Dax-Umfrage Der Rally fehlt plötzlich das Sicherheitsnetz

Seit Jahresbeginn herrschte unter den Anlegern ein rekordverdächtiger Pessimismus vor, jetzt sind die Erwartungen der Börsianer aber nicht mehr so negativ. Doch die aktuelle Börsensituation ist nicht ohne Risiko.

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Quelle: Imago

Düsseldorf Die vergangene Woche war geprägt von Unsicherheit. Die Anleger warteten vor allem ab, was der „Super-Donnerstag“ bringen würde. Zuvor hatte die Entscheidung Donald Trumps, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, an der Börse für steigende Kurse gesorgt. Je näher jedoch die Wahlen in Großbritannien rückten, desto schwerer lastete die Terrorangst auf den Finanzmärkten.

Jetzt ist in Großbritannien gewählt, Ex-FBI-Chef James Comey hatte bei seiner Anhörung vor dem Senat zwar gute Argumente, aber keine Beweise. Und die EZB hält die Geldschleusen weiterhin weit geöffnet. Dadurch verschwinden allmählich die Damokles-Schwerter, die über den Finanzmärkten schwebten.

Für die Anleger bedeutet das: Die Stimmung bleibt gut, wenngleich die Seitwärtsbewegung der vergangenen Woche die gute Laune etwas zügelt. Basis für diese Börsenprognosen ist das Handelsblatt-Dax-Sentiment, eine Umfrage zur aktuellen Börsenstimmung unter mehr als 2500 Anlegern – im Börsendeutsch Sentiment genannt. Die Ergebnisse wertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx, aus und leitet daraus Vorhersagen für das weitere Geschehen auf dem Parkett ab.

Nur noch 29 Prozent (minus vier Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) sehen in der aktuellen Bewegung im Dax einen Aufwärtsimpuls. Jeder Dritte (unverändert) erkennt eine Topbildung. Ebenfalls jeder Dritte (plus fünf Prozentpunkte) wähnt den deutschen Leitindex in einer Seitwärtsbewegung.

61 Prozent der Umfrageteilnehmer (plus fünf Prozentpunkte) fühlen sich in ihrer Erwartung der Vorwoche zum größten Teil bestätigt, 13 Prozent (unverändert) haben sogar auf diese Entwicklung spekuliert. Nur jeder Fünfte sieht seine Erwartung an die Kursentwicklung der vergangenen Woche als „kaum erfüllt“ an. Fünf Prozent (minus fünf Prozentpunkte) wurden auf dem falschen Fuß erwischt.

Der Pessimismus, der seit Jahresbeginn vorherrscht, ist verflogen. Jeweils 31 Prozent gehen für die Frankfurter Benchmark in drei Monaten von einer Seitwärtsbewegung (plus drei Prozentpunkte gegenüber Vorwoche) oder einem Abwärtsimpuls (minus drei Prozentpunkte) aus. Immerhin 24 Prozent (plus drei Prozentpunkte) erwarten steigende Kurse. Heibels Fazit: „Damit landet die Erwartung endlich wieder im neutralen Bereich, weder überschwänglicher Optimismus noch überschwänglicher Pessimismus ist zu erkennen.“

Dadurch erreicht auch die Investitionsbereitschaft wieder ein besseres Niveau. Jeder Fünfte (plus ein Prozentpunkt gegenüber Vorwoche) der Umfrageteilnehmer will in den kommenden zwei Wochen Aktien kaufen, nur noch 17 Prozent (minus drei Prozentpunkte) wollen verkaufen. Mit 63 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) wollen weiterhin die meisten erst einmal abwarten.


Warum Rückschläge jetzt heftiger ausfallen könnten

Das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax ist in der vergangenen Woche ebenfalls in den neutralen Bereich zurückgekehrt – erstmals seit Anfang Februar in diesem Jahr. Der Privatanleger-Index basiert auf dem realen Handel mit Hebelprodukten auf den Dax und spiegelt das Verhalten von Privatanlegern wider. Die Entwicklung des Wertes zeigt, dass die Privatanleger in Deutschland ihre Absicherungspositionen für fallende Kurse eingedeckt und aufgelöst haben.

Auch institutionelle Anleger, die Absicherungsgeschäfte über die Frankfurter Terminbörse Eurex handeln, haben ihre Absicherungsgeschäfte auf ein normales Niveau zurückgeführt. Das Put/Call-Ratio (Verhältnis zwischen den gekauften Optionen auf fallende und auf steigende Kurse) liegt mit 1,1 unter dem Durchschnitt der vergangenen Monate, der bei 1,5 steht. Noch vor zwei Wochen stand das Put/Call-Ratio bei 2,8.

Der „Angst-und-Gier-Index“ des US-Börsenbarometers S&P 500 zeigt mit 55 Prozent weiterhin eine neutrale Verfassung der US-Aktienmärkte an. Die Investitionsquote institutioneller US-Anleger steht bei 89 Prozent. Im Vergleich zur Vorwoche ist das ein Minus von zwei Prozentpunkten. Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger ist mit 5,9 Prozent moderat positiv, aber ebenfalls weit entfernt von überschwänglichem Optimismus.

Zuletzt hatten sich Anleger eher für einen Ausverkauf positioniert. „Das Netz und der doppelte Boden sind nun entfernt“, erklärt Stephan Heibel. „Mit dem verschwundenen Pessimismus fehlt künftig das Sicherheitsnetz.“ Zur Erläuterung: Eine hohe Quote von Spekulationen auf fallende Kurse sorgt im Fall von nachgebenden Notierungen schnell für Deckungskäufe, weil Anleger dann ihre Gewinne mitnehmen. Steigen die Kurse hingegen, müssen diese Pessimisten ihre Absicherung verkaufen, um ihre Verluste zu begrenzen.

Der Sentimentexperte erwartet, dass die Zuversicht die Kurse weiter steigen lässt. „Immerhin ist ja von Euphorie noch nichts zu sehen, die Stimmung ist moderat positiv“, erklärt Heibel. Sollte es allerdings jetzt zu Störungen kommen, werden die Rückschläge durch die fehlenden Absicherungen umso heftiger ausfallen.


Am Mittwoch schauen alle auf die Fed

Joachim Goldberg, der eine ähnliche Sentimentumfrage im Auftrag der Frankfurter Börse umsetzt, erwartet eher ein Szenario ohne große Impulse für den deutschen Aktienmarkt. Der Verhaltensökonom prognostiziert allerdings, dass die Pessimisten ab 12.500 Punkten beim Dax ihre Positionen auf fallende Kurse aufgeben und Gewinne mitnehmen würden. An der Oberseite hingegen zwängen sie Dax-Stände über 13.000 Punkte zum Aufgeben und damit zu Eindeckkäufen, schrieb er in seiner Analyse vom vergangenen Mittwoch. Das könnte dann für weiter steigende Kurse sorgen.

Zumindest zum Ende der vergangenen Woche drückte sich die gute Stimmung auch im Dax aus. Der deutsche Leitindex stieg um 0,7 Prozent. Durch das Kursplus dürfte aber nur ein Teil der neuen Zuversicht in Käufe umgewandelt worden sein, erklärt Heibel: „Einen weiteren Schub erwarte ich nach der Entscheidung der US-Notenbank Fed an diesem Mittwoch gegen 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit.“ Auf den Dax hätte das erst am Donnerstag Auswirkungen.

Wie die Entscheidung der Fed ausfällt, darüber spekulieren die Experten. Nach jüngsten Daten des Fed-Barometers der Terminbörse CME taxieren Händler die Wahrscheinlichkeit auf 98 Prozent, dass die US-Notenbank auf 1,0 bis 1,25 Prozent erhöht. „Bis Mittwoch werden die möglichen Entscheidungen und Formulierungen der Fed vor dem Hintergrund der jüngsten Reden der Offenmarktausschuss-Mitglieder und Konjunkturdaten analysieren und mal zu der einen, mal zu der anderen Schlussfolgerung kommen“, erklärt Heibel. „Ich würde sagen, wir warten ab.“

Durch das Warten auf die Entscheidung der Fed erwartet Heibel, dass der Dax in den kommenden Tagen weiterhin tendenziell seitwärts laufen wird – mit leicht steigender Tendenz. „Je nach Fed-Entscheidung dürfen wir dann gegen Ende der Woche eine heftigere Reaktion in die eine oder andere Richtung erwarten“, erklärt Heibel.

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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