"In der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 hatten die großen Energieversorger einen Anteil von 70 bis 80 Prozent am Emissionshandel", sagt der Hamburger Unternehmensberater Lutz von Meyerinck, der früher bei BP für den Emissionshandel zuständig war. "Dann aber sind zunehmend große Rohstoffhändler und Finanzinvestoren eingestiegen." An der EEX etwa sind für den Terminhandel, bei dem mit Futures auf die künftige Preisentwicklung von CO2-Zertifikaten gewettet wird, knapp 170 Adressen zugelassen – vor allem Banken, Broker, Händler und Hedgefonds.
An den Terminbörsen und beim direkten An- und Verkauf von CO2-Zertifikaten zieht eine Handvoll verschwiegener Konzerne die Strippen. Es sind Adressen, die selbst Kennern der Finanzmärkte oft kein Begriff sind, obwohl sie viele Milliarden umsetzen – internationale Rohstoffhändler wie Cargill, Gunvor, Mercuria und Vitol. Sie betrachten CO2-Emissionen als handelbaren Rohstoff, so wie Mais, Öl oder Kupfer – nur, dass sie hier weder Lagerhallen noch Schiffe und Verladeterminals brauchen.
Weitgehend unbemerkt haben die Rohstoffkonzerne im Emissionshandel dominierende Marktanteile erobert. „In Europa handeln wir mit rund zehn Prozent der jährlichen Emissions-Zuteilungen“, heißt es beim Genfer Ölhändler Mercuria. Das Unternehmen erzielte 2011 einen Umsatz von 76 Milliarden Dollar. Der weltweit größte CO2-Händler dürfte der Rohstoffkonzern Vitol sein, der seinen Sitz ebenfalls in Genf hat und 2012 gut 300 Milliarden Dollar umsetzte. Vitol hält Zertifikate für den Ausstoß von über 350 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht 17,5 Prozent der jährlich in der EU vergebenen Lizenzen. Zusammen kontrollieren Mercuria und Vitol also rund ein Viertel des gesamten Emissionshandels in Europa. Hinzu kommt die ebenfalls in der Schweiz sitzende Gunvor-Gruppe, die zuletzt 87 Milliarden Dollar Umsatz meldete, vor allem mit Erdöl aus Russland. Gunvor-Gründer Gennadij Timtschenko gilt als guter Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Schon vor einigen Jahren ist Gunvor in den Handel mit Emissionsrechten eingestiegen. In welchem Umfang, darüber schweigt Gunvor genauso wie der US-Handelskonzern Cargill. Der weltweit größte Händler von Weizen, Sojabohnen und anderen Agrarprodukten hat für den Handel mit CO2-Zertifikaten eigens eine Tochtergesellschaft gegründet, die Firma Green Hercules Trading (GHT). Da in den USA nur Kalifornien und Pennsylvania Emissionsrechte eingeführt haben, handelt GHT vor allem in Europa.
Die Trader, die um 2006 herum den Klimaschutz als neues Eldorado entdeckten, trieben die Preise auf Rekordstände. Zeitweise mussten Industriebetriebe, die mit ihren eigenen Emissionsrechten nicht auskamen, ihnen bis zu 32 Euro pro Tonne CO2 zahlen. Das war vor allem für kleinere Firmen aus energieintensiven Branchen wie Chemie und Baustoffe bitter. Die Mittelständler begriffen anfangs gar nicht, dass Emissionsrechte Finanzinstrumente sind, mit denen sich trefflich spekulieren lässt. Kleinere Industrieunternehmen erwerben die von ihnen benötigten CO2-Zertifikate meist nur einmal im Jahr. Oft warten sie damit, bis der alljährliche Meldetermin Ende März vor der Tür steht. In den Wochen, bevor die Firmen ihre Emissionsmengen bei den Umweltbehörden anmelden, treiben Akteure an den Terminbörsen die Preise ein wenig in die Höhe - zulasten von allen, die ihre Pflichtmengen nicht rechtzeitig gekauft haben.