Brüder Mannesmann Wie der Werkzeughändler das Geld der Aktionäre vernichtet

Der stocksolide Werkzeug- und Armaturenhändler wurde nach dem Börsengang heruntergewirtschaftet. Leidtragende sind die Aktionäre. Warum möglicherweise sogar ein Delisting droht.

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Firmensitz der AG in Remscheid: Beteiligungen unter einem Dach. Quelle: Christian Gogolon für WirtschaftsWoche

Gut 15.000 Euro hatte Ludwig N. (Name geändert) in Aktien der Remscheider Brüder Mannesmann AG investiert. Beim Börsengang des Werkzeughändlers vor 18 Jahren zahlte er 19 D-Mark je Aktie, stockte später auf, verkaufte einige wieder. Rund 1.000 Stück hält er noch, die sind knapp 800 Euro wert, lassen sich mangels Nachfrage nur schwer verkaufen. „Mein Geld habe ich abgeschrieben“, sagt er heute. Wie Ludwig N. dürfte es vielen Privatanlegern gehen, 69 Prozent der Brüder-Mannesmann-Anteile befinden sich im Streubesitz.

Warum kauften Anleger die Aktie beim Börsengang 1996? Der große Name Mannesmann spielte eine Rolle, die lange Historie, wohl auch eine gehörige Portion Lokalpatriotismus. Brüder der berühmten Mannesmann-Röhrenwerk-Gründer hatten in der Firma ab 1931 Schellen für Wasserleitungen produziert. „Dieses Unternehmen ist in Remscheid eine Institution erster Güte“, sagt Klaus Mathies, Werkzeugunternehmer aus dem Bergischen. „Die Personen selbst genießen einen außerordentlich positiven Ruf.“

Welche Aktien Investoren verschmähen
Rang 10: Fielmann (36,8 Prozent der Analysten raten zum Verkauf)Der Brillenhändler Fielmann wächst weiter: Nach einem Gewinnanstieg in den ersten sechs Monaten blickt das Unternehmen auch weiter zuversichtlich auf das Gesamtjahr. Ganz so begeistert zeigten sich die Analysten jedoch nicht: 36,8 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten zum Verkauf. Damit gehört die Fielmann-Aktie zu den zehn unbeliebtesten deutschen Aktien unter Analysten. Die Privatbank Hauck & Aufhäuser begründete ihre Verkaufsempfehlung damit, das die Erwartungen leicht verfehlt wurden. Außerdem verliere das Wachstum des Unternehmens an Schwung und der Jahresausblick sei nur vage ausgefallen.Marktkapitalisierung: 4,1 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 19Analysten, die zum Verkauf raten: 7Zur Auswertung: Berücksichtigt wurden nur deutsche Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde Euro. Außerdem sollte die Aktie mindestens von zehn Analysten beobachtet werden. Quelle: dpa
Rang 9: MAN (39,1 Prozent)Die schwache Wirtschaftsentwicklung im einstigen Boomland Brasilien macht dem Lastwagen- und Maschinenbauer MAN schwer zu schaffen. Weil das Geschäft im größten Markt Lateinamerikas auch im vergangenen Quartal um 17 Prozent einbrach, schraubte MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen seine Umsatzerwartungen für den gesamten Konzern zurück.Auch die Analysten sind nicht besonders optimistisch für die MAN-Aktie: Fast 40 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten die Aktie zu verkaufen. Marktkapitalisierung: 13,2 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 23Analysten, die zum Verkauf raten: 9 Quelle: dpa
Rang 8: Puma (40,7 Prozent)Der Sportartikelhersteller hat es nicht leicht. Die Gewinne des Konzerns sind im zweiten Quartal trotz des Fußballfests in Brasilien um 76 Prozent eingebrochen, der Sportausrüster machte lediglich einen Überschuss von 4,2 Millionen Euro. Auch der operative Gewinn (Ebit) knickte deutlich ein: Dort musste Puma ein Minus von 60 Prozent verbuchen. Die Aktie ist dementsprechend ein Trauerspiel. 40,7 Prozent aller Analysten, die die Aktie beobachten, raten diese zu verkaufen.Ein Grund, warum Analyst William Hutchings von Goldman Sachs rät die Aktie zu verkaufen: Der Gewinn je Aktie werde noch geringer ausfallen als erwartet – außerdem sei die Onlinestrategie des Konzerns nicht überzeugend.Marktkapitalisierung: 2,9 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 28Analysten, die zum Verkauf raten: 11 Quelle: dpa
Rang 7: Südzucker (42,1 Prozent)In rund drei Jahren, im Herbst 2017, brechen für die Branche in Europa neue Zeiten an, da die EU-Zuckermarktordnung endet und die bisher preisstützenden Angebotsregulierungen wegbrechen. Der deutsche Zuckerhersteller Südzucker dürfte damit noch vor großen Umbrüchen stehen. Die Aktie ist kein Augenschmaus: 2013 stieg sie in ungeahnte Höhen, um danach wieder abzustürzen. Goldman Sachs begründet seine Verkaufsempfehlung unter anderem mit stärkerem Gegenwind im zweiten Geschäftshalbjahr. Insgesamt raten 42 Prozent der beobachtenden Analysten zum Verkauf der Aktie.Marktkapitalisierung: 2,7 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 19Analysten, die zum Verkauf raten: 8 Quelle: dpa
Rang 6: RWE (47,2 Prozent)RWE machen (wie anderen Stromversorgern) die gefallenen Strom-Großhandelspreise zu schaffen. Diese purzeln wegen der Überkapazitäten in Europa und der zunehmenden Konkurrenz durch den staatlich geförderten Ökostrom. RWE klagt zudem als einziger Versorger gegen das Atommoratorium. RWE musste im vergangenen Geschäftsjahr Milliardenabschreibungen auf seine Kraftwerke vornehmen.Der deutsche Strommarkt werde noch für längere Zeit schwierig bleiben, schreibt Analystin Tanja Markloff von der Commerzbank in ihrer Studie. Daher habe sie ihre Ergebnis- und Dividendenschätzungen für 2014 bis 2017 gesenkt. Da im aktuellen Kursniveau bereits viele Hoffnungen eingepreist seien, ergebe sich Spielraum für Enttäuschungen.Marktkapitalisierung: 17,8 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 36Analysten, die zum Verkauf raten: 17 Quelle: REUTERS
Rang 5: ElringKlinger (50 Prozent)Die Aktie des Autozulieferers ElringKlinger ist seit Jahren auf Erfolgskurs und hat sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre mehr als verdoppelt. Zuletzt geriet die Aktie jedoch unter Druck. Der Autozulieferer habe im zweiten Quartal zwar die Erwartungen erfüllt, schrieb Analyst Tim Schuldt. Allerdings konnte trotz starkem Umsatzwachstum nur ein geringer Gewinnanstieg erreicht werden. Die Hälfte aller beobachtenden Analysten rät die Aktie zu verkaufen.Marktkapitalisierung: 1,6 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 22Analysten, die zum Verkauf raten: 11 Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 4: Wacker Chemie (54,2 Prozent)Der Spezialchemiekonzern Wacker kämpft sich Stück für Stück aus der Solarkrise. Im abgelaufenen Quartal konnte der auf Silizium- und Silikonprodukte spezialisierte Konzern seinen Überschuss binnen Jahresfrist auf 29,4 Millionen Euro annähernd verdoppeln. Wacker verdiente zudem mehr als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Trotzdem rät mehr als die Hälfte aller beobachtenden Analysten zum Verkauf der Aktie.So begründet Andrew Benson von der Citigroup seine Verkaufsempfehlung mit der Sommerflaute, die ihn bezüglich des zweiten Halbjahres skeptisch stimme.Marktkapitalisierung: 4,7 Milliarden EuroBeobachtende Analysten: 24Analysten, die zum Verkauf raten: 13 Quelle: dpa

„Die Personen“: Das sind Aufsichtsratschef Reinhard Mannesmann, ein echter Nachfahre, vor allem aber zwei Brüder Schafstein, die die Geschäfte führen. Mit unheilvollen Konsequenzen für Aktionäre.

Das Unternehmen ist ein Musterbeispiel dafür, dass Aktionäre nicht nur mit windigen Internet-Start-ups, sondern auch mit auf den ersten Blick stocksoliden Mittelständlern ihr Geld verlieren können. Die Firma muss nur lange genug heruntergewirtschaftet werden. 1,3 Millionen Euro Verlust machte das Unternehmen 2013, die Schafsteins zahlten zuletzt im Jahr 2007 und 2008 eine Dividende. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz setzte die Brüder Mannesmann AG bereits zwei Mal auf die Liste der größten Kapitalvernichter Deutschlands. Wie konnte es so weit kommen?

Brüder Mannesmann ist eine Holding, die über fünf Tochterfirmen Werkzeuge und Armaturen handelt. Das Werkzeug verkauft zum Beispiel der Discounter Lidl.

Lieber woanders unterwegs

Die Firmenleitung scheint sich für das Geschäft kaum noch zu interessieren. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder engagieren sich nebenher entweder als Geschäftsführer oder als Gesellschafter in anderen Unternehmen, die laut Registerauskunft vor allem im Armaturen- und Sanitärgeschäft operieren, einer Kernbranche auch der Brüder Mannesmann AG. „Es kann doch nicht angehen, dass die hoch bezahlten Herrschaften dem Unternehmen, das uns Aktionären gehört, einfach Konkurrenz machen“, sagt Ludwig N. In der Schweiz haben oder hatten Reinhard Mannesmann sowie Jürgen und Bernd Schafstein weitere Gesellschaften. Offengelegt werden die Namen der Unternehmen den Mannesmann-Aktionären nicht. Laut Aktiengesetz sind solche Neben-Engagements nur mit einer Genehmigung des Aufsichtsrats möglich.

Aktienkurs seit Börsensart. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Der börsennotierte Konzern, so scheint es, dient vor allem als Versorgungsbetrieb für die eigene Sippe. Der Vorstand wollte das nicht kommentieren. Aber es gibt eine Reihe von Hinweisen.

- Die Brüder Jürgen und Bernd Schafstein leiten die Geschäftsführung der AG. Jürgen Schafstein besitzt als Vorstandsvorsitzender 16,7 Prozent der Aktien, sein Bruder Bernd hält 8 Prozent.

- Der dritte im Bunde ist Frank Schafstein, der im Aufsichtsrat sitzt. Anleger fragen: Wie objektiv können sich Brüder kontrollieren? Der Vorstand sagt, ein verwandtschaftliches Verhältnis bedeute nicht, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht als unabhängig anzusehen ist. Analyst Matthias Wahler, der Aktionäre auf Hauptversammlungen vertritt, sagt, er habe schon viele Vorstände erlebt, „aber das ist der Gipfel: Die werden richtig laut, wenn Aktionäre kritische Fragen stellen“.

- Reinhard Mannesmann sitzt als Vorsitzender im Aufsichtsrat.

- Nicole Schafstein-Coen war bis 2013 Mitglied des Aufsichtsrats. Sie hält 7,6 Prozent der Aktien.

- Ihr Mann, Heiner Coen, leitete bis 2013 die Geschäfte der Saltus Werke Max Forst, einem Werkzeughersteller, an dem Jürgen Schafstein als Gesellschafter beteiligt war. 2012 hielt Coen knapp 2000 Aktien der Brüder Mannesmann AG.

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