Dax-Umfrage Börsianer blicken voller Angst in die Zukunft

Noch nie seit dem Start der Handelsblatt-Umfrage im September 2014 war der Pessimismus so groß wie derzeit. Privatanleger sichern vor drohenden Kursverlusten massiv ab. Was das für die kommenden Handelstage bedeutet.

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Noch nie war seit dem Start der Handelsblatt-Umfrage im September 2014 der Pessimismus so hoch wie derzeit.

Düsseldorf Die vergangene Handelswoche war anfangs eine Woche der „Bären“ und der Crashpropheten: Die Dax fiel Mitte der Woche um zwei Prozent auf 11.850 Punkte. Doch dieser Spuk war schnell vorbei, am Freitag notierte der deutsche Leitindex bereits wieder oberhalb von 12.000 Zählern. Der Wochenverlust betrug nur 0,3 Prozent. Grund für die deutlichen Kursverluste Mitte der vergangenen Woche und auch für die schwachen Notierungen zum Handelsauftakt an diesem Montag waren das Chaos in Washington rund um die Abschaffung von Obamacare, der US-Krankenversicherung.

Diese Kursentwicklung dürfte Leser des Handelsblatt-Sentiments nicht überrascht haben. Am vergangenen Montag hatte Börsenexperte Stephan Heibel prophezeit: „Die Skepsis ist zu groß, um einen dramatischen Ausverkauf zuzulassen“. Denn Anleger seien gut gegen Kursverluste abgesichert. Seine Prognose vor einer Woche: Nach einem Rückschlag im Dax würde schnell wieder von Spekulanten gekauft werden.

Basis für diese Markteinschätzungen ist die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage unter mehr als 2.300 Anlegern. Sie werden zur aktuellen Marktlage und ihren Erwartungen zur Kursentwicklung befragt. Die Ergebnisse bewertet anschließend Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung bieten Orientierung für die Geldanlage.

Für den Sentimentexperten stellt sich nach Auswertung der aktuellen Daten die Frage: Wer will denn jetzt noch verkaufen, nachdem die Abschaffung von Obamacare gescheitert ist? Die Stimmung sei neutral, die Erwartung pessimistisch. Positionen wurden aufgelöst, Absicherungen gegen fallende Kurse eingegangen. Fast noch entscheidender ist: Wer kann denn jetzt noch verkaufen?

Denn die pessimistische Erwartung der Anleger, die sich auf einem neuen Tiefstand befindet, ist ein Kontraindikator. Einfach übersetzt: Wer fallende Kurse erwartet, hat bereits seine Long-Positionen verkauft.

Auf der anderen Seite häufen die Investoren wieder langsam Barmittel an, die irgendwann wieder eingesetzt werden. „Noch nicht jetzt, dazu ist die Situation zu ungewiss“, meint Heibel. Die Kaufbereitschaft sei aktuell noch zu gering. Doch sollten die Aktienmärkte gen Norden drehen, dann gibt es nun eine Menge Barmittel, die eine anlaufende Rally verstärken würden. „Die Rally bekäme dann Beine, wie man so schön an der Börse sagt“, erläutert der Animusx-Inhaber.


Die gute Laune ist verflogen

Natürlich könne ein überraschend negatives Ereignis jederzeit jegliche Ergebnisse einer Sentiment-Analyse ad absurdum führen. „Aber ich bin hier nicht angetreten, um mir über nicht vorhersehbare Ereignisse den Kopf zu zerbrechen“, betont er. Wenn nichts absolut Überraschendes passiere, und das Scheitern Trumps im Kongress sei inzwischen kaum mehr eine Überraschung, dann sollten Kursverluste begrenzt bleiben.

Auch die politische Großwetterlage hat sich entspannt. Obamacare bleibt also bestehen, wird aber, gemäß eines Trump-Tweets, überarbeitet. In Frankreich hat die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen laut Umfragen wenig Chancen auf einen Wahlsieg in einer Stichwahl. Und in Deutschland hat das Saarland am Sonntag für ein „weiter so“ votiert. „Das sind in meinen Augen wohltuend moderate Ereignisse, die dem Dax weiter Luft nach oben verschaffen“.

Die Details der aktuellen Umfrage zeigen: Der kurze Einbruch in der vergangenen Handelswoche hat die Stimmung unter den Anlegern deutlich eingetrübt. Nur noch 23 Prozent (minus zehn Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) sehen in der aktuellen Bewegung des Dax einen Aufwärtstrend, weitere 27 Prozent (minus acht Prozentpunkte) gehen von einer Topbildung aus. Die Mehrheit (39 Prozent, plus elf Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) deuten die aktuellen Notierungen als Seitwärtsbewegung. Weitere acht Prozent (plus sechs Prozentpunkte) erkennen schon einen Abwärtsimpuls. Die gute Laune der Vorwochen ist verflogen, die Stimmung kann aktuell als neutral bewertet werden.

Die Selbstzufriedenheit der Anleger ist nach diesem kurzen Einbruch angekratzt. Nur noch 54 Prozent (minus acht Prozentpunkte) sehen ihre Erwartungen durch die aktuelle Dax-Entwicklung als zum größten Teil bestätigt an, weitere elf Prozent haben darauf spekuliert. Doch 27 Prozent (plus neun Prozentpunkte) wurden von der Entwicklung überrascht. Weitere acht Prozent wurden mit ihren Spekulationen gar auf dem falschen Fuß erwischt.

In drei Monaten haben wir einen Abwärtsimpuls zu erwarten, meinen 38 Prozent der Umfrageteilnehmer. Nur noch jeder Fünfte (minus zwei Prozentpunkte) geht von einer weiteren Aufwärtsbewegung aus. Unverändert jeder Vierte rechnet derzeit mit einer Seitwärtsbewegung im Dax in drei Monaten. Damit rutscht der Zukunftsoptimismus auf dem niedrigsten Stand seit Einführung der Handelsblatt-Umfrage vor zweieinhalb Jahren.

Bei so schwarzen Aussichten möchte kaum jemand mehr Aktien zukaufen. Unverändert jeder Fünfte will in den kommenden zwei Wochen zukaufen, während 19 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) verkaufen möchten. Mit 61 Prozent (minus drei Prozentpunkte) bleiben die meisten Teilnehmer nach wie vor an der Seitenlinie und warten die weitere Kursentwicklung ab.


Institutionelle häufen Barmittel an

An der Stuttgarter Börse Euwax steigt das Volumen der Absicherungsgeschäfte von Privatanlegern. Ablesbar am Euwax-Sentiment, das anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax ermittelt wird. Sollten die Kurse nun weiter fallen, dürfte kaum ein Privatanleger überrascht werden.

Institutionelle Anleger hingegen, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, sind derzeit eher neutral positioniert. Auch Joachim Goldberg folgert aus seiner Sentiment-Umfrage, dass das Risiko derzeit eher auf der Oberseite zu finden ist: Steigen die Kurse an, dürften einige Anleger der Rally hinterher laufen.

In den USA notiert der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Index“ mit dem S&P 500 als Basiswert bei 30 von maximal 100 Punkten. Damit zeigt er Angst an, was gemäß der Sentimentanalyse Kurse nach unten absichert.

Die Investitionsquote institutioneller Anleger ist von 84 Prozent auf 68,7 Prozent eingebrochen. Entweder haben Institutionelle Milliarden an neuen Mitteln erhalten, oder aber sie haben in der vergangenen Wochen kräftig Positionen liquidiert. Wie auch immer, es gibt nun erhebliche Barmittel an der Seitenlinie, die bei nächster Gelegenheit in die Märkte gegeben werden. Privatanleger in den USA sind zu 35,3 Prozent bullisch, damit ist das Sentiment von Privatanlegern in den USA neutral.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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