Dax-Umfrage Anleger wollen Aktien verkaufen – das dürfte sich als Fehler erweisen

Anleger sind verunsichert, zeigt das Dax-Sentiment. Doch das muss nichts heißen: Die Stimmung könnte für den Aktienmarkt konstruktiv sein.

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Frankfurt Die anhaltende Schwäche am hiesigen Aktienmarkt verunsichert Anleger: Nachdem der Dax seit knapp einem Monat unter dem Strich nur auf der Stelle tritt, sieht mittlerweile nicht einmal jeder siebte Investor den Leitindex in einer Aufwärtsphase. Der Anteil derjenigen, die kurzfristig Aktien verkaufen wollen, hat sich nahezu verdoppelt. Das zeigen die Ergebnisse der neuen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment zur aktuellen Börsenstimmung.

Wöchentlich werden bei der Erhebung mehr als 2300 Anleger befragt, wie sie die Lage an den Aktienmärkten einschätzen. Die Ergebnisse bewertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung sollen Orientierung für die Geldanlage bieten.

Wichtig ist dabei der Zeithorizont: Das Sentiment gibt keine Auskunft über die mögliche Marktrichtung am nächsten Tag und selten über die kommende Woche, wohl aber über die kommenden vier bis zwölf Wochen.

Den aktuellen Gemütszustand der Investoren beurteilt der Sentiment-Experte hingegen eher positiv für die weiteren Aussichten an der Börse. „Die überaus pessimistische Haltung der Privatanleger bildet meiner Einschätzung nach einen guten Boden für die aktuellen Schwankungen an den Aktienmärkten.“ Ein Durchrutschen zu neuen Tiefs sei derzeit nicht zu befürchten.

Sollte Heibel Recht behalten, dürfte der Dax also auf absehbare Zeit nicht mehr unter sein Anfang März erreichtes Mehrmonatstief bei knapp über 11.900 Punkten zurückfallen. Momentan notiert der bedeutendste hiesige Börsenbarometer rund drei Prozent höher bei 12.260 Zählern.

Hinter Umfragen zur Börsenstimmung wie dem Dax-Sentiment stehen zwei Annahmen: Wenn die große Masse von Anlegern bereits investiert hat, bleiben wenige übrig, die noch zusätzlich kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten. Umgekehrt gilt natürlich entsprechendes: Wenn die Anleger mehrheitlich nicht investiert haben, können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.

Maßgeblich für die aktuelle Skepsis am Aktienmarkt ist laut Heibel das Chaos im Weißen Haus: „Wirtschaftsberater, Außenminister und CIA-Chef-Position wurden neu besetzt – das hat bei unseren Umfrageteilnehmern für Ratlosigkeit gesorgt.“

Die aktuellen Ergebnisse der Erhebung im Detail: Nur noch 14 Prozent (minus sieben Prozentpunkte) sehen den Dax derzeit in einem Aufwärtsimpuls, 16 Prozent (minus drei Prozentpunkte) in einem Abwärtsimpuls, hingegen fühlen sich mit 55 Prozent (plus 13 Prozentpunkte) die meisten in einer Seitwärtsbewegung. Das Sentiment ist damit weiterhin neutral.

Auch die Selbstzufriedenheit ist relativ neutral, denn nur noch 8 Prozent (minus ein Prozentpunkt) wollen auf diese Dax-Entwicklung spekuliert haben und nur 7 Prozent (minus ein Prozentpunkt) geben an, von der Entwicklung dieser Woche auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein.

Hingegen haben weiterhin 53 Prozent diese Entwicklung mehr oder weniger erwartet und 32 Prozent (plus drei Prozentpunkte) sehen ihre Erwartungen kaum erfüllt.

Der Zukunftspessimismus ist in diesem Chaos leicht angestiegen, denn nun erwarten 27 Prozent (plus drei Prozentpunkte) für den Dax in drei Monaten fallende Kurse, während ebenfalls 27 Prozent (plus ein Prozentpunkt) mit steigenden Kurse rechnen. Nur noch 33 Prozent (minus drei Prozentpunkte) gehen von einer Seitwärtsbewegung aus.

Dennoch: Bei einer so ungewissen Zukunft wollen nun 18 Prozent (plus sieben Prozentpunkte) in den kommenden zwei Wochen Aktien verkaufen, nur noch 22 Prozent (minus sechs Prozentpunkte) wollen Aktien zukaufen. Mit 60 Prozent (minus ein Prozentpunkt) bleiben die meisten Befragten vorerst an der Seitenlinie.


Bullische Indikatoren

Unter dem Strich interpretiert Heibel die aktuelle Stimmung der Anleger als konstruktiv für den Dax. Das „Risiko“ – wenn man es denn so bezeichnen könne – liege mittlerweile auf der Oberseite, meint der Experte. Wenn das Thema Handelskrieg wieder von den Titelseiten verschwindet, würden Privatanleger wohl steigenden Kursen hinterherlaufen.

Damit hat sich die Ausgangslage an den Börsen im Vergleich zur Vorwoche deutlich verbessert: Während Heibel am vergangenen Montag wegen der damals höheren Investitionsbereitschaft dem Dax kaum noch Luft nach oben zutraute, deutet die aktuelle Sentiment-Erhebung inzwischen wieder auf bessere Aufwärtschancen.

Ähnliche Schlussfolgerungen wie bei der Handelsblatt-Umfrage lassen sich derzeit auch aus den Ergebnissen des an der Stuttgarter Börse gemessenen „Euwax-Sentiments“ ableiten, das anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den deutschen Leitindex ermittelt wird.

Das Euwax-Sentiment der deutschen Privatanleger ist seit der erfolgreichen Umsetzung der US-Steuerreform im vergangenen November erstmals wieder ins Minus gerutscht. Damit haben sich Privatanleger endlich wieder stark gegen fallende Kurse abgesichert, was bullisch gewertet werden kann.

Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, sind hingegen so bullisch wie seit zwölf Monaten nicht mehr. Das Put-Call-Ratio (gehandelte Puts dividiert durch gehandelte Calls) ist auf den niedrigsten Stand seit zwölf Monaten gesunken. Der auf technischen Marktdaten basierende Angst-und-Gier-Index des S&P 500 zeigt mit 21 Prozent weiterhin große Angst an, was ebenfalls unterstützend wirkt.

Doch auch die institutionellen US-Anleger nutzen die derzeit gedrückten Kurse zum Aufbau von Positionen, die Investitionsquote der institutionellen US-Anleger ist um 13 Prozent auf 85 Prozent gesprungen. Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger zeigt mit 15 Prozent eine moderat bullische Haltung an.

„Während Private hüben wie drüben durch das Chaos im Weißen Haus verunsichert wirken, nutzen die Profis offensichtlich die Kursschwäche zum Aufbau von Positionen“, sagt Heibel. Nach Einschätzung des Sentiment-Experten haben sich die institutionellen Anleger derzeit aussichtreicher positioniert.

Zwar würde ein Handelskrieg natürlich negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. „Doch bislang kann ich nicht erkennen, dass irgendein Akteur hier über die Strenge schlägt – nicht einmal Trump, wenn man neben seinen polternden Worten mal nüchtern seine Aktionen betrachtet“, bilanziert Heibel.

Und wenn es keinen Handelskrieg gebe, dann dürfte sich der Fokus schon bald wieder auf die Unternehmen richten, die zu einem großen Teil hervorragende Jahresergebnisse und einen guten Jahresausblick geliefert hätten.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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