Börsenneulinge Startups haben an der deutschen Börse keine Chance

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Researchgate - Facebook für Wissenschaftler

Ijad Madisch Quelle: Laif/Andreas Chudowski

Christian Vollmann war der erste Investor, der Ijad Madisch Geld gab, obwohl er ihn nicht persönlich kannte. Das war Anfang 2008. „Researchgate soll ein Facebook für Wissenschaftler werden“, versprach ihm Madisch. 20 andere Investoren hatten zu diesem Zeitpunkt schon abgelehnt. Vollmann war der erste, der an die Vision glaubte und nicht nach Gewinnen fragte.

Heute haben sich über drei Millionen Forscher auf dem Portal registriert, das ist fast die Hälfte aller Forscher weltweit. Eine Million sind mindestens einmal im Monat auf der Seite aktiv: Aal-Forscher aus Schweden, Klimafolgenforscher aus Potsdam, Physiker aus Russland, HIV-Spezialisten aus Kalifornien. Sie haben über 60 Millionen Arbeiten auf Researchgate veröffentlicht, diskutieren Probleme, vergleichen Ergebnisse oder suchen nach neuen Jobs. Jeden Tag kommen 10.000 neue Mitglieder dazu, jede Woche werden auf der Plattform über 5000 neue Rohdatensätze hochgeladen, Daten etwa über fehlgeschlagene Experimente, die sonst kaum bekannt geworden wären.

„In den wissenschaftlichen Journalen werden doch nur die Erfolgsmeldungen publiziert“, sagt Madisch. „Wir hingegen verbinden die richtigen Daten mit den richtigen Menschen.“ Er meint Menschen wie Orazio Romeo, einen jungen Biologen aus Italien, der über Researchgate Emmanuel Nnadi aus Nigeria fand; gemeinsam entdeckten sie einen neuen Infektionserreger. Oder den philippinischen Studenten, der ohne das Netzwerk wohl nicht mit einem spanischen Professor eine neue Formel für Biodiesel gefunden hätte.

Madisch will das Open-Source-Prinzip (Software kann frei kopiert und weiterverbreitet werden) in der Wissenschaft etablieren. Seine schärfsten Wettbewerber sind die renommierten Journale „Nature“ oder „Science“, die erfolgreiche Forschungsergebnisse als Erste publizieren. Forschungsgelder, Drittmittel, Prestige hängen daran. Diesen Mechanismus will Madisch brechen. Schließlich sei das World Wide Web 1989 erfunden worden, damit Forscher ihre Daten schneller austauschen könnten.

Investor Vollmann sagt über Madisch, der sei der einzige der neuen Gründer in Deutschland, der „von der Denke her an das Silicon Valley herankommt“. Dafür spricht zumindest, dass vor allem Amerikaner in das deutsche Startup investiert haben. So gewann Madisch Matt Cohler und dessen Fonds Benchmark Capital als Investor. Cohler war lange Zeit die Nummer zwei bei Facebook und hat auch LinkedIn mit gegründet. Peter Thiel, der erste Facebook-Investor, ist dabei; zuletzt öffnete Bill Gates Ende Mai sein Scheckbuch.

Über 35 Millionen Dollar hat Madisch eingesammelt. „Eigentlich brauchen wir nicht mehr“, sagt der 33-Jährige. „Mit dem Venture Capital haben wir uns Zeit gekauft.“ Es sei schwieriger, die Verkrustung der Wissenschaft aufzubrechen, als damit Geld zu verdienen. Auch wenn der studierte Virologe kein Wort über Umsatz und Gewinn verlieren mag: Allein mit der Jobbörse könne Researchgate bald profitabel arbeiten. Will er verkaufen? „Nein, danke.“ Researchgate sei Lebensaufgabe. Will er an die Börse? Da habe er noch nicht genug drüber nachgedacht, sagt Madisch. Seine 110 Mitarbeiter würden profitieren, sagt er, schließlich habe sogar die Putzfrau Anteile.

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