschuldig.
Aktionäre wählten trotz Gegenwind neuen Aufsichtsrat
Bei dem neuen Börsenskandal, den jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt, geht es nicht um Marktmanipulation, sondern um eine vermutete eiskalte Ausplünderung. „Irgendwo müssen die vielen Millionen ja gelandet sein“, sagt ein langjähriger VestCorp-Aktionär. Er will wenigstens einen Teil des Geldes zurückbekommen. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in Frankfurt haben Aktionäre auf Initiative eines Münchner Privatanlegers Mitte April einen neuen Aufsichtsrat gewählt. Jetzt will der mit einem unbelasteten Vorstand retten, was noch zu retten ist.
Schon das Zustandekommen der Frankfurter Versammlung war für die Aktionäre ein Kraftakt. Die VestCorp-Spitze hatte versucht, das Treffen zu verhindern – unter anderem, indem sie die gerichtlich genehmigte Versammlung absagte.
Als die Blockadeversuche nicht fruchteten, traten Vorstand und Aufsichtsrat kurz vor dem Hauptversammlungstermin geschlossen zurück. Die Aktionäre trafen sich trotzdem und wählten einen neuen Aufsichtsrat. Ob diese Beschlüsse Bestand haben werden, ist aber offen. Ein als Hauptversammlungsschreck bekannter Aktionär aus Saarbrücken – braungebrannt, weißhaarig, Typ: alter Seebär – torpedierte die Versammlung noch vor Ort.
Er monierte etwa, dass in einem Nebenraum mit Getränken und belegten Brötchen die Redner nicht zu hören seien oder dass auf Hinweisschildern nur HV stehe, nicht Hauptversammlung. Ob aus eigenem Antrieb oder auf Auftrag, er legte gleich gegen alle Beschlüsse Widerspruch ein.
Millionen in der Kasse
Vorerst ist der neue Aufsichtsrat gewählt, ein Vorstand auserkoren. Sie wollen Licht in zahlreiche dubiose Geschäfte vor der VestCorp-Pleite im August 2012 bringen. Was sie misstrauisch macht: Noch im Mai 2011 hatte der damalige VestCorp-Vorstand Udo Treichel vorgeschlagen, die Gesellschaft zu liquidieren und ihr Vermögen unter den Aktionären aufzuteilen.
Laut Treichel verfügte VestCorp damals über 16,5 Millionen Euro Bargeld und ein Gesamtvermögen von 28,5 Millionen Euro. Die Aussicht auf etwa zwei Euro Ausschüttung pro Aktie lockte auch neue Aktionäre an. Sie kauften, weil sie ein Geschäft witterten: An der Börse notierte die Aktie bei knapp einem Euro, etwa 50 Prozent unter dem reinen Vermögenswert.
Aus dem Geschäft wurde nichts. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im November 2011 fand der Beschluss über die Ausschüttung keine Mehrheit – obwohl er für alle Aktionäre vorteilhaft schien. Die Versammlung war überschattet von Merkwürdigkeiten: Weil der damalige Vorstand Klaus Goeser kurzfristig wegen Gesundheitsproblemen verhindert war, machte der Aufsichtsrat kurzerhand Peter Eck zum Vorstand – nur für diese Hauptversammlung.
Wirtschaftlich unangebrachte Großinvestitionen
Bei den entscheidenden Abstimmungen kam es nach Ansicht mehrerer Aktionäre zu Unstimmigkeiten. Ein Aktionär reichte Anfechtungsklage ein, die wegen der Insolvenz aber wohl nie entschieden wird. Eck sagt, dass die Abstimmungen ordnungsgemäß waren.
Was die Aktionäre 2011 nicht ahnten: Die VestCorp-Millionen hatten wohl jemanden begehrlich gemacht. Im Hintergrund hatten sich die gut gefüllten Kassen der VestCorp schon teilweise geleert – und die Geldabflüsse gingen weiter.
Laut Strafanzeige sind zum Beispiel hohe Beratungshonorare geflossen. Allein der frühere Vorstand Treichel – im Juli 2011 gab er den Vorstandsposten zugunsten von Goeser auf – bekam im November 2011 und im Januar 2012 von VestCorp jeweils 150 000 Euro überwiesen. Treichel sagt, das sei ein normales Honorar für „mit dem Vorstand vereinbarte vertragliche Beratungsleistungen“ gewesen.
Sehr viel mehr Geld kosteten die VestCorp verdächtige Aktienkäufe. VestCorp-Insolvenzverwalter Dirk Andres wunderte sich im Januar 2013 in einem internen Bericht für die Gläubigerversammlung über die „erheblichen Zahlungsabflüsse im Jahr 2011 und 2012“. Und: „Wirtschaftlich vernünftige Argumente für die Investitionen sind mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt“, stellte er zu Aktienkäufen fest. Es sei „äußerst fraglich, ob hier noch die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers eingehalten wurde“. Es gebe „deutliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Investitionen in Absprache mit Dritten getätigt wurden“.
Laut Strafanzeige hat die VestCorp vor der Insolvenz überteuert Aktien gekauft – von früheren Vorständen, Aufsichtsräten und ihren Mittelsmännern. Die bestreiten das. Unter den heute nahezu wertlosen Papieren war auch die Resprop-Aktie, deretwegen Eck und Scheunert schon 2012 vor Gericht standen. Millionen gingen auch für die Aktie der Beteiligungsgesellschaft Spütz AG drauf. Die ist Nachfolgerin einer längst aufgegebenen Börsenmaklergesellschaft, bei der einst der im März in Italien verhaftete Hedgefondsmanager Florian Homm ein großes Rad gedreht hatte.
Perfektes Timing
Für die Aktienverkäufer war der Zeitpunkt günstig: Im Februar 2012 hatte die Deutsche Börse angekündigt, ihr First Quotation Board zu schließen – ein Börsensegment, in dem sich nicht nur Hoffnungswerte, sondern auch zwielichtige Unternehmen tummelten. Resprop und Spütz wurden dort gehandelt. Wenige Monate nachdem die unbekannten Verkäufer Resprop- und Spütz-Aktien an VestCorp abgedrückt hatten, waren die nicht mehr handelbar.
Treichel bestreitet Freundschaft mit Eck
Auffällig ist, dass es bei fast allen Geldabflüssen aktuelle oder frühere Verbindungen zu den ehemaligen Verantwortlichen von VestCorp gibt. Die Herren kennen sich zum Teil seit Jahren sehr gut. So sind Peter Eck (Ein-Tages-Vorstand der VestCorp) und Udo Spütz (früherer Aufsichtsrat und 2013 für kurze Zeit Vorstand der VestCorp) auch Aufsichtsräte der Exchange Investors, bei der Scheunert die Geschäfte führt.
Eck und Spütz gingen schon gemeinsam auf die Jagd und haben auch eine gemeinsame, wenig rühmliche Aufsichtsrats-Vergangenheit: Zusammen mit Ex-VestCorp-Aufsichtsrat Leopold Dieck beaufsichtigten sie das Bauunternehmen Aktiv-Bau. Später rutschte es in die Pleite.
Ecks früherem Kegelclub gehörte laut E-Mail-Einladungen nicht nur der Sohn von Udo Spütz, sondern auch der frühere VestCorp-Vorstand Treichel an. Eck will sich dazu nicht äußern, das sei persönlich. Treichel bestreitet, einem gemeinsamen Kegelclub angehört zu haben. Er und Eck seien sich nur „gelegentlich bei privaten Anlässen über den Weg gelaufen“. Fotos zeigen die beiden zumindest 2003 bei einer mehrtägigen Segeltour mit Freunden.
In dieses Netz aus persönlichen Bekanntschaften und geschäftlichen Beziehungen weisen einige der größten Geldabflüsse der VestCorp:
- So hat sich VestCorps Bestand an Aktien der Spütz AG laut Bericht des Insolvenzverwalters zwischen Anfang 2011 und März 2012 mehr als verachtfacht, von einem ursprünglichen Buchwert von 800 000 Euro bis auf 6,6 Millionen. VestCorp hielt zum Schluss 4,2 Millionen Spütz-Aktien. Alleinaktionärin bei Spütz war bis 2008 die von Scheunert geführte Exchange Investors. Scheunert selbst ist auch Spütz-Vorstand. Der von Exchange Investors gehaltene Spütz-Anteil sank nach 2008, der von VestCorp stieg. Scheunert sagt, Exchange Investors habe keine Spütz-Aktien verkauft. Pikantes Detail: Exchange Investors war im September 2011 noch zu mindestens 25 Prozent an VestCorp beteiligt.
- Neben direkten Aktienkäufen akzeptierte VestCorp im Juni 2011 auch, dass ein der Spütz AG gewährter Kredit über 2,9 Millionen Euro bei einer Kapitalerhöhung in eine Million Spütz-Aktien umgewandelt wurde. An der Aktion beteiligt war ein Wirtschaftsprüfer, der schon vor Jahren geschäftliche Kontakte zu Peter Eck hatte. Was die VestCorp dazu bewog, sich auf den Tausch Kredit gegen Aktien einzulassen, bleibt offen. Der damalige VestCorp-Vorstand Treichel will sich dazu mit Verweis auf Verschwiegenheitspflichten nicht äußern.
- Zwischen Anfang 2011 und März 2012 kaufte die VestCorp auch massenhaft Aktien der Resprop Immobilien. Dabei zahlte sie für die heute wohl wertlosen Aktien stolze Preise: Der Resprop-Kurs stieg 2011 von 2 auf zwischenzeitlich 17 Euro. Im März 2012 hielt VestCorp Resprop-Aktien für sechs Millionen Euro.
Wer hat für VestCorp Aktien gekauft?
Vorstand von Resprop war von April bis Oktober 2012 Peter Eck, der sich daran erst auf mehrfache Nachfrage erinnern kann. Auch Treichel und der verstorbene Ex-VestCorp-Vorstand Goeser waren früher als Vorstände von Resprop aktiv. Im Resprop-Aufsichtsrat saßen ebenfalls Bekannte – Ende 2011 waren es laut Jahresabschluss Frank Scheunert, Udo Spütz und dessen Sohn.
Mitte 2011 war auch noch Ecks Ehefrau, von der er getrennt lebt, im Aufsichtsrat. Die Staatsanwaltschaft ging laut Anklageschrift von Anfang 2011 davon aus, dass Ecks Ehefrau 81 Prozent an Resprop gehalten habe. Eck bestreitet das. Er hält einen Anteil von 30 Prozent für realistisch. Seines Wissens sei dieser Anteil auch stabil geblieben. Ein ehemaliger Spütz-Börsenhändler sagt, dass auch Spütz früher Resprop-Aktien gehalten habe.
Fest steht: Der Verkäufer der Aktien hatte den richtigen Riecher, genau wie der von Spütz. Beide Aktienpakete sind an der Börse nicht mehr handelbar, beide stuft Insolvenzverwalter Andres als wertlos ein.
Zweitkarriere mit Kaffee
Die VestCorp-Aktionäre setzen ihre Hoffnung nun darauf, dass die Staatsanwälte herausfinden, wo die Millionen gelandet sind. Leicht wird es nicht. Das Landgericht Düsseldorf etwa sprach bei den früheren Verhandlungen zu Kursmanipulationen von Resprop-Aktien den ebenfalls angeklagten Udo Treichel frei, obwohl über das Depot der VestCorp auch Resprop-Aktien gehandelt worden waren und Treichel zum fraglichen Zeitpunkt Alleinvorstand war. Die Zugangsdaten für das VestCorp-Depot seien aber „auch Mitarbeitern der Spütz AG bekannt“ gewesen, stellten die Richter fest. Und die hätten tatsächlich für das VestCorp-Depot Aktien gekauft.
Hätte es solche Sicherheitslücken auch noch 2012 gegeben, wäre kaum zu ermitteln, wer für die Aktienkäufe der VestCorp tatsächlich verantwortlich war. Die VestCorp-Aktionäre hoffen, dass die Staatsanwälte trotzdem Belege für Straftaten finden. Dann könnten sie möglicherweise Schadensersatz von Ex-Managern oder anderen Verantwortlichen bekommen.
Doch die weisen die Vorwürfe nicht nur als haltlos zurück, sondern bei ihnen wäre wohl auch nicht viel zu holen. Der per Strafanzeige beschuldigte Peter Eck hat versucht, in Großbritannien Privatinsolvenz anzumelden – vorerst allerdings erfolglos. Ex-VestCorp-Vorstand Goeser hatte vor seinem Tod seine Zahlungsunfähigkeit vor Gericht erklärt.
Scheunert sagte vor dem Düsseldorfer Landgericht, dass er als Anleihehändler derzeit keine positiven Einnahmen habe. Er erwäge, mit seiner Familie von Dubai nach Äthiopien zu ziehen und im Bereich des Kaffeehandels tätig zu werden.
Für verlustgeplagte VestCorp-Aktionäre wäre das wohl die Krönung.