Branchentagung „Die Kryptowelt ist auf Dauer nicht regulierbar“

In Frankfurt trifft sich die internationale Kryptowährungsszene zum Branchentreffen. Der Auftakt ist emotional – und sehr kontrovers.

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Frankfurt Programmierer sind zumeist ruhige, rationale Menschen. Geht es aber um die Zukunft ihrer Projekte, kann es laut werden. Das zeigt der Auftakt der „Crypto Assets Conference 2018“, einem internationalen Treffen der Kryptowährungsbranche. Bis Dienstag diskutieren auf Einladung der Frankfurt School of Finance and Management rund 330 Teilnehmer aus der Wissenschaft, von Krypto-Firmen, Aufsichtsbehörden und Banken über die Zukunft der noch jungen Branche.

Die Branche erhofft sich von dem Treffen einen Schub für die Professionalisierung ihres lange kritisch beäugten Geschäfts. „2017 war das Jahr der globalen Aufmerksamkeit für Bitcoin. 2018 muss das Jahr der Blockchain-Innovation und der Lenkung der Krypto-Wirtschaft werden“, eröffnet Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Centers der Frankfurter Privatuniversität, die Konferenz.

Unter welchen Problemen die Branche leidet, zeigt schon der erste Tag der Konferenz. Nach wenigen Stunden liegen die Bruchstellen offen.

Hauptstreitpunkt ist die Frage nach der Regulierung. Während das Jahr 2017 ganz unter dem Eindruck des Kursfeuerwerks bei der weltweit wichtigsten Kryptowährung Bitcoin gestanden hatte, herrscht im Februar 2018 Katerstimmung. Allzu deutlich haben die Schritte der Aufseher in China, Südkorea und anderen Ländern gezeigt, dass die Krypto-Szene in den politischen Fokus gerückt ist.

Am schärfsten äußert sich in Frankfurt Austin Alexander von der größten US-Bitcoin-Börse Kraken. Für ihn sind die klassischen Finanzfirmen, Banken und Vermögensverwalter „Dinosaurier“. „Das klassische Finanzsystem wird sterben, so wie Großväter sterben und neue Kinder geboren werden“, ruft Alexander in den vollbesetzten Audimax der Frankfurt School. „Die Realität ist doch: das Krypto-System funktioniert und wird immer dezentralisierter.“

Gewinnen könne die klassische Finanzindustrie, die Alexander als „die Bösen“ bezeichnet, ihren Abwehrkampf nur, wenn die Staaten sie beschützten. „Der Paradigmenwechsel ist da. Welcher brillante junge Programmierer will noch für Swift arbeiten? Alle wollen zu uns“, behauptet der junge US-Amerikaner in Anspielung auf das klassische Zahlungsabwicklungssystem der Großbanken.

Auf die Frage von Christoph Kreiterling, Kryptowährungsexperte der deutschen Aufsichtsbehörde Bafin, ob die Szene viel Arbeit in die Verhinderung von Regulierung stecke, holt Alexander zum Rundumschlag aus. „Die Kryptowelt ist auf Dauer gar nicht regulierbar.

Sie existiert in einer neuen Sphäre, die von dir und anderen staatlichen Behörden gar nicht erreicht werden kann“, spricht er den anwesenden Aufseher direkt an. „Jeder Versuch, sie zu regulieren ist lächerlich, kurzsichtig und wird im Desaster enden“, so Alexander.

„Nordkorea hat auch das Internet verboten. Hat das dem Internet-Business mehr geschadet ¬ - oder Nordkorea?“ Im Saal gibt es für solche Kritik sowohl Applaus als auch leise „Bullshit“-Rufe.

Einen deutlichen Kontrapunkt setzt Fabian Vogelsteller vom Ethereum-Netzwerk. Ethereum, die zweitgrößte Kryptowährung, versucht sich sichtlich als Alternative zum wilden, anarchischen Teil der Kryptoszene darzustellen. Entwickler Vogelsteller betont, Ethereum begrüße staatliche Regulierung ausdrücklich. „Diese macht unser System stärker.“ Selbst wenn die US-Aufsicht SEC alle neuen Krypto-Anlagen, sogenannte Token, künftig als Wertpapiere einstufe, sei das kein Problem. Schließlich sei es gar nicht so teuer, eine Prospektpflicht zu erfüllen.

Rechtsanwalt Gordon Einstein von der US-Beratung CryptoLaw Partners widerspricht: Die neuen Technologien bräuchten maximale Freiheit. Wem die Regeln in einem Land nicht passten, finde Alternativen. Unter anderem brächten sich die Cayman-Inseln, Singapur, Venezuela und Weißrussland in Stellung. „Jede Kryptofirma kann sich heute aussuchen, wo sie hingeht.“ Die USA und die europäische Aufsicht verhinderten Innovation.

Vogelsteller von Ethereum widerspricht. „Ich habe in den letzten Jahren die meisten Regulierer als sehr offen erlebt. Sie versuchen, unsere neuen Technologien zu verstehen und Innovationen möglich zu machen.“

Ins selbe Horn stößt Sandner, Gastgeber der „Crypto Asset Conference 2018“: „Es wird nicht ohne Regulierung funktionieren. Das ging, so lange das Krypto-Universum nicht mit der Realwirtschaft verknüpft ist.

Aber jetzt, da dieser Brückenschlag da ist, brauchen wir Regulierung.“ Auch wenn sich die Kryptonetzwerke selbst Eingriffen entziehen könnten: Die Eintrittspunkte, etwa die Börsen, würden sehr wohl von der staatlichen Aufsicht erreicht, mahnt Sandner. Das habe das Beispiel Südkorea gezeigt. „Die Branche muss sich aktiv in die Debatte einbringen.“

Dass die Zeit drängt, zeigen die Nachrichten, die aus Brüssel zum Wochenauftakt zu diesem Thema kommen. Die EU-Kommission hatte am Montag zu einem Fachgespräch zur Regulierung von Kryptowährungen geladen. Diese würden „beträchtliche Risiken für Verbraucher und Anleger bergen“, warnte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis und schloss neue EU-Regeln nicht aus.

Nina Siedler, Sprecherin des deutschen Blockchain-Bundesverbands, hatte eine Teilnahme an der Veranstaltung in Brüssel angefragt. Die Antwort sei abschlägig ausgefallen. Alle Plätze seien belegt gewesen - auch von Vertretern der klassischen Finanzindustrie. „Wir bedauern es sehr, dass wir auf der europäischen Ebene noch keinerlei Berücksichtung finden“, sagt Siedler. „Die EU hat die Bankenverbände zu ihrer heutigen Anhörung eingeladen, uns nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass man auch auf die Branchenvertreter der Krypto-Gemeinschaft zugeht.“

Für neuen Diskussionsstoff ist damit in Frankfurt gesorgt.

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