Dax-Umfrage Blamage für die Profis

Der Dax markiert ein neues Allzeithoch, doch institutionelle Anleger haben offenbar das Gegenteil erwartet. Sie müssen ihre Positionen auflösen und feuern damit die Rally an. Wie es mit dem Leitindex weiter gehen dürfte.

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(FILES) This file photo taken on November 9, 2016 shows a trader from ETX Capital working in central London following the result of the US presidential election. Most world stocks are set to finish 2016 in positive territory despite shock votes in Britain and the United States, but 2017 is clouded by looming European elections -- and Brexit. London's FTSE 100 has gained almost 14 percent over the year, while Frankfurt's DAX 30 added about 6.4 percent and the Paris CAC 40 won 4.1 percent. / AFP PHOTO / DANIEL LEAL-OLIVAS Quelle: AFP

Düsseldorf Die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen löste an Märkten einen Erleichterungsrally aus. Der Dax stieg um mehr als drei Prozent und erreichte ein neues Allzeithoch. Doch von dieser Rally dürften viele institutionelle Anleger nicht profitiert haben. Im Gegenteil: Die Profis, die an der Frankfurter Terminbörse Eurex handeln, haben ihre Absicherungen in der vergangenen Woche dramatisch hochgefahren. „War es die Absicherung vor den Frankreich-Wahlen, die ein vorsichtiger Fondsmanager eingehen muss, oder war es eine Spekulation auf fallende Kurse?“, fragt Börsenexperte Stephan Heibel. Eine Antwort darauf zu erhalten ist allerdings kaum möglich.

Die Konsequenz aus diesem Verhalten der Institutionellen kann man am heutigen Handelstag sehen. Nach einem deutlichen Plus zum Handelsauftakt waren die Profis gezwungen, ihre Positionen aufzulösen, um die Verluste nicht ausufern zu lassen. Das hat die heutige Rally weiter beflügelt.

Und auch für die kommenden Handelstage sieht es positiv aus: „Da sich Anleger in den vergangenen Wochen mit Engagements zurückgehalten haben, könnte diese Rally durchaus weiterlaufen“, prognostiziert Heibel.

Anders als die Profis haben sich die Privatanleger, die an der Stuttgarter Börse Euwax aktiv sind, positioniert. Das dortige Sentiment, das anhand von realen Trades mit Hebelprodukten auf den Dax ermittelt wird, zeigt: Die Absicherungspositionen wurden drastisch aufgelöst, dieser Index notierte am vergangenen Freitag schon wieder fast im neutralen Bereich.

Woche für Woche prognostiziert Stephan Heibel, wie der Dax sich in den kommenden Handelstagen entwickeln dürfte. Basis dafür ist die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2400 Anlegern. Der Inhaber des Analysehauses Animusx betrachtet die Ergebnisse der Erhebung über die aktuelle und die künftige Börsenentwicklung vor allem als Kontraindikatoren. Vereinfacht gesagt: Sind Anleger beispielsweise zu pessimistisch, ist das eher ein Indiz für bald steigende Kurse. Weil dann viele ihre Aktien bereits verkauft haben und neue Käufe schnell zu höheren Kursen führen.

Das lässt sich am besten anhand der Handelsblatt-Jahresumfrage erklären: Bei der Erhebung Ende Dezember des vergangenen Jahres ging es um das Börsenjahr 2017. Das damalige Ergebnis: Viele Anleger fürchteten, dass die Trump-Rally nicht nachhaltig sei, erwarteten bereits im Januar Jahreshöchstkurse für den Dax und bereiten sich auf deutlich tiefere Kurse im weiteren Jahresverlauf vor. „Wenn das die Erwartung der meisten Anleger ist, dann sollte es gemäß der Sentiment-Theorie gerade genau anders kommen“, meinte der Börsenexperte in seiner Auswertung Anfang Januar 2017. Was bislang ja auch eingetreten ist.

Interessant war für ihn damals bereits die Marke von 12.390 Zählern – das bisherige Dax-Allzeithoch. Sollte der Dax im Verlauf des Jahres die Marke von 12.400 Punkten überspringen, was er an diesem Montag getan hat, so wird laut der Umfrage jeder zweite Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. „Um noch von den Kursanstiegen zu profitieren, werden sie Aktien nachkaufen müssen. Und heizen dann die Rally weiter an“, erläuterte Heibel damals.


Anleger warten auf Einstiegschancen

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das Frankfurter Research-Instituts Sentix, das 5.000 Kleinanleger und Profis befragt hat. Auch dort dominiert die Skepsis. Die Experten sehen laut ihrer Analyse von Anfang Dezember 2016 viel Potenzial für weitere Aktienkäufe. Sie erwarten, dass der Dax in der ersten Jahreshälfte auf 14.000 Punkte steigt.

Die Ergebnisse der aktuellen Handelsblatt-Umfrage vor vergangenen Wochenende zeigen: Der heftige Stimmungsumschwung der beiden Vorwochen setzt sich diese Woche nicht mehr fort. Vor den Wahlen in Frankreich hatten die Anleger erst einmal abgewartet. Die Handelsblatt-Umfrage war zum Zeitpunkt, als sich das Wahlergebnis herauskristallisierte, bereits geschlossen. „Daher können wir uns das Umfrageergebnis als Basis für die zu erwartende Kursreaktion in den kommenden Tagen anschauen“, erläutert Heibel. Er hatte bei seiner Auswertung der Ergebnisse am vergangenen Sonntag bereits eine starke Reaktion an den Märkten erwartet.

Laut Umfrageergebnis ist das Lager derer, die in der aktuellen Aktienmarktentwicklung eine Seitwärtsbewegung sehen, um elf Prozentpunkte auf 52 Prozent angewachsen. Dabei haben vor allem die ehemaligen Bullen ihre Überzeugung gewechselt: Nur noch neun Prozent (minus zwei Prozentpunkte gegenüber dem Ergebnis der Vorwoche) sehen den Dax in einem Aufwärtsimpuls, weitere 17 Prozent (minus sieben Prozentpunkte in einer Topbildung. Weiterhin sieht jeder fünfte Umfrageteilnehmer das deutsche Börsenbarometer (minus zwei Prozentpunkte) im Beginn einer Abwärtsbewegung.

Die Selbstzufriedenheit bleibt niedrig. Zwölf Prozent (plus zwei Prozentpunkte) wurden von der Dax-Entwicklung in dieser Woche überrascht, nur jeder Zehnte (plus ein Prozentpunkt) hat auf den leichten Rückgang spekuliert. Mit 45 Prozent (plus ein Prozentpunkt ) fühlen sich die meisten Umfrageteilnehmer in ihrer Erwartung zum größten Teil bestätigt, jeder Dritte (minus drei Prozentpunkte) sieht seine Erwartungen kaum erfüllt.
Mit zunehmender Dauer der Konsolidierung schwindet der Pessimismus. Nur noch 36 Prozent (minus drei Prozentpunkte) fürchten für den Dax in drei Monaten einen Abwärtsimpuls. 19 Prozent (minus ein Prozentpunkt) erhoffen sich steigende Kurse. Das Lager derer, die auf eine anhaltende Seitwärtsbewegung setzen, erhält mit plus vier Prozentpunkte auf 32 Prozent den größten Zulauf.

Wer verkaufen wollte, hat dies inzwischen getan, nun wartet man auf Einstiegsgelegenheiten. Anders sind die Antworten auf die vierte Sentimentfrage („Planen Sie in den nächsten 14 Tagen Aktien zu kaufen oder zu verkaufen?) nicht zu werten: Jeder fünfte (plus fünf Prozentpunkte) will Aktien zukaufen, nur noch 18 Prozent (minus fünf Prozentpunkte) wollen in den kommenden zwei Wochen noch verkaufen. Das Lager der Neutralen bleibt unverändert bei 62 Prozent.


US-Anleger sind ängstlich

In den USA zeigt der „Angst und Gier Index“ des S&P 500, der auf technischen Marktdaten basiert, mit 34 Prozent relative Angst an, was aus Sentimentsicht als Kontraindikator und damit bullisch beziehungsweise unterstützend zu werten ist. „Ein dramatischer Ausverkauf ist auf Basis dieser negativen Werte kaum möglich“, meint Heibel. Auch die Investitionsquote institutioneller internationaler Anleger ist mit 71 Prozent (minus 16 Prozentpunkte) wieder deutlich zurückgekommen, es gibt reichlich Liquidität, die angelegt werden kann. Der US-Privatanleger zeigt mit minus 13 Prozent eine deutlich pessimistische Haltung, die mit dem nach wie vor deutlichen Pessimismus in Deutschland vergleichbar ist.

Nach wie vorher notiere der Pessimismus zur künftigen Kursentwicklung auf einem extrem hohen Niveau und spreche daher gegen einen heftigen Ausverkauf, analysiert derAnimusx-Inhaber. Auch die Stimmung zur Kursentwicklung der vergangenen Handelswoche verharre auf leicht negativem Niveau und sei damit auch kein Indikator für einen anstehenden Ausverkauf.

„Plötzlich haben Anleger wieder die Absicht, Aktien zu kaufen“, freut sich Heibel und wertet dies als offene Absichtserklärung, im Falle des Wunschergebnisses nach den Frankreichwahlen wieder stärker im Aktienmarkt investiert zu sein. Immerhin haben die Quartalszahlen, die wir in den vergangenen zehn Tagen gesehen haben, überwiegend ein rosiges Bild von der Konjunktur sowohl in Europa als auch in den USA gezeichnet.

Doch bleibe die Situation gefährlich. „Das Wohl und Wehe des Dax hängt nicht nur von deutschen Anlegern ab, sondern gleichzeitig auch von internationalen Anlegern“, so Heibel. Diese werden nicht nur den Wahlausgang in Frankreich für ihre Anlageentscheidung zugrunde legen, sondern gleichzeitig auch die jüngsten Entwicklungen in den USA. Und dort hat vergangene Woche Finanzminister Steven Mnuchin versprochen, Steuererleichterungen eher früher als später umzusetzen. Sein Fazit: „Das könnte den Kapitalstrom der vergangenen Monate von den USA nach Europa wieder umdrehen“.

Und dann werde es spannend zu beobachten sein: Haben die deutschen Anleger die Kapitalkraft, um in einem solchen Fall die am Markt angebotenen Aktien aufzufangen? Aus Sicht der Sentimenttheorie haben die Anleger in Deutschland sowohl das Potential, ihre Stimmung ins Positive zu drehen, also als zusätzliche Käufer aufzutreten, als auch den Willen, Aktien zuzukaufen. Nachdem sich in Frankreich nun eine Stichwahl zwischen dem Liebling von Angela Merkel (Macron) und dem Enfant Terrible (Le Pen) ergeben hat, dürfte es zunächst eine Erleichterungsrally ergeben: Le Pen wird gegen Macron in der Stichwahl kaum eine Chance haben, so die Erwartung an den Finanzmärkten.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist

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