Dax-Umfrage Pessimismus vor den Sommer-Kapriolen

Nach einem kurzem Hoch in der vergangenen Woche ist die Anlegerstimmung wieder schlechter geworden. Sollte es deshalb bald zu Ausverkäufen kommen, könnte es wegen fehlender Absicherungen nach unten gehen – ungebremst.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine mächtige Gewitterzelle zieht am Montag (18.06.2012) über eine Landstraße nahe dem brandenburgischen Lietzen (Märkisch-Oderland). Schwere Gewitter mit Sturm, Regen und Hagel sind am frühen Abend über weite Teile von Berlin und Brandenburg gezogen. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Düsseldorf Hinter dem Dax liegt eine aufregende Woche. Am vergangenen Montag belastete der Ausverkauf der Technologieaktien in den USA die Märkte. In Erwartung der Zinsanhebung durch die US-Notenbank Fed erholten sich die Märkte bis Mittwoch, um im Anschluss erneut nachzugeben – von Mittwochnachmittag bis Donnerstagvormittag verlor der Dax in der Spitze 2,2 Prozent. Doch am Freitag schwang er sich zu einem Allzeithoch auf.

Diese Kursschwankungen sind die Bestätigung für die Analyse des Börsenexperten Stephan Heibel aus der Vorwoche. Heibel hatte das Handelsblatt-Dax-Sentiment dahingehend interpretiert, dass nun das Sicherheitsnetz fehle, um heftige Ausverkäufe zu verhindern. Die Anleger hatten in der optimistischeren Stimmung der vergangenen Wochen ihre Absicherungspositionen für fallende Kurse aufgelöst, nachdem sie sich zuvor eher für einen Ausverkauf positioniert hatten.

Basis für diese Börsenprognosen ist das Handelsblatt-Dax-Sentiment, eine Umfrage zur aktuellen Börsenstimmung unter mehr als 2500 Anlegern – im Börsendeutsch Sentiment genannt. Die Ergebnisse wertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx, aus und leitet daraus Vorhersagen für das weitere Geschehen auf dem Parkett ab.

In der aktuellen Umfrage wird laut Heibel deutlich, dass die gute Laune der Vorwoche verflogen ist. Gleichzeitig gebe aktuell kaum Absicherungspositionen. „Das deutet für mich darauf hin, dass viele Anleger tatsächlich ihre Positionen aufgelöst haben und sich von den erwarteten Kurskapriolen in diesem Sommer verabschieden“, sagt der Sentimentexperte. Der Markt werde wieder pessimistischer, allerdings könne das aufgelöste Sicherheitsnetz nicht so schnell wieder eingezogen werden.

„In dieser Situation kann die Börse weiterhin in beide Richtungen laufen“, sagt Heibel. Beginnen die Kurse zu steigen, gibt es eine Reihe von Anlegern, die nicht dabei wären. Die verspäteten Käufe würden die Rally dann zusätzlich anheizen. Beginnen die Kurse hingegen zu sinken, fehlten Shorteindeckungen und Überzeugungskäufer, um den Kursverfall frühzeitig aufzuhalten.


Wie sich die Kauflaune entwickelt

Nur noch 15 Prozent der Befragten gehen in der aktuellen Umfragen von einem Aufwärtsimpuls aus – 14 Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Stattdessen betrachten jetzt mit 42 Prozent die meisten Anleger die aktuelle Dax-Entwicklung als Seitwärtsbewegung. Acht Prozentpunkte mehr als in der Vorwoche. Immerhin zwölf Prozent (plus acht Prozent) wollen schon einen Abwärtsimpuls erkennen. Die Stimmung ist also neutral.

Das könnte auch daran liegen, dass die Selbstzufriedenheit der Anleger deutliche Kratzer erhalten hat: Nur noch gut die Hälfte der Befragten (51 Prozent) gab an, die Dax-Entwicklung der vergangenen Woche so oder zum größten Teil erwartet zu haben. Vor Wochenfrist behaupteten das noch 61 Prozent von sich. Nur noch zehn Prozent (minus drei Prozentpunkte) haben voll und ganz richtig spekuliert. Dagegen wurden die Erwartungen von 29 Prozent (plus neun Prozentpunkte) kaum erfüllt und weitere zehn Prozent (plus vier Prozentpunkte) wurden gar auf dem falschen Fuß erwischt.

Da verwundert es nicht, dass die Befragten wieder pessimistischer sind: Jeweils 33 Prozent rechnen mit einer Seitwärtsbewegung oder fallenden Preisen. Dahingegen erwarten nur noch 20 Prozent (minus vier Prozentpunkte) für den Dax in drei Monaten steigende Preise.

Trübe Aussichten, die sich auch auf die Kauflaune auswirken: Nur 14 Prozent der Befragten sagen, dass sie in den kommenden zwei Wochen ihre Aktienposten aufstocken wollen. Vor einer Woche waren es noch 19 Prozent gewesen. Die Zahl derer, die ihre Aktien verkaufen wollen, ist von 18 auf 23 Prozent gestiegen. Der deutlich überwiegende Teil (63 Prozent) will jedoch vorerst weiter abwarten.

Das Sentiment der Stuttgarter Börse Euwax hat sich in der vergangenen Woche kaum verändert und notiert im neutralen Bereich. Der Privatanleger-Index basiert auf dem realen Handel mit Hebelprodukten auf den Dax und spiegelt das Verhalten von Privatanlegern wider. Die Entwicklung des Wertes zeigt, dass die Anleger sich weder bullisch noch bärisch positioniert haben.


Was der Experte im Sommer erwartet

Auch institutionelle Anleger, die Absicherungsgeschäfte über die Frankfurter Terminbörse Eurex handeln, halten ihre neutrale Haltung bei, wie die Put-Call-Ratio zeigt. Diese spiegelt das Verhältnis zwischen den gehandelten Verkaufs- und Kaufoptionen wider und liegt mit 1,1 unter dem Durchschnitt der vergangenen Wochen, der bei 1,4 steht.

Der „Angst-und-Gier-Index“ des US-Börsenbarometers S&P 500 zeigt mit 52 Prozent weiterhin eine neutrale Marktverfassung an. Die Investitionsquote der institutionellen US-Anleger steht mit 92,5 Prozent nur leicht höher als in der Vorwoche (plus 3,5 Prozent). Damit ist die Investitionsquote weiterhin verhältnismäßig hoch. Der Bulle/Bär-Index der US-Privatanleger ist mit 2,8 Prozent ebenfalls neutral.

Für die kommende Woche sieht Börsenexperte Heibel keine planbaren Ereignisse auf der Tagesordnung: Die Wahlen in Frankreich und England sind vorbei, bis zu den Bundestagswahlen ist es noch hin. EZB und Fed haben ihre letzten Stellungnahmen vor dem Sommerloch getätigt. Dax und Dow Jones notieren dieses Jahr bereits knapp zehn Prozent im Plus, ermutigende Konjunkturdaten aus Europa und den Schwellenländern unterstützen diese Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund sagt Heibel: „Vielleicht ist es wirklich angebracht, sich auf einen schönen Sommer einzustellen, ohne sich vom täglichen Auf und Ab der Börse die Laune verderben zu lassen.“

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%