Dax-Umfrage „Die Zeit spielt gegen die Optimisten“

Der Dax bleibt oberhalb von 12.000 Punkten, nicht weit vom Allzeithoch entfernt. Doch die Anleger sind extrem pessimistisch und fürchten einen deutlichen Ausverkauf. Diese Diskrepanz dürfte sich bald auflösen.

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ARCHIV - Die große Anzeigetafel gibt am 30.12.2014 in Frankfurt am Main (Hessen) im Handelssaal der Börse den Verlauf des Dax bis zum Mittag wieder (Aufnahme mit Zoomeffekt). (zu dpa:

Düsseldorf Am vergangenen Montag wagte Börsenexperte Stephan Heibel die Vorhersage: „Ich erwarte nicht mehr, dass der Dax in den kommenden Tagen unter die Marke von 12.000 Punkten rutscht. „Und wenn ja, dann wäre es eine Kaufgelegenheit.“ Doch zu dieser Kaufgelegenheit kam es nicht, der Dax legte zwar in der vergangenen Handelswoche eine Verschnaufpause ein, blieb aber oberhalb dieser Marke.

Woche für Woche prognostiziert Heibel, wie der Dax sich in den kommenden Handelstagen entwickeln dürfte. Basis dafür ist die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment unter mehr als 2400 Anlegern. Der Inhaber des Analysehauses Animusx betrachtet die Ergebnisse der Erhebung über die aktuelle und die künftige Börsenentwicklung vor allem als Kontraindikatoren. Vereinfacht gesagt: Sind Anleger beispielsweise zu pessimistisch, ist das eher ein Indiz für bald steigende Kurse. Weil dann viele ihre Aktien bereits verkauft haben und neue Käufe schnell zu höheren Kursen führen.

Das aktuelle Umfrageergebnis zeigt: Schon die kleine Verschnaufpause in der Vorwoche hat zu einem heftigen Stimmungseinbruch gesorgt. Das Minus von ein Prozent im Dax mit einem Schlussstand am Freitag bei 12.109 Punkten hat jegliche gute Laune beendet. Knapp zwei Drittel der Umfrageteilnehmer betrachtet den deutschen Leitindex nun niedergeschlagen in einer Seitwärtsbewegung (plus sieben Prozentpunkte auf 41 Prozent gegenüber der Vorwoche) oder bereits in einem Abwärtsimpuls (plus zwölf Prozentpunkte auf 22 Prozent). 23 Prozent (minus neun Prozentpunkte) gehen von einer Topbildung aus. Damit ist die Stimmung unter den Anlegern deutlich ins Minus gerutscht.

Diesen leichten Rückschlag im Dax haben 45 Prozent (minus acht Prozentpunkte) so zum größten Teil erwartet, neun Prozent (minus drei Prozentpunkte) haben sogar darauf spekuliert. Kaum erfüllt haben sich hingegen die Erwartungen für 36 Prozent der Umfrageteilnehmer (plus elf Prozentpunkte), jeder Zehnte (unverändert) wurde sogar auf dem falschen Fuß erwischt. Die Selbstzufriedenheit der Anleger war schon vor einer Woche ins Minus gerutscht, nun zeigt der große Zuwachs derer, die ihre Erwartungen „kaum erfüllt“ sehen, weitere Kratzer am Selbstbewusstsein der Anleger.

Die offensichtliche Überraschung im Gesicht vieler Anleger passt nun nicht gerade zur ansteigenden Zuversicht: Jeder Fünfte (plus sechs Prozentpunkte) erwarten für den Dax in drei Monaten steigende Kurse. Doch nach wie vor gehen die meisten Anleger von einem Abwärtsimpuls im Dax in drei Monaten aus (plus ein Prozentpunkte auf 39 Prozent) während nur noch 28 Prozent (minus sechs Prozentpunkte) eine Seitwärtsbewegung erwarten. Der Pessimismus, der in den vergangenen zwei Wochen auf Rekordniveau notierte, ist diese Woche etwas verflogen, verbleibt aber mit minus 2,2 Prozent auf einem hohen Niveau.

Weiterhin 15 Prozent der Anleger wollen in den kommenden zwei Wochen nachkaufen, 23 Prozent (plus drei Prozentpunkte) wollen verkaufen. Weiterhin zwei von drei Anlegern wollen vorerst an der Seitenlinie bleiben. Die Investitionsbereitschaft ist damit weiterhin sehr gering.


US-Anleger werden langsam ängstlich

An der Stuttgarter Börse Euwax zeigen Anleger eine mäßige Absicherung. Das Euwax-Sentiment wird anhand realer Trades mit Hebelprodukten auf den Dax ermittelt. Die großen Absicherungspositionen wurden in die rückläufigen Kurse vergangener Woche teilweise aufgelöst. Doch nach wie vor halten Privatanleger an der Euwax starke Absicherungspositionen.

Auch die Profis, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex vor Kursverlusten absichern, haben derzeit große Put-Positionen. Diese Produkte steigen an Wert, wenn die Kurse fallen. Anders als die Privatanleger haben Profis ihre Absicherungspositionen diese Woche noch ausgeweitet.

In den USA zeigt der technische „Angst und Gier Index“ des S&P 500 mit 28 Prozent Angst an und liegt nur drei Prozentpunkte über dem Wert „extreme Angst“ (25 Prozent und weniger). Auch in den USA zeigt das Put/Call-Ratio großes Volumen bei Absicherungsgeschäften an. Institutionelle Anleger haben ihre Investitionsquote von 67 Prozent auf nunmehr 87 Prozent hochgefahren. Es wurden also Positionen eingegangen, gleichzeitig hat man sich jedoch stärker abgesichert. Privatanleger haben ihre pessimistische Erwartung der Vorwoche nur leicht nach oben korrigiert.

„Kann man von Euphorie sprechen, wenn schon bei dem kleinsten Schluckauf an den Aktienmärkten sofort die Feierlaune verpufft?“, fragt Heibel rhetorisch und schiebt die Antwort nach: „ Nein, von Euphorie sind wir, wie ich in den vergangenen Wochen wiederholt ausgeführt habe, noch weit entfernt.“ Auf der anderen Seite bleibe der Pessimismus groß, jetzt, nachdem der Dax an seinem Allzeithoch abgeprallt ist.

Euphorie unter den Anlegern gilt als Kontraindikator. Sind Anleger zu euphorisch, ist das eher ein Indiz für bald fallende Kurse. Weil viele Investoren bereits Aktien gekauft haben und bei fallenden Kurse es nur noch wenige gibt, die kaufen können.

„Trotz gescheiterter Rally und eingeläuteter Korrektur erfolgte bislang kein Ausverkauf“, erinnert der Sentimentexperte. Noch würden viele Anleger die leicht zurückgekommenen Kurse nutzen, um endlich in ihre Lieblingsaktien einzusteigen.


Zeit ist ein kritischer Faktor

Auch Joachim Goldberg, der eine ähnliche Stimmungsumfrage unter Anleger für die Börse Frankfurt erhebt, zeigt sich optimistisch. Für ihn ist erneut die Schere zwischen der stabilen Kursentwicklung und der pessimistischen Haltung wieder aufgegangen. Der Dax hat im betrachteten Zeitraum bis Mittwoch vergangener Woche 60 Punkte zugelegt und kam im Verlauf sehr nahe an sein bisheriges Rekordniveau heran, allerdings ohne es zu reißen. Eine ähnliche Lage – negative Stimmung und stabile Daxnotierung – herrschte auch Anfang Februar dieses Jahres. Das Ergebnis: Die Frankfurter Benchmark stieg von 11.400 auf 12.370 Punkte. So lautet das Fazit von Goldberg nach der aktuellen Umfrage: „per Saldo mehr Aufwärtspotential für den Dax.“

Für Heibel ist die Zeit aber ein kritischer Faktor. Denn damit ändert sich die Stimmungslage langsam ändern soll, wäre es an der Zeit, den Ausbruch über das Allzeithoch endlich zu vollziehen. Das würde anschließend die derzeit stark abgesicherten Anleger zu Deckungskäufen zwingen und die nicht investierten Anleger zum Kaufen bewegen.

Doch je länger dieser Ausbruch über das Allzeithoch auf sich warten lasse, desto eher käme es zu folgendem Szenario: mehr Absicherungspositionen würden aufgelöst und mehr Aktien gekauft. Dann würde die Rally deutlich schwächer ausfallen.

Bleibe der Ausbruch nach oben noch eine Weile aus und bewege sich der Dax um die 12.000 Punkte herum, so würden sich viele Anleger endlich mit Aktien eindecken. „Dann wird es später schwer, den Dax überhaupt noch über das Allzeithoch zu hieven“.

Für den Animusx-Inhaber ist klar: „Die Zeit spielt derzeit gegen die Optimisten.“ Je länger auf den Ausbruch nach oben gewartet werden müsse, desto gefährlicher werde es am Markt. Schließlich sei dann irgendwann auch ein Ausverkauf deutlich unter 12.000 Punkte möglich.

„Noch ist es nicht soweit, dass wir einen Ausverkauf fürchten müssen“, beruhigt Heibel. „Ich gehe davon aus, dass die Quartalszahlen, die wir nun zum abgelaufenen ersten Quartal erhalten, maßgeblichen Einfluss auf die nächste Stimmungsentwicklung haben werden.“

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist

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