Börsenprognosen Keine Angst vor dem Angstbarometer

Je größer die Angst an den Börsen, umso heftiger die Kursausschläge. Zurzeit ist es eher still: Der V-Dax, der erwartete Dax-Schwankungen widerspiegelt, ist niedrig. Das macht vielen Marktkommentatoren erst recht Sorge.

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Erwarten die Börsianer ein heftiges Rauf und Runter, dann können sie locker auf hohe oder niedrige Stände des Dax wetten. Quelle: ddp images/Thomas Lohnes

Düsseldorf Es scheint wie ein Widerspruch: Derzeit erwarten Anlegerprofis, dass die Kurse an den Börsen künftig nur gering schwanken. Doch gerade deswegen warnen jetzt Analysten: Vorsicht, wenn die Erwartungen an einen ruhigen Börsenverlauf so hoch sind, dann könnte bald ein Unheil losbrechen.

Sie sehen es wie eine Ruhe vor dem Sturm. Wenn keiner mehr mit einem Einbruch der Kurse rechnet, dann ist die Gefahr besonders groß. „Die Sorglosigkeit der Anleger ist bedenklich“, verkündeten Analysten der BayernLB schon im März. Auch jetzt sind solche Kommentare wieder zu lesen, auch im Handelsblatt. Haben die Warner recht?

Gemessen wird die Schwankungsbreite in Deutschland gerne anhand des Volatilitäts-Index, dem sogenannten V-Dax. Dieser dümpelt ziemlich niedrig bei 15 Punkten und weniger herum. Der Index misst die erwartete Schwankungsbreite für die kommenden 30 Tage anhand der auf den Leitindex gehandelten Optionen. Er heißt deshalb auch „Angstbarometer“.

Erwarten die Börsianer ein heftiges Rauf und Runter, dann können sie locker auf hohe oder niedrige Stände des Dax wetten und mit relativ guter Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihre Wette innerhalb der Laufzeit ihrer Option aufgeht. Irgendwann wird der Dax bei dem Auf und Ab schon die erwartete Marke erreichen. Bei hohen Schwankungsbreiten werden diese Wett-Papiere deshalb auch ziemlich teuer, der V-Dax geht nach oben.

Rechnen die Börsenteilnehmer dagegen eher mit minimalen Kursschwankungen, sind die Chancen, dass ihr Papier in den kommenden Wochen deutlich wertvoller wird, eher niedrig, die Optionen sind billig, der V-Dax ist im Keller. 

Wenn man sich anschaut, wie sich Dax und V-Dax über Jahre bewegt haben, ergibt sich ein frappierendes Bild: Sobald der Leitindex abstürzte, schoss der V-Dax nach oben. Zuvor war er eher niedrig geblieben. Und umgekehrt. Wenn es mit den Börsen lange aufwärts geht, sackt der V-Dax immer weiter ab.


Der V-Dax und die Kursentwicklung der Aktienmärkte

Die Wall Street glaubt, es schon lange zu wissen: Ihr Schwankungsbarometer auf den breit gefassten S&P 500 heißt „Vix“. Der Spruch geht: „When the Vix is low, it is time to go.“ Zu viele Anleger wiegen sich in Sicherheit. Bei niedrigem Vix sollten Anleger aus Aktien aussteigen.  Und ist der Vix „high“, wird es Zeit, „to buy“, also Aktien zu kaufen. Nach dem Motto: Es kann nur besser werden.

So niedrig wie heute lag der V-Dax auch im Oktober 2007. Time to go. Damals stürzte der Dax binnen eines Jahres von gut 8.000 Punkten auf rund 4.600 Punkte ab. 

Am 16. Oktober 2008 dann hatte der Volatilitätsindex mit 83 Punkten einen Höchststand erreicht. Time to buy? Wer da in Aktien eingestiegen wäre, hätte sehr gute Nerven gebraucht. In den folgenden fünf Monaten rasselte der Dax nochmals von 4.622 Punkten um fast 1.000 Punkte in den Keller. Erst nach einem Jahr Zittern hätte sich das Investment gelohnt. Bis Oktober 2009 war der  Dax im Vergleich zum Vorjahr wieder um über 1.000 Punkte gestiegen.

Mal stimmt die Regel, mal wieder nicht. Wer den Analystenwarnungen im März dieses Jahres gefolgt wäre und bei einem tiefen V-Dax von nur elf Punkten aus Aktien ausgestiegen wäre, hätte Geld verschenkt. Immerhin verbesserte sich der Dax von März bis Juni 2017 noch um rund 800 Punkte.

„Der V-Dax sagt nichts über die künftige Richtung der Aktienmärkte aus“, sagt Heiko Jacobs von der Universität Mannheim. Damit gibt der derzeit niedrige Stand keinen Hinweis auf den Verlauf der Kurse. Genauso wie dem Aufstieg ein Absacken folgt. Aber wann das ist, weiß niemand. Die Ruhe kann auch einfach damit zu tun haben, dass derzeit viele in Urlaub sind und diese Zeit auch ein wenig nachrichtenärmer sein wird. Also: keine Angst vor dem Angstbarometer.

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