Brüder Mannesmann Wie der Werkzeughändler das Geld der Aktionäre vernichtet

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Auf Distanz bei den Aktionären

Bis 2012 notierte der Remscheider Traditionsbetrieb im Prime Standard der Deutschen Börse in Frankfurt. Das ist erste Liga in Sachen Transparenz, Quartalsberichte sind Pflicht – auch die Dax-Konzerne notieren hier. Mittlerweile sind die Brüder Mannesmann in den weitgehend unregulierten Freiverkehr gewechselt, ins Mittelstandssegment m:access nach München.

Die größten Anlegerskandale
InfinusAnlagebetrug im großen Stil wird der Dresdener Finanzgruppe Infinus vorgeworfen. Das Unternehmen soll 25.000 Anleger um ihr Geld gebracht haben. Summe: 400 Millionen Euro. Acht Infinus-Mitarbeiter sollen so genannten Orderschuldverschreibungen mit falschen Angaben zum Vermögen und Erträgen von Emittenten ausgegeben haben, gegen sie ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Bild: Infinus Hauptsitz. Quelle: dpa
Ordnerschuldverschreibungen sind Wertpapiere, bei denen sich ein Schuldner verpflichtet, an einen namentlich genannten Gläubiger zu zahlen. Die Forderung ist übertragbar. Die Anlageform gilt als riskant, weil es kein Einlagesicherungssystem vorsieht, das die Anleger vor Totalverlust schützt. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob es sich um ein Schneeballsystem gehandelt habe. Dabei werden Zahlungen an Anleger durch die Einlagen von Neukunden finanziert. Quelle: dpa
Infinus wurde 2002 in Dresden gegründet und wuchs seitdem rasant. Nach eigenen Angaben hat der Finanzdienstleister im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 22 Millionen Euro erzielt - das entspricht einem Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das verwaltete Vermögen stieg sogar um 47 Prozent auf 820 Millionen Euro, wie das Unternehmen mitteilte. Es ist nicht der einzige Finanzdienstleister, dem die Anleger misstrauen können…Bild: Firmensitz in Dresden. Quelle: dpa
S&KSaga und schreibe 85 Verdächtige und eine 20.000 Seiten dicke Verfahrensakte kann der durch eine bundesweite Großrazzia Februar 2013 bekannt gewordene Skandal um die S&K-Gruppe vorweisen. Die Frankfurter Immobiliengruppe könnte – ähnlich wie der Verdacht bei Infinus – die Anleger mittels eines Schneeball-Systems geprellt haben. Das Geld der Neuanleger sollen S&K-Mitarbeiter nicht investiert, sondern an alte Gläubiger ausgeschüttet haben. Der Schaden bewege sich in dreistelliger Millionenhöhe, schätzen Ermittler. Ob für die Investoren noch etwas zu holen ist, ist fraglich. Allerdings hat das zuständige Frankfurter Amtsgericht zumindest im Fall eines Privatanlegers entschieden, dass dieser mittels eines „Dinglichen Arrest“ in das von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Vermögen hineinvollstrecken könne. Quelle: dpa
Eine Liste der beschlagnahmten Dinge ist im Bundesanzeiger veröffentlicht: Drei Rolex, Goldbaren, Motorräder – Die S&K-Chefs Jonas Köller und Stephan Schäfer waren nicht gerade für ihren bescheidenen Lebensstil bekannt. Für eine seiner Veranstaltungen mietete Köller gar einen Elefanten. Die Gelder der Anleger sollen die Firmenchefs laut Staatsanwaltschaft veruntreut haben, um ihren exzessiven Lebensstil zu finanzieren. Weniger glamourös ergeht es den beiden nun: Im September stürzte Stephan Schäfer mit Handschellen gefesselt aus dem ersten Stock im Gebäude des Frankfurter Landgerichts. Der 34-Jährige zog sich schwere Verletzungen zu. Foto: Stephan Schäfer und Jonas Köller mit Partygästen.
Wölbern InvestNoch vor wenigen Monaten galt Wölbern Invest vielen Anlegern noch als eine gute Adresse: Auf seiner Homepage verkaufte sich die Hamburger Gesellschaft als ein „traditionelles Emissionshaus“, das „konservativ kalkulierte geschlossene Fonds“ für Private Equity und Immobilien initiiere. 30 geschlossene Fonds verwaltet das Haus. Gegen den Geschäftsführer Heinrich Maria Schulte ermittelt nun die Hamburger Staatsanwaltschaft – wegen Untreue in mehr als 300 Fällen. Schulte soll 137 Millionen Euro an Anlegergeldern aus den Fonds abgezweigt haben. Bereits im April dieses Jahres wurde Schulte deswegen verhaftet. Zu den Vorwürfen wollte er sich nicht äußern.Foto: Heinrich Maria Schulte Inhaber und Geschäftsführer von Wölbern Quelle: Presse
WGF71 Millionen Euro Bilanzverlust zwangen die Düsseldorfer Immobilienfirma WGF 2012 in die Insolvenz. Ihre Immobilienkäufe und Projekte finanzierte das Unternehmen über Hypothekenanleihen. Zinsen: 6,35 Prozent Zinsen. Zwischen Dezember 2012 und Juli 2017 hätte die WGF Anleihen im Volumen von 194,9 Millionen Euro zurückzahlen müssen. Die spannende Frage vieler Anleger lautet nun, ob die Firma auch insolvent ihre Schulden bedienen kann. Die Insolvenz betreibt die Immobilienfirma in Eigenregie: Anders als bei der Regelinsolvenz bleibt der Vorstand im Amt. Zwischen ihm und den Anwälten der Gläubiger fliegen derzeit die Fetzen. Tritt ein Insolvenzplan in Kraft, können Anleger damit rechnen, zwischen 44 und 60 Prozent ihres Geldes zurückzubekommen. Wird dieser abgelehnt und die Gesellschaft zerschlagen, wären das rund 19 Prozent. Für Unmut sorgte auch die Erfolgsbeteiligung im Falle eines Insolvenzplans der des WGF-Vorstandschefs Bernd Deppin sowie des Beraters der Firma, Arno Hasenhorst.Bild: WGF-Vorstand Pino Sergio. Quelle: Presse

Unterlagen zur Geschäftslage gibt es nur noch digital, und die mit großer Verspätung: Der Geschäftsbericht 2013 sollte im Juli veröffentlicht werden, kam dann erst Ende August. Das Ergebnis vor Steuern und außerordentlichen Erträgen lag 2013 mit 3,5 Millionen Euro im Minus, nach über fünf Millionen Verlust im Vorjahr. Anleger erhalten außer dem Geschäftsbericht und einem spärlichen Halbjahresbericht keine weiteren Nachrichten mehr von ihrem Unternehmen. Die letzte Ad-hoc-Meldung stammt vom 7. Dezember 2012; im Freiverkehr sind die Meldungen nicht mehr nötig.

Größter Kritikpunkt vieler Anleger sind die Bezüge des Vorstands. Jürgen und Bernd Schafstein erhielten 2013 zusammen 1,2 Millionen Euro, wie auch in den Vorjahren. Das „Schwarzbuch Börse“ der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger titelte dementsprechend schon 2011: „Brüder Mannesmann als Versorgungsbetrieb für den Vorstand?“ Zum Vergleich: Der Börsenwert des Konzerns liegt bei rund 2,5 Millionen Euro. Der Vorstand erklärt, das Vergütungssystem der Brüder Mannesmann Gruppe halte einem vertikalen und horizontalen Vergleich stand.

Nebenbeschäftigungen

Die Holding besitzt laut Geschäftsbericht offiziell fünf Tochtergesellschaften. Operativ sind die Brüder Mannesmann Werkzeuge GmbH und Schwietzke Armaturen GmbH ausschlaggebend. Diese agieren mit eigenen Töchtern. Doch im Umfeld der AG existieren Unternehmen und Vermögensverwaltungen, die Anlegern im Geschäftsbericht nur als „andere nahestehende Unternehmen“ präsentiert werden. Schafstein-Beteiligungen residieren sogar unter dem Dach des Konzernsitzes in der Lempstraße in Remscheid.

Eine dieser Firmen ist die Prosperas GmbH. Seit Anfang des Jahres ist Jürgen Schafstein dort Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Firma handelt laut Unternehmensregister mit Waren und Teilen für die Fabrikation von Metall- und Kunststoffarmaturen. Ein Kernsektor der Brüder Mannesmann AG. Auf der Internet-Seite von Prosperas prangt bisher nur ein Firmenlogo, zum operativen Geschäft oder zu Mitarbeitern gibt es keine Informationen. Der Vorstand der Brüder Mannesmann erklärt, dass Prosperas sich nie mit einem Armaturengeschäft beschäftigt habe. Ein Konkurrenzverhältnis zur AG bestehe nicht und habe nicht bestanden. Fragen wirft auch die Brüder Mannesmann TEC GmbH auf, die nicht zur AG gehört. Laut Handelsregister soll sie im Fotovoltaiksektor tätig sein und mit Öl handeln. Die Geschäfte führen Jürgen und Bernd Schafstein gemeinsam mit Nicole Schafstein-Coen. Der Firmensitz dieses Energieunternehmens liegt mitten in der Kölner Einkaufszone in einem Mehrparteienhaus, ein Klingelschild für Mannesmann TEC fehlt. Dafür gibt es eine Klingel für die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von W+St. Mitarbeiter dieser Beratungsgruppe prüften in den Jahren 1998 bis 2000 auch die Abschlüsse der Brüder Mannesmann AG. W+St konnte aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen eine Beziehung zur TEC GmbH weder bestätigen noch dementieren.

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