Dax-Ausblick Ein Warnschuss an der Börse

Investoren wirken verunsichert: Die Zeiten der ruhigen Anlagemärkte scheinen nach den Kurs-Beben vorerst vorbei zu sein. In der kommenden Woche blicken Experten vor allem auf Notenbanker – und machen Hoffnung.

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Frankfurt Der Wochenverlauf an den Finanzmärkten zeigte das Gegenteil von sommerlicher Entspannung. Auslöser für das kleine Beben am Donnerstag waren Befürchtungen, EZB-Präsident Mario Draghi könnte ein wenig den Fuß vom geldpolitischen Gaspedal nehmen. Das ließ die Aktien und Anleihen durchsacken, gab dem Euro einen neuen Schub nach oben. Der Dax verlor fast zwei Prozent, schloss auf dem tiefsten Stand seit April. Damit bestätigte sich die Entwicklung der gesamten Woche – es war der vierte Verlusttag in Folge. Und am Freitag? Anfängliche Entspannung wich Verunsicherung – und einem erneuten Minus von 0,7 Prozent.

Die Experten beschäftigen sich mit den Folgen der plötzlichen Irritationen. So fragt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, ob die Geldpolitik tatsächlich zu drehen drohe: „Im Extremfall könnte ein Zinsschock crashartige Entwicklungen an den Finanzmärkten auslösen.“

Besonders anfällig seien zwei hoch gelaufene Märkte. „Natürlich sind die Befürchtungen bei Frau Yellen oder Herrn Draghi angesichts der Übertreibungen bei Anleihen oder Immobilien groß“, urteilt Halver. Es wird bereits Luft angelassen, wie der Blick auf die zehnjährige Bundesanleihe zeigt. Ihre Rendite sprang im Wochenverlauf kräftig von 0,25 auf 0,45 Prozent.

Öffentliche Auftritte von Notenbankern stehen daher mehr denn je im Fokus. Anleger erhoffen sich weitere Hinweise auf die kurz- bis mittelfristige EZB-Strategie. Und die gibt es in der kommenden Woche zuhauf: Unter anderem sprechen EZB-Chefvolkswirt Peter Praet (Dienstag), Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sowie Österreichs Notenbankgouverneur Ewald Nowotny (beide Donnerstag) öffentlich. „Spannend wird nun, ob die EZB weitere Versuchsballons steigen lässt, um den Markt auf eine Straffung der Zinspolitik vorzubereiten“, sagt Aktienmarktexperte Heinz-Gerd Sonnenschein von der Postbank.

Belastend für die Aktienmärkte dürfte sich weiterhin der starke Euro auswirken. Denn dieser macht Waren aus der Eurozone im Welthandel teurer und die Firmen weniger wettbewerbsfähig. „Weiter steigende Euro-Dollar-Notierungen sind nun schon allein deshalb nicht auszuschließen, weil sich die EZB ja weiterhin optimistisch geben muss und letztlich auch ein schrittweises Ende der Anleihekäufe verkünden wird“, sagt Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz. Ein Euro-Kurs von 1,17 Dollar sei daher möglich.


Tech-Aktien unter Druck

Nicht nur in Deutschland ging es am Donnerstag an den Aktienmärkten schlagartig bergab. Die Wochenbilanz in Europa weist ein Minus von rund zwei Prozent aus. Besondere Aufmerksamkeit zog ein Tendenzwechsel aus der Branchenbrille auf sich. Die lange favorisierten Technologiewerte litten stark, während sich Titel aus lange vernachlässigte Branchen, etwa dem Bankensektor, gut hielten.

„In einem Umfeld steigender Renditen sind Technologieaktien im Besonderen anfällig für eine relative Schwäche, da sie schlicht sehr hoch bewertet sind“, meint Robert Rethfeld vom Analysedienst Wellenreiter-Invest. Das spiegelt ein Vergleich an der Wall Street wider: Der von traditionellen Gesellschaften dominierte Dow-Jones-Index erreicht ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19, während die technologiegetriebene Nasdaq-Messlatte auf weit höhere 33 kommt.

Ein Experte wie Halver ist allerdings guter Hoffnung, dass die Notenbanken den Märkten in Zukunft hinreichend Rückendeckung geben. „Die geldpolitische Stützung ist auch zur Bankenrettung wie kürzlich in Italien erforderlich“, glaubt er. Halver rechnet mit weiteren Banken-Notlagen in der Eurozone.

Ähnlich schätzen die Analysten der Bank Metzler die Lage ein. Die jüngsten Äußerungen von Mario Draghi deuteten darauf hin, „dass höhere Renditen noch nicht wünschenswert sind“. Zu dieser Erwartung würden auch die wieder fallenden Inflationszahlen passen. So gesehen seien Renditen von rund 0,5 Prozent für zehnjährige Bundeanleihen bereits wieder kaufenswert.

Die neue Woche dürfte insgesamt ruhiger starten als die alte endete. Am Montag ist der Handel in den USA verkürzt, am Dienstag sind die Märkte dort wegen des Unabhängigkeits-Feiertages geschlossen. Erst am Folgetag wird es mit der Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls des geldpolitischen Rats der US-Notenbank Fed von Mitte Juni interessanter.

Der Donnerstag bringt ein ganzes Bündel von Daten. Neben den Auftragseingängen für die deutsche Industrie im Mai sind es insbesondere US-Arbeitsmarktdaten. Am Freitag folgen die deutsche Industrieproduktion im Mai sowie weitere Arbeitsmarktdaten aus den USA. Die Ökonomen der Commerzbank rechnen mit 210.000 neu geschaffenen Stellen nach 138.000 im Mai. Einen Vorgeschmack liefern die Zahlen der privaten Arbeitsagentur ADP am Mittwoch.

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