Dax-Ausblick Die Jahresendrally lässt auf sich warten

Der Start in den Dezember ist frostig ausgefallen, auch auf dem Frankfurter Börsenparkett. Während der Dow Jones von Rekord zu Rekord eilt, nehmen Dax-Anleger Gewinne mit. Ist die Jahresendrally etwa abgesagt?

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Der deutsche Aktienindex hat in der abgelaufenen Woche 1,5 Prozent verloren. Quelle: Reuters

Düsseldorf Dow Jones und S&P500 eilen von einem Rekord zum nächsten, aber an Europas Aktienmärkten geht es abwärts. Ein ungewohntes Bild, schließlich gilt die Wall Street doch als Leitbörse. Doch Dax und Co. verweigern ihr derzeit die Gefolgschaft. Der politische Stillstand in Deutschland und ein starker Euro drücken diesseits des Atlantiks die Stimmung.

Und jenseits des Atlantiks kommt es mal wieder auf US-Präsident Donald Trump an. „Es muss sich jetzt zeigen, ob die Vorschusslorbeeren für die Steuerreform, die die Wall Street im November im Gegensatz zu Europas Aktienmärkten nach oben getrieben hat, gerechtfertigt waren“, sagt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers. In der Nach auf Samstag verabschiedete der US-Senat die Steuerreform. Allerdings hatte zuvor die Wall Street nachgegeben, nachdem der Sender ABC News berichtet hatte, dass der Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn gegen Trump in der Russland-Affäre aussagen wolle. Doch bis zum Börsenschluss dämmte der Dow Jones sein Verluste wieder ein – die Rally ist also noch intakt, während sie in Deutschland in Stottern geraten ist.

Der deutsche Aktienindex hat in der abgelaufenen Woche 1,5 Prozent verloren und notierte zum Wochenende bei 12.861 Punkten. Die amerikanischen Standardwerte legten um bis zu drei Prozent zu – eine für einen solch kurzen Zeitraum auffällig große Diskrepanz. Fällt die Jahresendrally hierzulande aus, während sie in New York schon läuft? Die erhofften Kursgewinne kurz vor Jahresfrist lassen zumindest auf sich warten. Gewinnmitnahmen und höhere Kursschwankungen seien auch in der neuen Woche wahrscheinlich.

Die jüngsten Gewinnmitnahmen im Dax sehen Experten wenig kritisch. Die Jahresendrally schon abzuschreiben oder gleich die jahrelange Hausse für beendet zu erklären, geht zu weit. „Es gibt Risiken, man muss sie aber auch nicht krampfhaft herbeireden“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Weder geopolitische Themen wie Nordkorea, Sorgen um Chinas Wirtschaft, der Ölpreis oder der neue Fed-Chef Jerome Powell würden die Aktienmärkte in Bedrängnis bringen. „Auch die Euro-Stärke kann deutschen, exportsensitiven Aktien nichts anhaben“, ist Halver überzeugt. „Dieses Anleger-Klischee entspricht nicht mehr der Realität.“ Die weltweiten Aktivitäten der deutschen Industrie würden Aufwertungen entgegen wirken. Andere nennen aber gerade den starken Euro als Grund für die jüngsten Rücksetzer.

An den Finanzmärkten kämpfen derzeit Pessimisten und Optimisten, die lange die Oberhand hatten, um die Vorherrschaft. Hans-Jörg Naumer gehört zu den Optimisten: „Die Konjunktur und Geldpolitik wirken weiter fördernd für die Aktienmärkte", sagt der Experte von Allianz Global Investor. „Die Kombination aus solidem Makrowachstum und sprudelnden Unternehmensgewinnen einerseits, bei niedrigen Zinsen andererseits, bleibt vorerst erhalten“, betont auch Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Daran ändere auch das Tauziehen um die Bildung einer neuen Bundesregierung wenig. „Deutschland und seinen Unternehmen geht es gut, nicht wegen, sondern trotz der Politik“, ergänzt er.

Dass die Zeiten steigender Aktiennotierungen erst mal vorbei sind, glaubt auch Greil nicht. „Weltweite Aktienindizes wie der MSCI World rennen von einem Allzeithoch zum nächsten“, gibt er Entwarnung. „Der strukturelle Bullenmarkt bleibt intakt.“


Mit gemischten Gefühlen in den Börsenmonat

Andere sehen die momentane Gemengelage an den Märkten hingegen kritischer: „Wir gehen mit gemischten Gefühlen in den letzten Börsenmonat“, sagt Robert Bauer von der Mademann & Kollegen aus Düsseldorf. „Zwar stehen unsere eigenen Indikatoren noch auf grün und die Leitzinserhöhung im Dezember ist von den Marktteilnehmern eingepreist, aber die Bewertungen in den USA sind eindeutig zu hoch.“ Bauer ist einer von 20 unabhängigen Vermögensverwaltern, die die DAB BNP Paribas regelmäßig befragt. Von ihnen rechnet jeder Zweite mit einer Jahresendrally im Dezember. Dagegen erwarten 20 Prozent fallende und 30 Prozent gleich bleibende Kurse in den kommenden vier Wochen.

Pessimistisch ist auch Jochen Stanzl von CMC Markets: „Internationale Investoren stellen das politische Risiko in Deutschland gleich mit jenem Großbritanniens im Zusammenhang mit dem Brexit.“ Und Anlageexperte Joachim Goldberg von der Beratungsfirma Goldberg und Goldberg sieht für den Dax bei 13.300 Punkten erst einmal das Ende der Fahnenstange. Es bedürfe größerer Impulse, um den Kursen weiteren Schub zu verleihen.

Einen solchen Impuls erhoffen sich Börsianer in der kommenden Woche von den US-Arbeitsmarktdaten. Sie sind ein wichtiger Faktor für die Stimmung an der Börse. Von diesen Daten erhoffen sich Investoren  Rückschlüsse auf Zeitpunkt und Tempo der erwarteten Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank Fed. Zwar werden die offiziellen Zahlen erst am Freitag veröffentlicht, einen Vorgeschmack bieten aber bereits die Daten der privaten Arbeitsagentur ADP am Mittwoch. Für November rechnen Börsianer im Schnitt mit 185.000 neuen Stellen. „Wir erwarten ein solides Beschäftigungsplus bei weiterhin moderatem Lohndruck“, sagt die Commerzbank voraus. „Dies sollte reichen, die Fed in zwei Wochen zu einer Zinserhöhung zu bewegen.“

Zum Auftakt der neuen Woche erwarten Investoren zudem die Auftragseingänge der US-Industrie. Am Mittwoch folgen vergleichbare Zahlen der deutschen Unternehmen. Außerdem stehen die europäischen Einzelhandelsumsätze am Dienstag auf der Agenda.

Gleich drei Dax-Unternehmen laden zum Kapitalmarkttag: Am Dienstag ist die Deutsche Bank an der Reihe, am Mittwoch ProSiebenSat.1 und am Freitag folgt Thyssen-Krupp. Interessant wird es auch bei Siemens. Der Münchner Konzern stellt am Donnerstag seine Medizintechnik-Sparte Healthineers vor, die der ersten Jahreshälfte 2018 an die Frankfurter Börse soll. Mit einem erwarteten Emissionsvolumen von sechs bis zehn Milliarden Euro wäre es der größte Börsengang in Deutschland seit der Telekom vor 20 Jahren.

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