Der Ausfall der US-Technologiebörse Nasdaq, an dem Aktienschwergewichte wie Google, Microsoft, Apple oder Facebook gelistet sind, hatte eine neue Qualität. Drei Stunden lang war kein Handel mit diesen und den rund 3000 übrigen Aktien möglich. Und das nicht nur an dem New Yorker Börsenplatz – der Handel mit Technologietiteln geriet auch an den anderen Börsenplätzen rund um den Globus ins Stocken. Blackout.
Die Computerpanne an der Nasdaq lähmte den gesamten Aktienhandel in den USA für Stunden. Und nicht nur die Nasdaq-Aktien waren betroffen, sondern auch die darauf abzielenden Aktienoptionen. Als Ursache machten Beobachter eine unterbrochene Datenverbindung zwischen den beiden größten Börsenbetreibern des Landes aus. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass Kursdaten zwischen Nasdaq und der Nyse Euronext an der Wall Street nicht übermittelt werden konnten. Das hatte auch Auswirkungen auf den Handel an den rund 50 kleineren Regionalbörsen in den USA. Börsenmakler klagten über massive Umsatzeinbußen. Insgesamt wurden in den USA am Donnerstag nur rund 4,4 Milliarden Aktien gehandelt, 30 Prozent weniger als im Durchschnitt der vergangenen drei Monate. Nur einmal in den vergangenen fünf Jahren wurde an einem vollen Handelstag weniger Umsatz gemacht.
Instabiler elektronischer Börsenhandel
Die neuerliche Panne lässt erneut an der Stabilität der Handelssysteme der großen Börsen zweifeln. Dabei sind die großen Börsen gerade deswegen für Investoren wichtig, weil sie jederzeit und maximal liquide den Handel mit den wichtigsten Wertpapieren sicherstellen und es somit auch ermöglichen, auf aktuelle Entwicklungen und Wirtschaftsnachrichten unmittelbar zu reagieren, seien es schnelle Verkäufe, kurzfristige Absicherungsgeschäfte oder spontane Einstiege im Kurstief. Geht das nicht, laufen Anleger Gefahr, viel Geld zu verlieren. Prompt wurde auch US-Präsident Barack Obama über den Stillstand an der Nasdaq informiert. Nach Bloomberg-Angaben stellt die Nasdaq nach Daten aus dem Jahr 2010 pro Tag 311 Millionen Kurse und 20 Millionen Wertpapierorders. Pro Sekunde entspricht das fast 60.000 Kursen und 14.000 Transaktionen.
Die US-Börsenaufsicht SEC setzte ein Treffen von führenden Köpfen der Wall Street an, um ein "andauerndes und geordnetes" Funktionieren des Börsenhandels sicherzustellen. Nun sollen die Chefs der Börsenbetreiber in Washington darüber beraten, wie die Systeme verbessert werden können, hieß es in einer Regierungsmitteilung. Erste Konsequenz aus dem Blackout: Alle Aufträge, die zwischen 18.23 Uhr und der Wiederaufnahme des Handels um 21.25 Uhr deutscher Zeit bei der Nasdaq eingingen, wurden gestrichen.
Kuriose Börsenpannen
Fast 45 Minuten konnten am 29. Oktober 2013 an der US-Börse Nasdaq einige Indexstände nicht übermittelt werden. Wegen der fehlenden Daten wurde der Optionshandel vorübergehend ausgesetzt. Als Grund für die Panne nannte der Betreiber menschliches Versagen: Durch einen Bedienfehler seien Störungen in der Datenübertragung entstanden.
Wegen technischer Probleme hat die Derivate-Börse Eurex den Handel am Morgen des 26.8.2013 vorübergehend gestoppt. "Die Aussetzung wurde durch eine fehlerhafte Zeit-Synchronisierung im System verursacht", teilte die Tochter der Deutschen Börse mit. Aus diesem Grund sei der Handel zwischen 08:20 und 09:20 Uhr (MESZ) angehalten und sämtliche Produkte auf den Stand vor Börseneröffnung zurückgesetzt worden.
Eine technische Panne hat die US-Technologiebörse Nasdaq am 22. August 2013 für mehrere Stunden lahmgelegt. Grund für den Knock out sei ein Softwareproblem gewesen, teilte der Börsenbetreiber Nasdaq OMX mit. Die Übermittlung von Kursdaten an die New Yorker Börse an der Wall Street war offenbar zusammengebrochen. Auch der Optionshandel wurde bis auf weiteres ausgesetzt. Erst nach rund dreistündiger Zwangspause konnte die Börse den Handel mit den Papieren von Technologiefirmen wie Apple, Facebook, Microsoft oder Google wiederaufnehmen. Die Nasdaq rechnet aber bisher nicht mit Schadenersatz- oder Haftungsansprüchen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat am 21. August 2013 versehentlich eine riesige Menge von Optionsgeschäften getätigt. Die irrtümlichen Orders wurden kurz nach Handelseröffnung aufgegeben und betrafen Optionen auf Aktien, deren Börsensymbole mit den Buchstaben H bis L beginnen. Eine mit den Problemen vertraute Person, die nicht namentlich genannt werden wollte, führte die fehlerhaften Aufträge auf eine Computerpanne zurück. Diese habe dazu geführt, dass bloße Interessensbekundungen an den Optionen irrtümlich als Orders an die Handelsplätze versandt worden seien. Möglicherweise drohe Goldman Sachs ein Verlust in Millionenhöhe.
Ein Aktienhändler der UBS handelte durch Eingabe zu vieler Nullen im Januar 1999 innerhalb von zwei Minuten zehn Millionen Aktien der Pharmafirma Roche, von den aber überhaupt nur sieben Millionen Stück existierten. Das Handelsvolumen überstieg die Marktkapitalisierung von Roche um knapp die Hälfte. Den Verkauf versuchte er durch eigene Kauforders rückgängig zu machen. 2001 verkaufte ein Händler der Investmentbank Lehman Brothers aus Versehen immer hundertmal mehr Aktien als er wollte – vor allem von Schwergewichten wie AstraZeneca und BP – und vernichtete so zeitweise 30 Milliarden Pfund an Börsenwert.
Im Dezember 2001 begleitete UBS Warburg den Verkauf neuer Aktien des japanischen Unternehmens Dentsu. Ein Händler vertippte sich und verkaufte statt 16 Dentsu-Aktien zu 600.000 Yen gleich 610.000 Aktien zu 6 Yen an. Schnell verkaufte die UBS so 64.915 Aktien, was etwa der Hälfte des Emissionsvolumens entspricht. Die UBS verlor so 100 Millionen Dollar, weil sie die Aktien selbst zum Marktpreis kaufen musste, um die Käufer mit den Papieren zu versorgen.
Ein Händler von Bear Stearns verkaufte im Oktober 2002 Aktien für vier Milliarden Dollar anstelle von vier Millionen. Bevor der Vertipper auffiel, gingen bereits Wertpapiere im Wert vom 600 Millionen Dollar an neue Besitzer. Der Leitindex Dow Jones sank dadurch um 2,3 Prozent.
Der Hochfrequenzhandel war für den "Flash Crash" an der Wall Street verantwortlich, als sich im Mai 2010 durch einen blitzartigen Kurseinbruch aus heiterem Himmel binnen Minuten fast eine Billion Dollar Marktwert in Luft auflöste. Einige Aktien verloren in der kurzen Zeitspanne rund die Hälfte ihres Wertes. Schon davor hatte es Kritik gegeben an den immer schnelleren Börsengeschäften über Computersysteme. Beim sogenannten Hochfrequenzhandel werden tausende Transaktionen binnen Millisekunden durch Computer ausgelöst.
Ende Juni 2010 fielen die Aktien der Citigroup nach Massenverkäufen durch elektronische Handelssysteme zeitweise um17 Prozent. Da die US-Börsenaufsicht SEC nach dem „Flash Crash im Mai zuvor beschlossen hatte, Aktien aus dem Index S&P 500 vom Handel auszusetzen, sofern diese innerhalb von fünf Minuten mehr als zehn Prozent fallen oder steigen, stoppte diese Sicherungssystem den Kursrutsch. Fünf Minuten stoppte der Handel, dann beruhigte sich die Lage. Den Handelstag beendete die Citigroup-Aktie sieben Prozent im Minus.
Noch vor Facebook gab es einen weiteren verpatzten Börsengang: Die Erstnotiz der drittgrößten US-Börse BATS Global Markets Ende März 2012 endete mit einem Totalschaden. Die Aktien sollten auf der eigenen Handelsplattform ihr Börsendebüt feiern, aber die neuen BATS-Aktien sackten binnen Minuten von 16 Dollar auf unter einen Cent. Als Schuldige wurde eine neue Software ausgemacht. BATS musste falschen Transaktionen zurücknehmen - und nahm die eigenen Aktien nach dem peinlichen Vorfall gleich mit von der Börse.
Als das 900 Millionen Nutzer starke Social-Media-Portal im Mai 2012 den Sprung an die Börse wagte, bekam die Erfolgsstory deutliche Risse. Nach gravierenden Pannen im Handelssystem der Technologiebörse Nasdaq in New York stürzte der Kurs des Börsenneulings rapide in die Tiefe. Beteiligte Firmen erlitten hohe Millionen-Verluste, etliche fordern von der Nasdaq Schadenersatz. Die Schweizer Großbank UBS, die beim Facebook-Börsengang 349 Millionen Franken (290 Millionen Euro) verlor, drohte bereits mit einer Klage gegen die Börse.
Am 31. Juli 2012 versetzte eine fehlerhafte Handelssoftware versetzte Wertpapierhändler und Anleger an der Wall Street in Aufruhr: In den ersten 45 Minuten des Handelstages verzeichneten rund 150 Aktientitel so hohe Umsätze wie sonst an einem ganzen Tag. Die Folge waren heftige Preisschwankungen, und fünf Aktien mussten sogar ganz aus dem Handel genommen werden. Das Börsenhandelshaus Knight Capital räumte ein, Probleme mit seinen computergestützten Systemen seien dafür verantwortlich. Ein neues Handelsprogramm hatte die Börse mit fehlerhaften Handelsaufträgen geflutet. Knight Capital verbuchte durch die viel zu teuer gekauften Aktien einen Verlust von rund 440 Millionen Dollar.
Kurz nach dem Handelsstart im April 2014 an der Technologiebörse Nasdaq schossen die Aktien des Lebensmittelherstellers Kraft Foods binnen einer Minute um satte 30 Prozent nach oben, von 45 auf mehr als 58 Dollar. Die Nasdaq verneinte Probleme mit ihrer Handelsplattform und machte einen Börsenmakler als Verursacher aus. Laut "Financial Times" hatte ein Handelsprogramm irrtümlich versucht, 30.000 Kraft-Aktien binnen kürzester Zeit zu ordern. Die Nasdaq und andere betroffene Börsen erklärten nach einer Untersuchung der Kursbewegungen die fragwürdigen Transaktionen oberhalb eines Kurses von 47,82 Dollar für ungültig. Der Fehler ereignete sich nur einen Tag, nachdem Kraft Foods sich aufgespalten und sein Geschäft mit Snacks außerhalb der USA unter dem Namen Mondelez International als eigenständige Aktie an die Nasdaq gebracht hatte.
Er könne sich an eine derartige Panne bei der Nasdaq nicht erinnern, sagte Christopher Nagy von der Beratungsfirma KOR Trading. Händler wie Sal Arnuk von Themis Trading in Chatham New Jersey ließen dagegen ihrem Ärger Luft. "Jede Maklerfirma wird für das Erfüllen von Aufträgen bezahlt. Ja, wir sind frustriert. Das schadet uns, schadet dem Handel und schadet dem Vertrauen der Öffentlichkeit."
Es war bereits die zweite technische Panne an den US-Börsen in dieser Woche. Am Dienstag hatte die US-Investmentbank Goldman Sachs wegen technischer Probleme massenhaft fehlerhafte Kaufaufträge an die Optionsmärkte geschickt. Daraufhin brauchten die Börsenbetreiber fast einen ganzen Tag, um die Order durchzuschauen und zu streichen.
Die Nasdaq hatte im vergangenen Jahr bereits mit dem verpatzten Börsengang von Facebook für Negativschlagzeilen gesorgt. Die Nasdaq-Systeme waren der Flut von Kauf- und Verkaufsaufträgen nicht gewachsen, wie die Börsenaufsicht SEC feststellte. Sie verdonnerte den Börsenbetreiber zu einer Rekordstrafe von 10 Millionen Dollar.
Pannen beeinflussen immer wieder das Marktgeschehen
Pannen beeinflussen immer wieder das Marktgeschehen. Im April legten zum Beispiel Software-Probleme die Derivate-Börse CBOE aus Chicago für einen halben Tag lahm. Im Sommer 2012 sorgte der US-Aktienhändler Knight Capital für Schlagzeilen. Knight-Rechner hatten damals unbeabsichtigt den Markt mit Orders geflutet und für Chaos gesorgt. Dem Unternehmen entstand ein Verlust von 440 Millionen Dollar. Das Handelshaus stand dadurch vor dem Kollaps und musste von mehreren Investoren gerettet werden. In Erinnerung ist an der Wall Street zudem noch der sogenannte Flash Crash aus dem Jahr 2010. Damals fiel der Kurs des Standardwerte-Index Dow Jones binnen Minuten um rund 1000 Punkte. Hier lösten Computerprogramme von Hochfrequenz-Händlern eine Verkaufskaskade aus.
Die zunehmende Häufigkeit der Vorfälle wirft die Frage auf, ob der Wertpapierhandel nicht längst viel zu abhängig von technischen Systemen ist, die auch ausfallen oder andere Probleme verursachen können. Früher war zwischen Käufer und Verkäufer immer noch ein Händler aus Fleisch und Blut zwischengeschaltet. Er konnte abwägen und entscheiden, zu welchem Kurs ein Handel zustande kommt und als Konterpart einspringen, wenn Kauf- und Verkaufsorderkurse zu weit auseinander lagen.
Aber dieser Schluss wäre falsch. Denn zum einen sind auch Händler längst auf technische Systeme angewiesen. Zum anderen entstanden viele der Computerpannen der vergangenen Jahre durch Fehlbedienung und fehlerhafte Programmierung der Computersysteme durch den Mensch. Als es noch keine Computer gab, war der Mensch die Schwachstelle. In den 60er Jahren mussten US-Börsen den Handel regelmäßig unterbrechen, weil die Händler förmlich in Papierbergen erstickten und Aufträge nicht wie vorgesehen platzierten. Damals lag das tägliche Handelsvolumen noch bei zehn bis zwölf Millionen Aktien pro Tag, inzwischen sind es sechs Milliarden. Schon aus Kostengründen sind die Computersysteme der Börsen heute unverzichtbar. Börsenprofis zufolge zeige der Nasdaq-Vorfall vielmehr, dass es im digitalen Handel an Notfall- und Backup-Systemen mangelt.
Ohne den Menschen geht es nicht
Der Faktor Mensch spielt lediglich bei der Steuerung und bei der Behebung der Pannen die entscheidende Rolle. Und die nimmt er offenbar schnell und verantwortungsbewusst wahr. Die technischen Probleme seien bereits nach einer halben Stunde gelöst gewesen, teilte die Nasdaq mit. Die übrige Zeit sei nötig gewesen, um sich mit anderen Börsenbetreibern, Aufsehern und Marktteilnehmern abzustimmen und einen geordneten Neustart des Handels zu gewährleisten. Nach Angaben von Bankern und Brokern hatten deren Handelsabteilungen der Nasdaq nämlich dringend geraten, den Handel bloß nicht unvorbereitet wiederaufzunehmen. Sie fürchteten, dass weitere Pannen den ohnehin nervösen Markt weiteres Vertrauen kosten würden. "Das Feedback an die Nasdaq lautete: 'Überstürzt das bloß nicht - es würde zehnmal schlimmer sein, zu schnell online zu gehen als sich Zeit zu nehmen, um das Problem wirklich zu beheben."
Dennoch: Der Glaube an die Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Computerhandels hat einmal mehr Risse bekommen. Insgesamt hat das Risiko von Handelspannen und dramatischen Kursbewegungen insbesondere durch den computergesteuerten Hochfrequenzhandel weiter zugenommen. Demnächst werden auch in den USA Ideen zur Begrenzung des Hochfrequenzhandels präsentiert. Das Problem wurde erkannt.
Ein kleiner Trost für jene, die Nachteile durch die technischen Pannen fürchten: Meist erholen sich die Börsen schnell davon, die Kurse erreichen wieder normales Niveau. Trotz der mehrstündigen Nasdaq-Panne ging der Technologiewerte-Index mit einem Plus von 1,1 Prozent aus dem Handel. Die Aktie der Börsenbetreibergesellschaft Nasdaq OMX büßte dagegen 3,4 Prozent ihres Wertes ein.