Das große Fressen Was das Börsenjahr 2015 prägte

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Abstürzende Standardwerte

Zumal sich die Aktienbörsen unter dem Strich noch wacker schlugen. Selbst am vor sich hindümpelnden US-Markt ließ sich zweistellig verdienen, dem schwachen Euro sei Dank. Doch wohl nie zuvor gab es trotz positiver Performance der Indizes solch dicke Abstürze einzelner Aktien, auch von marktschweren: Bei E.On und RWE erodierte das Geschäftsmodell, über die Deutsche Bank wollen wir ermattet schweigen, und VW hat einen veritablen Skandal selbst verschuldet. Um 40 Prozent zu verlieren, benötigte die VW-Aktie nach Beginn von Dieselgate immerhin noch zwei Handelswochen.

Deutlich schneller, binnen eines Tages, stürzten andere: der Autozulieferer Leoni um ein Drittel Mitte Oktober, Kolbenspezialist ElringKlinger im September um ein Viertel, fast ebenso die Aktie der Baumarktkette Hornbach Mitte Dezember. Automatenspezialist WincorNixdorf crashte im April 30 Prozent binnen Stunden und schien anschließend übernahmereif. Die TecDax-Werte Aixtron und Manz verloren gut 40 und 30 Prozent im Dezember und Oktober. Was ist los in der deutschen Wirtschaft, mag man da fragen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, auch um Dax-Werte, etwa Linde.

Absturzgrund waren immer wieder Kürzungen der Umsatz- und Gewinnprognosen. Dass die zu Verlusten führen, ist nicht ungewöhnlich, doch in dieser Heftigkeit neu. Abgestraft werden die Unternehmen nicht allein von herb enttäuschten Investoren. Vielmehr drücken Algorithmen die Kurse tiefer als früher. Der computergesteuerte Handel, er ist 2015 endgültig angekommen an der Börse – und ein Unsicherheitsfaktor mehr.

Börsengänge auf Siebenjahreshoch

Noch nicht am Werk sind die schnellen Computerhändler bei Börsengängen, zumindest nicht in der Phase, in der Aktien den Investoren angepriesen werden. Für die Banken in diesem Jahr ein hartes Brot: „Wir müssen die Aktien schon bei einer Vielzahl von Investoren vermarkten, um die Transaktionen erfolgreich zu platzieren“, sagt Klaus Fröhlich, Leiter des Kapitalmarktgeschäfts bei Morgan Stanley in Frankfurt. Das ist gelungen: Unternehmen sammelten auf dem deutschen Parkett via Börsengang 2015 so viel Geld ein wie seit 2007 nicht mehr. 15 Unternehmen wagten im Vorzeigemarkt Prime Standard der Deutschen Börse den Sprung. Insgesamt sammelten sie rund 7,1 Milliarden Euro ein, mehr als doppelt so viel wie 2014. „Es gab Jahre, etwa nach der Finanzkrise, da waren Börsengänge überhaupt nicht möglich. Jetzt aber ist der Markt wieder geheilt“, betet Fröhlich gesund. Auch, weil heimische Privatanleger stark in Fonds investierten, die gierig neue Aktien aufnehmen. Bis Ende Oktober sammelten Publikumsfonds unterm Strich die Rekordsumme von 63 Milliarden Euro ein, damit schon jetzt mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2014.

Knapp 14 Milliarden davon gingen in reine Aktienfonds, gut 33 Milliarden in Fonds, die neben Aktien auch etwa in Anleihen investieren. Der Fondsverband BVI jubelt, man nähere sich dem Rekordabsatz des Jahres 2000. Das billige Geld der Notenbanken, wie soll es anders sein, drängt an die Börse.

Trotzdem, obwohl alle Welt neue Anlagemöglichkeiten sucht, schneiden die neuen Aktien eher mau ab: Sieben Werte liegen über ihrem ersten Kurs, fünf schneiden prima ab: der Kabelnetzbetreiber Tele Columbus mit 13 Prozent plus, der Immobilienbewirtschafter ADO Properties mit 23 Prozent, die abgespaltene Bayer-Chemiesparte Covestro liegt ebenso 29 Prozent vorne wie die Privatplatzierung Schaeffler. Mit dem Mikrokredit-Vermittler Ferratum ließen sich bisher sogar 50 Prozent Gewinn einfahren. Drei neue Aktien floppten: Die des Schmuckherstellers Elumeo, des Halbleiterunternehmens Siltronic und die von Versandhändler Windeln.de verloren zur Erstnotiz zwischen 20 und 44 Prozent.

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