Dax-Umfrage „Anleger müssen sich an Verluste gewöhnen“

Die schwache Handelswoche hat bei vielen Anlegern für Ernüchterung gesorgt. Waren die vergangenen Tage der Startschuss oder eher das Ende für die Jahresendrally? Eine exklusive Umfrage liefert dazu eine klare Antwort.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: dpa

Düsseldorf Die vergangene Börsenwoche wirkte auf optimistische Anleger ernüchternd. Der Dax fiel um 2,5 Prozent und beendete am Freitag den Handel bei 13.127 Punkten. „Selbst für die wilden Bullen unter den Anlegern ist das nicht außergewöhnlich, an solche Verschnaufpausen beziehungsweise Rücksetzer müssen die sich gewöhnen“, meint Börsenexperte Stephan Heibel. Für ihn war der Rücksetzer überfällig, Investoren haben einfach Gewinne mitgenommen. Er hatte in den vergangenen Wochen bereits vor einer höheren Volatilität an den Aktienmärkten gewarnt.

Der Inhaber des Analysehauses Animusx wertet die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage Dax Sentiment aus, bei der mehr als 2.800 Anleger zu ihrer Ansicht über die aktuelle Börsenlage, einer Rückschau auf die vergangenen Woche sowie ihren Erwartungen und Kaufverhalten befragt werden. Daraus leitet Heibel eine Prognose für die kommenden Handelstage ab.

Hinter Umfragen zur Börsenstimmung wie dem Dax Sentiment stehen zwei Annahmen: Wenn die große Masse von Anlegern bereits investiert hat, bleiben wenige übrig, die noch zusätzlich kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt natürlich Entsprechendes: Wenn die Anleger mehrheitlich noch nicht investiert haben, können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.

Wenn Anleger investiert haben, werden sie sich optimistisch über den erwarteten weiteren Kursverlauf äußern, wenn sie nicht investiert haben, pessimistisch. Denn pessimistisch zu sein, was die zukünftige Börsenkursentwicklung betrifft, gleichzeitig aber investiert zu sein, macht wenig Sinn.

Beim Handelsblatt Dax Sentiment ist seit Ende August, dem Beginn der laufenden Rally, die Stimmung kontinuierlich gestiegen und die Erwartung auf noch weitere Kursgewinne in der Zukunft kontinuierlich zurückgegangen. Doch diese Lage hat sich gedreht. Die Stimmung ist auf neutralem Niveau, und der Zukunftsoptimismus kehrt zurück. „Ich werte dies als Zeichen, dass sehr viele Anleger nur auf solche kurzen Rücksetzer warten, um dann so schnell wie möglich einzusteigen“, lautet das Fazit des Sentimentexperten. „So betrachtet, dürfte der Rücksetzer zum Beginn dieser Woche enden“.


„Diese Rally ist noch jung“

Bei der Positionierung der Anleger sind die Daten widersprüchlich: Zum einen sinkt die Investitionsquote der institutionellen US-Anleger, gleichzeitig werfen in Deutschland sowohl Institutionelle als auch Privatanleger ihre Absicherungsgeschäfte über Bord und setzen verstärkt auf steigende Kurse. „Ohne meine Erklärung von vor einer Woche, dass dies der Zeitpunkt ist, in dem viele US-Hedgefonds ihren Kunden das Abziehen von Geldern erlauben, ist dieser Widerspruch kaum aufzuklären“, erläutert der Animusx-Inhaber.

Laut Heibel müssen Hedgefonds ihren Kunden meist nur einmal im Jahr die Möglichkeit bieten, Geld aus dem Fonds abzuziehen. „Häufig muss das bis Ende Oktober angemeldet werden und erfolgt dann Anfang November. Mag also sein, dass die überraschend niedrige Investitionsquote, die niedrigste seit dem Sommer 2016, auf diesen Umstand zurückzuführen ist.“ Damit einher gehe jedoch, dass die Barreserven – egal ob sie im Hedgefonds verbleiben oder aber abgezogen und dann in der Regel einen anderen Hedgefonds gesteckt werden – in den kommenden Wochen wieder am Markt angelegt würden.

Auf der anderen Seite haben sowohl Privatanleger als auch Institutionelle ihre massiven Absicherungen vor Kursverlusten oder gar Spekulationen auf fallende Kurse aufgelöst, die noch die erste Phase der Rally begleitet haben. Dadurch sind Rücksetzer wie in der vergangenen Woche erst möglich geworden.

„Aus der hohen Geschwindigkeit, mit der die Stimmung vor dem Hintergrund des kleinen Rücksetzers jedoch einbricht, folgere ich, dass Anleger sich der Gefahren an den Aktienmärkten durchaus bewusst sind und schnell umschalten können“, meint Heibel. Auch das spricht für seine Einschätzung, dass diese Rally noch jung ist. Er geht davon aus, dass die Rally schon bald fortgesetzt wird.

Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage im Detail: Mehr als die Hälfte aller Optimisten aus der Vorwoche haben ihre Euphorie über Bord geworfen, nur noch 27 Prozent sehen den Dax aktuell in einem Aufwärtsimpuls. Und nur noch 22 Prozent (minus zehn Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) gehen von einer Topbildung aus. Hingegen betrachtet nun jeder Fünfte (plus 18 Prozentpunkte) diese Bewegung als Abwärtsimpuls, weitere 26 Prozent (plus 21 Prozentpunkte) gehen von einer Seitwärtsbewegung aus. „Die Stimmung ist damit innerhalb weniger Tage von Euphorie auf völlig neutral zurückgesprungen“, fasst Heibel die Lage zusammen.


Kauflaune geht zurück

So überfällig dieser Rücksetzer auch gewesen sein mag, die Umfrageteilnehmer geben sich überrascht. Nur noch elf Prozent (minus 23 Prozentpunkte) haben auf den Rücksetzer spekuliert und weitere 47 Prozent (plus vier Prozentpunkte) geben an, diese Verluste zum größten Teil erwartet zu haben. Kaum erfüllt sieht seine Erwartungen nun gut jeder vierte Anleger (plus 13 Prozentpunkte). 15 Prozent (plus sechs Prozentpunkte) wurden durch den Rücksetzer der vergangenen Woche auf dem falschen Fuß erwischt.

So wie die aktuelle Stimmung unter den Anlegern eingebrochen ist, so ist die Erwartungshaltung angestiegen. Nun erwarten mehr 25 Prozent (plus acht Prozentpunkte) für den Dax in drei Monaten steigende Kurse. Nur noch 16 Prozent (minus acht Prozentpunkte) gehen von einer Topbildung aus, von der aus die Kurse dann wieder fallen. Einen Abwärtsimpuls fürchten nur noch 19 Prozent (minus fünf Prozentpunkte). Weiterhin geht jeder Dritte von einer Seitwärtsbewegung aus.

Statt beherzt zuzugreifen flüchten einige Anleger verunsichert an die Seitenlinie: Nur noch 24 Prozent (minus zwei Prozentpunkte) wollen in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, 16 Prozent (minus drei Prozentpunkte) wollen Aktien verkaufen. Vorerst abwarten wollen hingegen 60 Prozent (plus vier Prozent).

Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist weiter angesprungen und zeigt erstmals seit Anfang September ein leichtes Übergewicht an Long-Spekulationen. Dieser Indikator wird anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den deutschen Leitindex ermittelt.

Auch institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, zeigen die stärkste Aktivität auf steigende Kurse seit Anfang September, also seit Beginn dieser Rally.

In den USA ist der technische „Angst-und-Gier-Index“ des Börsenbarometers S&P 500 auf einen neutralen Wert von 54 Prozent zurückgefallen. Die zwei Tage Korrektur haben bereits für eine Abkühlung bei den technischen Indikatoren gesorgt. Die Investitionsquote von institutionellen US-Investoren ist um weitere vier Prozentpunkte auf 56 Prozent gefallen und notiert damit auf dem niedrigsten Stand seit Mai 2016. Das Bulle/Bär-Verhältnis der US-Privatanleger ist auf 22 Prozent gestiegen und zeigt damit eine ziemlich bullische Haltung.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%