Dark Pools Wie die dunkle Seite der Börse weiter funktioniert

Im kommenden Jahr treten Obergrenzen für den Aktien-Handel auf anonymen Plattforen, Dark Pools genannt, in Kraft. Doch es gibt neue Angebote für Investoren, damit ihre Geschäfte weiter im Verborgenen bleiben.

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Dark Pools, die anonymen Handelsplattformen, stehen vor bedeutenden Umwälzungen. Denn im nächsten Jahr treten europäische Obergrenzen für den verborgenen Handel in Kraft. Für die Investoren gibt es aber eine ganze Reihe an Angeboten, um ihre Aktien-Handelsgeschäfte unter dem Radar zu halten. Anleger mögen Dark Pools, weil sie ihnen ermöglichen, große Orders auszuführen, ohne dem Markt ihre Absichten kundzutun. Käufer und Verkäufer von Wertpapieren bleiben anonym.

Doch genau deshalb stehen die Plattformen auch in der Kritik: Es lässt sich beispielsweise nicht nachverfolgen, wer welche Deals kurz vor Veröffentlichung einer kursbewegenden Meldung durchgezogen hat. Beispiel: Der frühere US-Hedgefondsmanager Mathew Martoma handelte über einen Dark Pool mit zehn Millionen Aktien des US-Biotech-Unternehmens Elan. Zuvor hatte ihm ein Insider Informationen über die Entwicklung eines Alzheimer-Medikaments zugesteckt. Der Fonds von Martomas damaligem Arbeitgeber SAC Capital Advisors soll mit dem Deal 276 Millionen Dollar verdient haben.

Leidtragende waren alle Elan-Aktionäre, die diese Information nicht hatten und so gesehen zu billig an Martoma verkauften. Martoma selbst konnte sich nicht lange über den Deal freuen. Im vergangenen Jahr verurteilte ihn ein US-Gericht zu neun Jahren Haft wegen Insiderhandels.

Nach den neuen Regeln der sogenannten MiFID-II-Richtlinie, das allgemein gebräuchliche Kürzel für die Überarbeitung der 2007 verabschiedeten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, tritt im neuen Jahr eine bedeutende Regel für die europäischen Betreiber von Dark Pools in Kraft: Eine Obergrenze für Transaktionsvolumina, die laut einer Schätzung drei Viertel der großen europäischen Aktien von den Handelsplattformen ausschließen würde. Um die neuen Gesetze zu umgehen, haben die betroffenen Unternehmen jetzt schnell noch Dienste eingeführt, die sich der Richtlinie entziehen oder ihre Schlupflöcher nutzen.

„Die Broker-Branche wird ein ganzes Arsenal an Instrumenten schaffen, um den Handel im Verborgenen zu halten“, sagt Rob Boardman, Leiter der Europa-Sparte des Dark-Pool-Betreibers Investment Technology Group. „Wenn es nicht mehr möglich ist, im Verborgenen zu handeln, sind die Auswirkungen insbesondere für aktive Manager sehr ernst.“

Unternehmen haben bisher zwei wesentliche Wege eingeführt, um die Obergrenze zu vermeiden. Goldman Sachs, Nasdaq und die Bats-Sparte von CBOE Holdings haben die erste Option gewählt: Sie haben Dienste geschaffen, mit denen ein Verbergen von Orders gegenüber anderen möglich ist, bis genügend Volumen aufgebaut ist, um den Handel auszulösen.

Virtu Financial hat einen anderen Ansatz gewählt und zusammen mit der Instinet-Tochter von Nomura Holdings einen systematischen Internalisierer (SI) entwickelt. SI-Unternehmen sind Wertpapierfirmen, die in organisierter und systematischer Weise häufig Kundenaufträge für ungeregelte Märkte auf eigene Rechnung handeln. Diese Firmen haben einen Sonderstatus, der unbegrenzten verborgenen Handel (Dark Trading) zulässt. (Die genaue Definotion von SI-Firmen)

Das Handelsnetzwerk Liquidnet entwickelte zusätzlich einen neuen Ansatz: Die Gesellschaft hat einen Algorithmus geschaffen, mit dem Händler wählen können, wo ihre Orders ausgeführt werden.


Kompliziertes Regelwerk

Es gibt unterschiedliche Ansichten, wie die Lage nach Inkrafttreten der MiFID-Regelung aussehen wird. Europäische Aufsichtsbehörden sind besorgt, dass Dark Pools, die riesige Transaktionen verbergen und schützen sollen, stattdessen durch gestückelte, kleine, algorithmische Handelsgeschäfte ersetzt werden. Sie argumentieren, dass das Abdriften des Marktes in das Verborgene die Kurse an den öffentlichen Börsen weniger genau machen könnte, was die Effizienz der öffentlichen Märkte schwächen würde.

Es geht dabei um einen Anteil von bis zu zehn Prozent am europäischen Aktienhandel, der auf verborgenen Plattformen stattfindet. Dort werden die Kurse nicht angezeigt, bevor ein Aktiengeschäft ausgeführt ist. Das spielt eine Rolle für größere Vermögensverwalter, die häufig mehrere Prozent an den Unternehmen halten, in die sie investieren.

Die MiFID-Vorschriften verhindern, dass eine Aktie in einem Dark Pool gehandelt wird, wenn acht Prozent vom Handelsvolumen innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums den Besitzer wechseln. Die Begrenzungen könnten Aufsehern helfen, ihre Position durchzusetzen: Zumindest ein Teil der ins Verborgene abgedrifteten Handelsgeschäfte würde an die öffentlichen Märkte zurückkehren.

Große Handelsgeschäfte werden weiterhin auf verborgenen Plattformen stattfinden unter Nutzung einer von der Europäischen Union genehmigten Ausnahmeregelung. Aber ob Händler mit kleineren Transaktionen periodische Auktionen arbeiten oder einen systematischen Internalisierer verwenden, um ihre Geschäfte im Verborgenen zu halten: Die MiFID-Vorschriften werden jedenfalls zur Komplexität eines bereits fragmentieren europäischen Aktienmarktes beitragen.

„Obergrenzen wie diese, die nicht auf empirischen Studien basieren, sind nicht nützlich, das Verhalten zu ändern“, sagt David Howson, Chief Operating Officer bei Bats Europe. Es werde immer eine Notwendigkeit geben, nicht nur große Blöcke zu handeln, ohne dies dem Markt zu signalisieren, fügt er an.

Howson hofft, dass die periodische Auktionsmethode die Mehrheit vom Aktienhandel, der von Dark Pools verbannt ist, anlocken kann. Auktionen könnten besonders attraktiv sein, weil sie so häufig wie alle 100 Millisekunden stattfinden und Orders nur angezeigt werden, wenn genügend entgegengesetzte Orders da sind, um eine Auktion zu rechtfertigen.

Das trägt dazu bei, zu verhindern, dass vor dem Handelsgeschäft Informationen an den Markt durchsickern, schreibt das Handelsunternehmen Investment Technology Group in einer Studie. „Die meisten Banken und Broker sagen, dass das von Interesse sei“, erklärt Howson. „Wenn wir mit Marktteilnehmern sprechen, sind sie an Auktionen sehr interessiert.“

Wenn systematische Internalisierer die bevorzugte Plattform für Dark Trading nach Einführung der MiFID-Vorschriften werden, wäre das ein Sieg für die großen Banken, deren interne Dark Pools etwa die Hälfte des Dark Trading ausmachen. Banken werden wohl die größten SIs sein, aber die Hochfrequenz-Handelsgesellschaften können ab Januar, dem Startdatum von MiFID, ebenfalls systematische Internalisierer einrichten.

SIs haben ihre Einschränkungen: die Europäische Kommission hat verboten, dass sie für den Abgleich von Orders zwischen Kunden einer Bank verwendet werden. Das bedeutet, dass entweder der Käufer oder Verkäufer in einer Handelstransaktion der Betreiber vom SI sein muss.

„Es ist ganz klar, dass die Obergrenzen dem Dark Trading bei vielen Aktien den Garaus bereiten werden, aber wir könnten sehen, wie systemische Internalisierer und andere Ad-Hoc-Handelsarten aufblühen“, sagt Niki Beattie, ein Berater, der Market Structure Partners in London leitet. „Die Welt entwickelt sich zu etwas anderem und wir wissen nicht, was es sein wird.“

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