Psychologisch lassen sich diese Vorurteile leicht erklären. Denn an der Börse werden schlechte Nachrichten in der Regel deutlich stärker gewichtet als gute. Der Grund ist offensichtlich: Läuft alles gut, schenkt die Öffentlichkeit den Kursen nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig. Kommt es allerdings zu einer Krise wie der Lehman-Pleite oder der Euro-Schuldenkrise und die Kurse brechen ein, wird das Geschehen auf dem Börsenparkett genau beobachtet und hinterfragt. Die Konsequenz daraus: Aktien werden viel mehr mit Begriffen wie Spekulation und Derivaten in eine Kiste gepackt, gelten als undurchsichtig. Als das, was sie eigentlich sind – nämlich Eigentumsanteile an Unternehmen, gehandelt an regulierten Börsen – werden sie dagegen selten betrachtet.
Prägende Erfahrungen
Dazu passen auch mehrere Studien, die gezeigt haben, wie wichtig Erfahrungen für das eigene Risikoverhalten sind. Die beiden Ökonomen Ulrike Malmendier und Stefan Nagel haben das anhand von langen Datenreihen untersucht. Sind Generationen, die von einer wirtschaftlichen Krise geprägt sind, wie beispielsweise dem Zusammenbruch des Neuen Markts, weniger risikobereit und weniger aktiv an den Aktienmärkten als Generationen, die in ökonomischen Boomzeiten aufgewachsen sind?
Wie man an der Börse die besten Chancen hat
Stop-Loss-Orders, bei deren Unterschreiten automatisch verkauft wird, disziplinieren und bewahren davor, permanent nach Kursen schauen zu müssen. Sinnvoll aber nur bei sehr liquiden Werten. Bei Aktien unterhalb des Dax gefährlich, weil Profis die Aktien unter das Stopp-Loss drücken und billig abfischen könnten.
Stimmen die Gründe für den Kauf noch, wird eine Aktie nur ihrer Kursgewinne wegen nicht riskanter. Also halten, auch dann, wenn es zwischenzeitlich nach unten geht. Verschlechtern sich wesentliche Parameter: verkaufen.
Angst und Gier treiben die Herde, so entstehen heftige Kursbewegungen, die aber auch schnell wieder drehen und deshalb gute Kauf- und Verkaufschancen bieten. US-Ökonom Robert Shiller zieht Parallelen zum Fußball: „Halte dich von der Meute fern, dann wird der Ball früher oder später zu dir kommen.“
Wer Unternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell hält, prüft Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Umsatz- und Cashflow-Entwicklung über viele Jahre und vergleicht sie mit den Zahlen der Konkurrenten. Gründe, die zu einem Investment führen, schriftlich festhalten: hilft klarer zu denken und kann, wenn der Wunsch, zu verkaufen übermächtig wird, nachgelesen werden.
Irren ist menschlich. Wer schon beim Aktienkauf festlegt, welches Minus er maximal akzeptiert, schützt sich vor Illusionen. Etwa der, nur noch Nachrichten wahrzunehmen, die die eigene positive Überzeugung stützen.
Das Ergebnis: Ein enger Zusammenhang zwischen der Risikobereitschaft eines Anlegers und der jeweiligen Entwicklung an den Aktienmärkten. Wer hohe Erträge am Aktienmarkt erlebt hat, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Anleger als der, der mit sinkenden Kursen aufgewachsen ist. Auch die Risikobereitschaft ist demnach von den Erfahrungen abhängig. Die Wissenschaftler weisen deshalb darauf hin, dass die „Generation T-Aktie“ aufgrund ihrer negativen Erfahrungen für die Börsen verloren ist. Vielmehr müsse bei jüngeren Anleger angesetzt werden und deren Bewusstsein für die Aktienanlage geschärft werden.
Forscher wie Nagel haben ebenfalls rausgefunden, dass eigene Erfahrungen ebenfalls schwerer wiegen als Bildung und Börsenwissen. Dabei trommeln gerade Befürworter einer verbesserten Aktienkultur immer auch für mehr ökonomische Bildung in der Schule. Ein Widerspruch? „Mehr ökonomische Bildung ist die Voraussetzung dafür, Erfahrungen an der Börse machen zu können“, erklärt Bortenlänger. Nur so könnten Börsenereignisse auch rational eingeordnet werden. Tatsächlich ist das Fach Wirtschaft aus vielen Stundenplänen in Deutschland verschwunden. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage oder die Frage, wie ein Markt funktioniert, wird hauptsächlich Wirtschaftsstudenten im ersten Semester näher gebracht.
Steuerliche Nachteile
Neben mehr Bildung wird auch die Besteuerung von Aktieninvestments regelmäßig als nachteilig gegenüber anderen Anlageformen kritisiert. „Steuerlich wird ein Investment in Aktien diskriminiert“, sagt Bortenlänger. Aufgrund der Körperschaftssteuer auf Unternehmens- und der Abgeltungssteuer auf Anlegerebene werde die Anlage praktisch doppelt versteuert. Etwas anders sieht es beispielsweise bei Immobilieninvestments aus. Wer sein Betongold verkauft, muss den Gewinn nicht versteuern – zumindest dann nicht, wenn man das Objekt mindestens zehn Jahre besessen hat. Genauso steuerfrei ist der Verkauf, wenn der Besitzer in den Jahren vor dem Verkauf selber in der Immobilie gewohnt hat.