Dax-Umfrage Bullen scharren mit den Hufen

Die Hoffnung auf eine schnelle Wiederaufnahme der Rally ist unter den Anlegern gestiegen, aber auch die Zahl der Pessimisten ist größer geworden. Was das für die Entwicklung am deutschen Aktienmarkt bedeutet.

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Ein Bulle, Symbol für Börsenaufschwung, steht am Donnerstag in Frankfurt am Main vor der Deutschen Börse, während im Hintergrund eine Fahne der Europäischen Union hängt. Quelle: dpa

Düsseldorf Auf den ersten Blick hat sich die Stimmung unter Anlegern wenig verändert: Der für viele Beobachter offensichtlich überraschende Rückschlag an der Börse hatte bereits vor neun Tagen begonnen, der entsprechende Stimmungseinbruch hat sich bereits vor einer Woche im Ergebnis der Handelsblatt-Umfrage niedergeschlagen. „Im Vergleich zu der rasant abgekühlten Stimmung und den sprunghaft angestiegenen Zukunftserwartungen in der Vorwoche hat sich die Stimmung nach der zweite Konsolidierungswoche nur gering verändert“, meint Börsenexperte Stephan Heibel. Insgesamt sei die Stimmung neutral, es gibt keinen Sentiment-Schiefstand mehr, der zu einem Ausschlag in die eine oder andere Richtung führen könnte.

Der Inhaber des Analysehauses Animusx wertet die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage Dax Sentiment aus, bei der mehr als 2.800 Anleger zu ihrer Ansicht über die aktuelle Börsenlage, einer Rückschau auf die vergangenen Woche sowie ihren Erwartungen und Kaufverhalten befragt werden. Daraus leitet Heibel eine Prognose für die kommenden Handelstage ab.

Auf den zweiten Blick hat sich aber einiges verändert. „Bären haben bereits ihre Positionen verkauft, die Bullen jedoch scharren bereits mit den Hufen“, meint der Sentimentexperte. Er begründet diese Aussage mit einer höheren Zahl an Pessimisten, die in drei Monaten fallende Kurse erwarten. Die dürften ihre Aktien bereits verkauft haben. Auf der anderen Seite steigt die Zahl derer, die kaufen wollen. Was bedeutet: Es gibt eine ganze Reihe von Anlegern, die nur auf eine Gelegenheit warten, Aktien einzusammeln.

Damit wird die auf den ersten Blick neutrale Sentiment-Lage in eine positive Richtung gedreht: Bei weiter fallenden Kursen dürfte schon frühzeitig gekauft werden. „Oder mit anderen Worten: Wir sind am Aktienmärkte dem Boden näher als dem Top“, meint der Börsenexperte.

Für ihn könnte die Korrektur der vergangenen Tage auch durch institutionelle Anleger verstärkt worden sein, die mit ihrer Jahresperformance zufrieden sind und einfach Gewinne gesichert haben. Denn so gering investiert wie derzeit waren US-Anleger seit fast zwei Jahren nicht mehr.


Privatanleger erwarten eine Rally

Einen Kratzer erhält der bullische Sentiment-Ausblick allerdings durch die Privatanleger, die an der Stuttgarter Börse Euwax investieren. Denn dort ist von Zurückhaltung nichts zu sehen, es wird stark auf steigende Kurse spekuliert. „Das steht dem Vorgehen der institutionellen Anleger diametral gegenüber, denn die haben sich diese Woche sehr stark abgesichert“, erläutert Heibel.

Eigentlich gilt eine bullische Haltung von Privatanlegern als Kontraindikator, denn wenn alle Anleger steigende Kurse erwarten, geht man davon aus, dass alle bereits investiert sind. Wer kann dann noch für steigende Kurse sorgen? „Wir sollten diesen Umstand im Hinterkopf behalten, wenn wir uns grundsätzlich bullisch positionieren“, meint der Experte.

Das unterschiedliche Verhalten der institutionellen Anleger in den USA und Europa erklärt er so: Man könne die Jahresperformance absichern, indem man Aktien verkaufe, wie die niedrige Investitionsquote der US-Profis zeigt. Oder indem man Absicherungsgeschäfte tätigt, wie an dem hohen Put/Call-Verhältnis an der Frankfurter Terminbörse Eurex abzulesen ist.

Die wichtigsten Indikatoren für das Sentiment im Detail: Über das hohe Kursniveau im Dax jubeln laut Handelsblatt-Umfrage weiterhin 24 Prozent (minus drei Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche). Doch inzwischen wollen nur noch 14 Prozent (minus vier Prozentpunkte) darin eine Top-Bildung sehen, auf die schon bald eine Abwärtsbewegung folgen würde. Stattdessen gehen nunmehr 38 Prozent (plus zwölf Prozentpunkte) von einer Seitwärtsbewegung aus. 15 Prozent (minus vier Prozentpunkte) betrachten die aktuelle Konsolidierung bereits als Abwärtsimpuls. Die Stimmung ist damit weiterhin als neutral einzustufen.

Nur noch 44 Prozent (minus drei Prozentpunkte) sehen in dieser Entwicklung ihre Erwartung der Vorwoche zum größten Teil erfüllt, weitere acht Prozent (minus drei Prozentpunkte) geben an, darauf spekuliert zu haben. Kaum erfüllt sieht hingegen nun jeder Dritte (plus sechs Prozentpunkte) seine Erwartungen, und 15 Prozent (unverändert) wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Die Selbstzufriedenheit ist damit deutlich eingebrochen, die Werte signalisieren: Anleger sind verunsichert von der Dauer der Konsolidierung.

Im Gegensatz dazu steigt die Erwartung, dass es bald wieder höhere Notierungen gibt. Das Lager derer, die für den Dax in drei Monaten weiter steigende Kurse erwarten, ist um vier Prozentpunkte auf 30 Prozent angewachsen. Diejenigen, die hingegen von einem Abwärtsimpuls ausgehen, haben ebenfalls ordentlich Zulauf erhalten – um drei Prozentpunkte auf 21 Prozent. Von einer Seitwärtsbewegung gehen nur noch 31 Prozent (minus vier Prozentpunkte) aus. Der Zukunftsoptimismus ist angesichts dieser Werte neutral.


Zurückhaltung in den USA

Mehr als jeder Vierte (plus vier Prozentpunkte) möchte in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, nur 13 Prozent (minus drei Prozentpunkte) wollen Aktien verkaufen. Mit 60 Prozent wollen die meisten vorerst abwarten.

Aus der Kombination von höheren Kaufinteresse und einem gestiegenen Pessimismus für die künftige Entwicklung an den Aktienmärkten schlussfolgert der Sentimentexperte: „Die Bären haben sich bereits von ihren Positionen getrennt.“

Der Blick auf die anderen Indikatoren zeigt: An der Stuttgarter Börse Euwax sehen die Privatanleger angesichts der jüngsten Kursrücksetzer Chancen für einen Wiedereinstieg und sind entsprechend optimistisch gestimmt: Das Sentiment, das anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax berechnet wird, ist auf 6,14 Punkte gesprungen und hat damit das höchste Niveau seit diesem Sommer erreicht. Anleger werfen ihre Skepsis über Bord und positionieren sich für die Fortsetzung der Rally.

Ein anderes Bild zeigt die Frankfurter Terminbörse Eurex, an der institutionelle Anleger handeln. Dort werden verstärkt Put-Absicherungspositionen gekauft, die bei fallenden Kursen an Wert gewinnen. Mit einem Put/Call-Verhältnis von 2,0 wurden deutlich mehr Absicherungsgeschäfte getätigt als im Schnitt der vergangenen Monate, der bei 1,4 liegt.

Die US-Börsen zeigen bei den technischen Marktdaten eine neutrale Verfassung an. Der entsprechende „Angst-und-Gier-Index“ für das Börsenbarometer S&P 500 hat inzwischen mit einem Wert von 50 Prozent ein mittleres Maß gefunden. Institutionelle US-Anleger haben ihre Anlagequote weiter reduziert, inzwischen wird mit nur noch 50 Prozent die niedrigste Anlagequote seit Februar 2016 gemessen. „Vielleicht sind die Profis mit ihrem Jahresergebnis zufrieden und zurren die Performance fest“, meint der Animusx-Inhaber.

Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger ist auf minus 5,9 Prozent eingebrochen, nachdem er in der Vorwoche noch bei plus 20 Prozent notierte. „Nun ist auch in den USA die Stimmung umgeschlagen“, sagt Heibel.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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