Dax-Umfrage „Dax-Einbruch hat Anlegern die Laune verdorben“

Nach den Verlusten am Aktienmarkt glauben viele Investoren, dass die Kurse bald wieder steigen. Reicht das für eine Trendwende?

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Es herrscht schlechte Stimmung, aber noch keine Panik unter den Anlegern. Quelle: dpa

Düsseldorf Nach einer zweiwöchigen Kurskorrektur an den Aktienmärkten ist die Stimmung am Aktienmarkt im Keller. „Der Dax-Einbruch um minus 5,3 Prozent auf 12.107 Punkte in der vergangenen Handelswoche hat den Anlegern die Laune verdorben“, erläutert Börsenexperte Stephan Heibel. Diese Aussage leitet er aus dem Handelsblatt-Dax-Sentiment ab, einer wöchentlichen Umfrage unter mehr als 2900 Anlegern zur Börsenstimmung.

Hinter solchen Erhebungen zur Börsenlage, Sentiment genannt, stehen – vereinfacht formuliert – zwei Annahmen: Wenn viele Anlegern optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben könnten.

Umgekehrt gilt: Wenn die Anleger pessimistisch sind, sind sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken. Für seine Prognose wertet Heibel, der das Dax-Sentiment wöchentlich interpretiert, weitere Indikatoren aus.

Derzeit herrscht unter den Anlegern eine extrem miese Laune. „Für eine kräftige Gegenbewegung ist dieses kurzfristige Extrem in der Stimmung ausreichend“, meint der Inhaber des Analysehauses Animusx. Aber es herrsche noch keine Panik, die meist einen finalen Ausverkauf einleitet, unter den Investoren. Deswegen reiche die aktuell schlechte Stimmung noch nicht für einen Boden, der als Basis für eine lang anhaltende Rallye dienen kann.

Solch ein Boden hatte sich im August des vergangenen Jahres entwickelt. Damals fiel der Dax nach einem Rekordhoch von knapp 13.000 Punkten mehrere Monate. Nach mehreren Zwischenerholungen leitete ein Panik-Verkauf Ende August, als die Frankfurter Benchmark auf 11.868 Zählern fiel, die Trendwende ein.

„Es ist alles eine Frage des Zeithorizonts“, erläutert Heibel. „Wer spekulieren möchte, der kann nun eine kurzfristige Spekulation auf eine Gegenbewegung eingehen“. Die Kaufbereitschaft auf dem aktuellen Kursniveau sei sehr groß und könnte für eine Erholung gut sein. Doch der Schreck dürfte in den Gliedern der Anleger stecken, insbesondere in den Gliedern derer, die bei dieser Korrektur mit dem Schrecken davon gekommen sind.

Diese Investoren werden in steigende Kurse hinein ihre Positionen auflösen, beziehungsweise anpassen, sodass eine Gegenbewegung schon bald auslaufen dürfte. Doch egal wie schnell moderne Handelssysteme und Algorithmen Positionierungen im Portfolio anpassen und auflösen können, Menschen brauchen ihre Zeit, um sich mit Änderungen abzufinden. „Entsprechend wird auch eine Korrektur ihre Zeit in Anspruch nehmen, bevor ein nachhaltiger Boden gefunden wird“.

In den vergangenen Jahren hat sich der Fünf-Wochen-Durchschnitt des Handelsblatt-Dax-Sentiments als zuverlässiger Indikator erwiesen (siehe Grafik). „Mehrere akademische Arbeiten haben diesem Indikator eine hohe Korrelation nachgewiesen“, erläutert der Sentimentexperte.

Und die aktuelle Grafik zeigt: Es ist noch viel Platz für ein weiteres Abrutschen, bevor man von einem nachhaltigen Boden sprechen könne. Aber Vorsicht: Nicht jede Korrektur führt zu extremen Ausschlägen im Sentiment. Häufig endet die Korrektur bereits viel früher, drehen die Kurse häufig schon viel früher wieder nach oben. „Das kann ich auch dieses Mal nicht ausschließen“, meint Heibel. Dieser Indikator helfe nur, die Wahrscheinlichkeiten besser abzuschätzen.

Es sei derzeit noch nicht an der Zeit, Haus und Hof auf steigende Kurse zu wetten. Das würde Heibel höchstens dann tun, wenn dieser Indikator ein extremes Tief erreichen sollte.


Extrem hohe Verunsicherung

Ein Blick in die Historie zeigt, wie gut die Treffsicherheit dieser Kurve war. Seit Beginn der Handelsblatt-Umfrage im September 2014 hat dieser Durchschnitt fünfmal einen hohen oder niedrigen Extremwert erreicht (siehe Grafik). Und jedes Mal war es der Beginn einer Trendwende – wie zuletzt im Februar 2016. Damals rutschte die Frankfurter Benchmark unter die Marke von 9.000 Zählern, die Stimmung brach gleichzeitig komplett ein. Es war der Beginn einer Rally, die den deutschen Leitindex letztendlich zum aktuellen Allzeithoch von 12.951 Punkten führte.

Weil dieser Durchschnitt noch kein extremes Tief erreicht hat, empfiehlt der Börsenexperte eine andere Strategie: Anleger sollten schrittweise ihre Positionen vergrößern, in Erholungen hinein auch mal was verkaufen. Dadurch würden sie besser aus dieser Korrektur herauskommen im Vergleich zur Wertentwicklung der Indizes wie Dax und Dow Jones.

Die neuen Umfrageergebnisse zeigen: Einen Aufwärtsimpuls oder eine Topbildung sieht kaum mehr jemand in der aktuellen Dax-Bewegung. Auch eine Seitwärtsbewegung sieht nur noch jeder Zehnte (minus 13 Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche). Mit 58 Prozent (plus zehn Prozentpunkte) attestieren mehr als die Hälfte dem deutschen Leitindex nun eine Abwärtsbewegung. Jeder Vierte (plus 13 Prozentpunkte) hofft, dass es sich bereits um die Bodenbildung der Korrektur handelt. Heibels Erkenntnis aus den aktuellen Werten: „Das Handelsblatt-Sentiment ist damit auf den tiefsten Stand seit der Wahl Donald Trumps im November 2016 gefallen“.

55 Prozent der Anleger (plus 13 Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) wurden mit dieser Korrektur auf dem falschen Fuß erwischt. Ein Rekordwert seit Beginn der Umfrage im September 2014. Damit hat die Hälfte derer, die vor einer Woche noch gehofft hatten, die Korrektur gehe schnell vorbei, ihre Hoffnung über Bord geworfen. Denn kaum erfüllt sehen diese Woche nur noch 19 Prozent ihre Erwartungen – zwölf Prozentpunkte weniger als vor einer Woche. Für 18 Prozent (minus zwei Prozentpunkte) ist der Rücksetzer weiterhin im Rahmen der Erwartungen und 8 Prozent (plus ein Prozentpunkt) haben sogar darauf spekuliert. „Die Verunsicherung ist damit so groß wie nie zuvor“, erläutert der Animusx-Inhaber.

Winterschlussverkauf, beurteilen offenbar die meisten Umfrageteilnehmer die derzeitigen Kurse und sehen vom aktuell niedrigen Niveau aus die Kurse in drei Monaten deutlich höher. 37 Prozent (plus fünf Prozentpunkte) erwarten einen Aufwärtsimpuls. Eine anhaltende Abwärtsbewegung fürchten nur noch 13 Prozent (minus vier Prozentpunkte). Genauso viele erwarten dann erst eine Bodenbildung (plus vier Prozentpunkte). Auf diesem Niveau könnte der Dax erst einmal verharren, meinen 30 Prozent der Anleger (minus ein Prozentpunkt) Damit ist der Optimismus kräftig angestiegen.

Und ihrem Optimismus entsprechend will jeder Dritte (plus sechs Prozentpunkte) in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen, nur noch 13 Prozent (minus vier Prozentpunkte) wollen verkaufen. Damit ist die Investitionsbereitschaft unter den Anlegern sehr hoch. Nur 54 Prozent (minus zwei Prozentpunkte) sind derzeit noch unentschlossen.

Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart ist auf neun Punkte gesprungen. Privatanleger, die über diese Börse handeln, kaufen in diese Korrektur hinein überwiegend Long-Produkte, spekulieren also auf wieder steigende Kurse. Das Euwax-Sentiment wird anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den deutschen Leitindex berechnet.

Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, gehen etwas besonnener vor: Das Put/Call-Verhältnis ist mit 1,75 leicht überdurchschnittlich (1,5). Es werden also etwas mehr Puts zur Absicherung gekauft als Long-Spekulationen auf steigende Kurse gekauft werden.

In den USA zeigt der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Indikator“ des dortigen Marktes mit acht Prozent eine extreme Angst an. „Ich kann mich nicht erinnern, dass je zuvor so extreme Angst angezeigt wurde“, meint der Sentimentexperte. Derweil bleibt die Investitionsquote der institutionellen US-Anleger mit 57 Prozent (plus ein Prozentpunkt) extrem niedrig. „Da wartet eine Menge Anlagekapital darauf, wieder Aktien und Anleihen zu kaufen“, meint Heibel. Das Bulle/Bär Verhältnis der privaten Anleger zeigt mit zwei Prozent ein relativ ausgeglichenes Verhältnis an.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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