Dax-Umfrage „Ein Ende der Korrektur ist noch nicht absehbar“

Nach dem Kurseinbruch ist die Laune der Anleger heftig eingebrochen. Die Stimmung ist fast so schlecht wie nach dem Brexit-Votum. Damals begann nach einigen Tagen eine rasante Rally. Wiederholt sich dieses Szenario?

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ARCHIV - Ein Teil der Dax-Kurve ist am 16.09.2016 auf dem Parkett der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main (Hessen) auf einer Anzeigetafel zu sehen. Foto: Arne Dedert/dpa (zu

Düsseldorf Für regelmäßige Leser der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment kam der Kursrutsch der vergangenen Handelswoche nicht überraschend. Denn in den vergangenen drei Wochen hatte sich das Sicherheitsnetz aufgelöst, das die Anleger in den ersten fünf Monaten des Jahres noch vor größeren Kursverlusten bewahrt hatte. Darauf wies Börsenexperte Stephan Heibel, der die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage unter mehr als 2.500 Anlegern analysiert, mehrfach hin.

Sicherheitsnetz bedeutet, dass Anleger sich stets vor fallenden Kursen abgesichert und manche sogar darauf spekuliert hatten. Aus Sicht der Sentiment-Analyse verhindern solche Investments höhere Minuszeichen, weil diese Anleger bei fallenden Kursen schnell ihre Gewinne realisieren und damit den Markt stützen.

Doch diese Absicherungen und Short-Spekulationen wurden in den vergangenen drei Wochen aufgelöst, der Dax verlor in der vergangenen Woche 3,2 Prozent. Als Folge ist die Laune der Anleger so stark umgeschlagen wie zuletzt nach dem überraschenden Wahlsieg Donald Trumps oder nach dem überraschenden Brexit-Votum.

Das Lager der Niedergeschlagenen, die den Dax in einem Abwärtstrend sehen, ist um 36 Prozentpunkte auf 48 Prozent gewachsen. Zulauf bekam das Lager diese Woche von den ehemals gut gelaunten Anlegern (Aufwärtstrend, gegenüber der Vorwoche ging es von minus elf auf plus vier Prozent rauf) sowie von den Neutralen (Seitwärtstrend, von minus 16 Prozent auf 30 Prozent). Auch eine Topbildung im Dax sehen derzeit nur noch elf Prozent der Umfrageteilnehmer (minus 14 Prozentpunkte). Damit ist das Dax-Sentiment binnen weniger Tage auf den Extremwert von minus 4,4 Prozent gefallen.

Zur Einordnung: Nach dem Wahlsieg von Donald Trump als US-Präsident wurden minus 4,6 Prozent erreicht, nach dem Brexit-Votum sogar minus 5,5 Prozent. In beiden Fällen gab es anschließend eine Rally am deutschen Aktienmarkt. Wiederholt sich dieses Szenario?


Die wichtigen Marken beim Dax

„Wir dürfen gespannt sein, ob der Dax in den kommenden Tagen die 12.377 Punkte nachhaltig unterschreitet“, meint Sentiment-Experte Stephan Heibel. Seiner Ansicht nach gebe es weitere, tiefere Unterstützungen für den Dax, jeweils in 500-Punkte-Schritten: Bei 12.000, bei 11.500 und dann erst wieder bei 10.800 Zählern.

Die aktuelle Marke von 12.377 Zählern ist aus Sicht der Charttechnik so wichtig, weil im Frühjahr 2015 der wichtigste deutsche Index, der Dax, dort sein damaliges Allzeithoch markiert hatte. „Ein Test dieser Marke wäre also charttechnisch durchaus möglich und würde bedeuten, dass die Korrektur bereits ihren Boden gefunden hat“, erläutert Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Der Umstand, dass der Dax am Freitagabend unter diese Marke gerutscht war, könnte noch als „Fehlsignal“ durchgehen, wenn diese Marke am heutigen Montag nicht erneut unterschritten werde.

Seiner Meinung nach bedeutet der Kursrutsch noch lange nicht, dass die Dax-Rally damit endet. „Im Gegenteil, solche Korrekturen sind gesund und können als Basis für den nächsten Schub der Rally gesehen werden“, meint Heibel.

Der Sentiment-Experte ist für die weitere Kursentwicklung an den Börsen „ziemlich bullisch gestimmt“. Doch er schränkt ein: „Die gestiegene Volatilität an den Märkten führt dazu, dass ich Stopp-Marken im Auge behalte und konsequent umsetzen werde, um mögliche Verlust zu begrenzen.“ Denn wie stark die Verschnaufpause, der Rückschlag oder die Korrektur ausfallen werden, das sei derzeit noch nicht absehbar.

Das aktuelle Umfrageergebnis zeigt weiter: Einen Absturz unter 12.500 Punkte hatten die wenigsten Teilnehmer der Umfrage auf dem Schirm gehabt. Nur noch jeder Dritte (minus 21 Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche) sah seine Erwartungen an das Handelsergebnis der Vorwoche zum größten Teil bestätigt, weitere neun Prozent haben (minus zwei Prozentpunkte) sogar auf den Absturz spekuliert (Erwartungen vollständig erfüllt).

Jeder Dritte (plus drei Prozentpunkte) sieht seine Erwartungen als kaum erfüllt an, doch jeder Vierte (plus 19 Prozentpunkte) wurde mit diesem Kurseinbruch auf dem falschen Fuß erwischt (Erwartungen an die Vorwoche überhaupt nicht erfüllt). Heibels Fazit: „Die Selbstzufriedenheit, die trotz der Dax-Rally in den vergangenen Wochen nur im neutralen Bereich pendelte, ist auf ein extrem niedriges Niveau gefallen. Anleger sind verunsichert!“


An schwachen Handelstagen kaufen?

Mit dem Rutsch unter 12.500 Punkte soll es das aber auch gewesen sein, denken sich offensichtlich viele Anleger. Denn für das deutsche Börsenbarometer erwarten sie in drei Monaten eine Seitwärtsbewegung (plus vier Prozentpunkte auf 34 Prozent) oder vielleicht sogar steigende Kurse (plus ein Prozent auf 23 Prozent). Nur jeder Vierte (minus sieben Prozentpunkte) fürchtet weiter fallende Kurse, hingegen gehen 16 Prozent (plus acht Prozentpunkte) von einer Bodenbildung aus. Nur zum Jahresanfang waren die Erwartungen so wenig eingetrübt wie heute, in den vergangenen sechs Monaten dominierte noch der Pessimismus.

Entsprechend wollen nun viele Anleger die niedrigen Kurse zum Kaufen nutzen. 24 Prozent (plus neun Prozentpunkte) planen in den kommenden zwei Wochen Aktienkäufe, 18 Prozent (minus zwei Prozentpunkte) wollen verkaufen. Mit 58 Prozent (minus sieben Prozentpunkte) bleiben die meisten aber weiterhin an der Seitenlinie und warten ab.

Ein ähnliches Signal wie das Ergebnis der Handelsblatt-Umfrage liefert auch der Sentiment-Index der Stuttgarter Börse Euwax: Die dort handelnden Privatanleger setzen auf steigende Kurse. Mit einem Sprung auf 5,75 Punkte steht deren Optimismus heute auf dem höchsten Stand seit Jahresbeginn. Institutionelle Anleger hingegen, die an der Frankfurter Terminbörse Eurex handeln, sind zurückhaltender. Mit einem Wert von 1,2 notiert das Put/Call-Verhältnis nur leicht im optimistischen Bereich.

In den USA werden diese Kapriolen kaum nachvollzogen: Der auf technischen Marktdaten basierende „Angst-und-Gier-Index“ des US-Börsenbarometers S&P 500 notiert mit 47 Prozent im neutralen Bereich. Die Investitionsquote der institutionellen Anleger ist mit 97 Prozent weiter leicht angestiegen und notiert nun nahe den Höchstwerten. Privatanleger sind mit einer Bulle/Bar-Quote von 2,86 Prozent nur leicht optimistisch gestimmt.

„Wir befinden uns in einem Bullenmarkt und da sind Verschnaufpausen, Rückschläge und auch heftige Korrekturen nichts Ungewöhnliches“, erläutert Heibel die aktuelle Börsensituation. Ungewöhnlich sei hingegen die relativ korrekturarme Rally seit dem Brexit-Votum vor einem Jahr gewesen. Der Dax ist seitdem ohne größere Rückschläge von 9.250 auf 12.889 Punkte gestürmt, ein Plus von 39 Prozent.

Das Ergebnis der aktuellen Umfrage zeige: Der starke Einbruch im Sentiment bei gleichzeitig moderat ansteigender Zuversicht sei eine solide Basis für eine baldige Fortsetzung der Rally. „Die Frage, die mir meine Kunden stellen, lautet: Sollte man gute Börsentage zum Verkleinern der Positionen nutzen oder schwache Tage zum Aufstocken?“, sagt Heibel. Für ihn steht fest: „ Aus Sicht der Sentiment-Theorie ist die Antwort eindeutig: Schwache Tage sollten zum Kauf genutzt werden.“

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

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