Gut 15.000 Euro hatte Ludwig N. (Name geändert) in Aktien der Remscheider Brüder Mannesmann AG investiert. Beim Börsengang des Werkzeughändlers vor 18 Jahren zahlte er 19 D-Mark je Aktie, stockte später auf, verkaufte einige wieder. Rund 1.000 Stück hält er noch, die sind knapp 800 Euro wert, lassen sich mangels Nachfrage nur schwer verkaufen. „Mein Geld habe ich abgeschrieben“, sagt er heute. Wie Ludwig N. dürfte es vielen Privatanlegern gehen, 69 Prozent der Brüder-Mannesmann-Anteile befinden sich im Streubesitz.
Warum kauften Anleger die Aktie beim Börsengang 1996? Der große Name Mannesmann spielte eine Rolle, die lange Historie, wohl auch eine gehörige Portion Lokalpatriotismus. Brüder der berühmten Mannesmann-Röhrenwerk-Gründer hatten in der Firma ab 1931 Schellen für Wasserleitungen produziert. „Dieses Unternehmen ist in Remscheid eine Institution erster Güte“, sagt Klaus Mathies, Werkzeugunternehmer aus dem Bergischen. „Die Personen selbst genießen einen außerordentlich positiven Ruf.“
„Die Personen“: Das sind Aufsichtsratschef Reinhard Mannesmann, ein echter Nachfahre, vor allem aber zwei Brüder Schafstein, die die Geschäfte führen. Mit unheilvollen Konsequenzen für Aktionäre.
Das Unternehmen ist ein Musterbeispiel dafür, dass Aktionäre nicht nur mit windigen Internet-Start-ups, sondern auch mit auf den ersten Blick stocksoliden Mittelständlern ihr Geld verlieren können. Die Firma muss nur lange genug heruntergewirtschaftet werden. 1,3 Millionen Euro Verlust machte das Unternehmen 2013, die Schafsteins zahlten zuletzt im Jahr 2007 und 2008 eine Dividende. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz setzte die Brüder Mannesmann AG bereits zwei Mal auf die Liste der größten Kapitalvernichter Deutschlands. Wie konnte es so weit kommen?
Brüder Mannesmann ist eine Holding, die über fünf Tochterfirmen Werkzeuge und Armaturen handelt. Das Werkzeug verkauft zum Beispiel der Discounter Lidl.
Lieber woanders unterwegs
Die Firmenleitung scheint sich für das Geschäft kaum noch zu interessieren. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder engagieren sich nebenher entweder als Geschäftsführer oder als Gesellschafter in anderen Unternehmen, die laut Registerauskunft vor allem im Armaturen- und Sanitärgeschäft operieren, einer Kernbranche auch der Brüder Mannesmann AG. „Es kann doch nicht angehen, dass die hoch bezahlten Herrschaften dem Unternehmen, das uns Aktionären gehört, einfach Konkurrenz machen“, sagt Ludwig N. In der Schweiz haben oder hatten Reinhard Mannesmann sowie Jürgen und Bernd Schafstein weitere Gesellschaften. Offengelegt werden die Namen der Unternehmen den Mannesmann-Aktionären nicht. Laut Aktiengesetz sind solche Neben-Engagements nur mit einer Genehmigung des Aufsichtsrats möglich.
Der börsennotierte Konzern, so scheint es, dient vor allem als Versorgungsbetrieb für die eigene Sippe. Der Vorstand wollte das nicht kommentieren. Aber es gibt eine Reihe von Hinweisen.
- Die Brüder Jürgen und Bernd Schafstein leiten die Geschäftsführung der AG. Jürgen Schafstein besitzt als Vorstandsvorsitzender 16,7 Prozent der Aktien, sein Bruder Bernd hält 8 Prozent.
- Der dritte im Bunde ist Frank Schafstein, der im Aufsichtsrat sitzt. Anleger fragen: Wie objektiv können sich Brüder kontrollieren? Der Vorstand sagt, ein verwandtschaftliches Verhältnis bedeute nicht, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht als unabhängig anzusehen ist. Analyst Matthias Wahler, der Aktionäre auf Hauptversammlungen vertritt, sagt, er habe schon viele Vorstände erlebt, „aber das ist der Gipfel: Die werden richtig laut, wenn Aktionäre kritische Fragen stellen“.
- Reinhard Mannesmann sitzt als Vorsitzender im Aufsichtsrat.
- Nicole Schafstein-Coen war bis 2013 Mitglied des Aufsichtsrats. Sie hält 7,6 Prozent der Aktien.
- Ihr Mann, Heiner Coen, leitete bis 2013 die Geschäfte der Saltus Werke Max Forst, einem Werkzeughersteller, an dem Jürgen Schafstein als Gesellschafter beteiligt war. 2012 hielt Coen knapp 2000 Aktien der Brüder Mannesmann AG.