Dax-Umfrage Vertrauen in Kursgewinne schwindet

Der deutsche Leitindex verlor weniger als ein Prozent – doch unter den Anlegern herrscht fast Weltuntergangsstimmung. Der Pessimismus erreicht einen neuen Rekordwert. Was das für die kommenden Handelstage bedeutet.

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A board displays the logo of the German share index DAX at the stock exchange in Frankfurt am Main, western Germany, on January 26, 2015, one day after general elections in Greece won by the anti-austerity party Syriza. AFP PHOTO / DANIEL ROLAND Quelle: AFP

Düsseldorf Vor einer Woche gab sich Börsenexperte Stephan Heibel vorsichtig optimistisch: Er glaubte, dass der Dax ein neues Allzeithoch markieren wird. „Doch dann ist es an der Zeit, eine Verschnaufpause einzulegen: Ein paar Gewinne sichern, neu ordnen und erst anschließend entscheiden, wie man sich weiterhin am Aktienmarkt positioniert“, sagte er am vergangenen Montag.

Einen neuen Rekordwert verpasste das deutsche Börsenbarometer allerdings um 15 Punkte. Statt 12.390 Zähler, der aktuelle Intraday-Höchststand, erreichte die Frankfurter Benchmark nur 12.375 Punkte. Diese Notierung entspricht aber dem bisher höchsten Schlussstand an einem Handelstag. Die Korrektur aber setzte ein, der Dax verlor in der vergangenen Handelswoche 0,7 Prozent.

Der Verlauf der vergangenen Handelstage hat bei Heibel für ein Umdenken gesorgt. „Die als mehr als moderat zu bezeichnende Konsolidierung stimmt mich wieder ziemlich bullisch“, betont er. „Wenn die Bären nicht einmal nach dem Erreichen des Allzeit-Schlusshochs eine Korrektur in Höhe von einem Prozent schaffen, dann sind sie ziemlich schwach auf der Brust.“

Basis für diese Markteinschätzungen ist die wöchentliche Handelsblatt-Umfrage unter mehr als 2.400 Anlegern. Sie werden zur aktuellen Marktlage und ihren Erwartungen zur Kursentwicklung befragt. Die Ergebnisse bewertet anschließend der Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung bieten Orientierung für die Geldanlage.

Der Sentimentexperte hat seine optimistische Einstellung während der Invest in Stuttgart begründet, der größten Anlegermesse Deutschlands. Vor einer Woche verzeichnete die Handelsblatt-Umfrage den größten Pessimismus unter Anlegern, der jemals gemessen wurde. Gleichzeitig verharrte die Stimmung auf einem hohen Niveau, nahe an Euphorie.

„Euphorie alleine reicht nicht aus, um als Kontraindikator für einen Ausverkauf zu rechtfertigen“, erläutert der Experte. Steigende Kurse würden automatisch gute Laune nach sich ziehen. Aktuell sorge jedoch der große Pessimismus über die künftige Börsenentwicklung dafür, dass ein heftiger Ausverkauf vermieden wird.


Extrem gedämpfte Kauflaune

Sein Optimismus steht im Gegensatz zu anderen Sentimentexperten. So sieht Patrick Hussy, Geschäftsführer des Forschungsunternehmens Sentix, für den Dax die Gefahr einer kurzfristigen Korrektur um fünf bis zehn Prozent. „Das Vertrauen in Aktien schwindet“, stellt er fest und verweist darauf, dass US-Präsident Donald Trump als Treiber von Konjunkturerwartungen und Aktienkursen erst einmal an Wirkung verloren habe.

Laut den aktuellen Ergebnissen der Handelsblatt-Umfrage hat sich die Stimmung tatsächlich deutlich eingetrübt. Jeder Vierte hat seine gute Laune abgelegt. Der große Teil von ihnen ist in das Lager derer gewechselt, die den Dax nunmehr in einer Seitwärtsbewegung sehen (plus 16 Prozentpunkte auf 33 Prozent) oder bereits von einem Abwärtsimpuls ausgehen (plus acht Prozentpunkte auf zehn Prozent). Doch weiterhin sehen 23 Prozent in der Entwicklung dieser Woche noch nicht das Ende des Aufwärtsimpulses, jeder Dritte geht von einer Topbildung aus. Das Fazit der aktuellen Stimmung: Sie hat sich in dieser Woche deutlich eingetrübt und notiert aktuell im positiv neutralen Bereich.

Einige Bullen hatten an eine Fortführung der Rally geglaubt. So geben nur noch 53 Prozent (plus ein Prozentpunkt) der Umfrageteilnehmer an, die Entwicklung dieser Woche zum größten Teil erwartet zu haben, weitere zwölf Prozent (minus zehn Prozentpunkte) haben darauf sogar spekuliert. Gut jeder Vierte (plus acht Prozentpunkte) hingegen gibt an, dass sich seine Erwartungen kaum erfüllt haben. Jeder Zehnte (unverändert) wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Damit ist die Selbstzufriedenheit der Anleger schon wieder negativ, Anleger sind überwiegend unzufrieden mit ihren Anlageentscheidungen beziehungsweise mit ihrer Positionierung.

Auch die mittelfristigen Erwartungen der Anleger haben sich weiter eingetrübt: Der Pessimismus erreicht diese Woche einen neuen Rekordwert. Nur 14 Prozent (minus drei Prozentpunkte) erwarten für den Dax in drei Monaten steigende Kurse, 38 Prozent (unverändert) hingegen fürchten fallende Notierungen. Gut ein Drittel der Anleger (plus fünf Prozentpunkte) glaubt an eine Seitwärtsbewegung in drei Monaten.

Jetzt, wo der Dax sein Allzeit-Schlusshoch touchiert hat, möchten nur noch 15 Prozent (minus vier Prozentpunkte) in den kommenden zwei Wochen Aktien zukaufen; unverändert 19 Prozent hingegen planen zu verkaufen. Mit 65 Prozent (plus vier Prozentpunkte) bleiben aber die meisten weiterhin an der Seitenlinie. Die Investitionsbereitschaft ist damit auf einem extrem niedrigen Niveau.


Profis setzen verstärkt auf fallende Kurse

Ein Blick auf weitere Indikatoren zeigt: An der Stuttgarter Börse Euwax haben Privatanleger diese Woche ihre Short-Absicherungen verkleinert, dennoch verbleibt die Absicherungsquote auf einem hohen Niveau. Das zeigt das Euwax-Sentiment an, welches anhand von realen Trades mit Hebelprodukten auf den Dax ermittelt wird.

Mit dem Erreichen des Allzeit-Schlusshochs im deutschen Börsenbarometer haben auch die Profis über die Frankfurter Terminbörse Eurex ihre sogenannten Put-Positionen hochgefahren, mit denen sie auf fallende Kurse spekulieren oder ihr Portfolio vor Verlusten schützen wollen. „Wenn ich mir die Extremwerte der Vorwoche anschaue, dann kann ich eine extrem schnelle Reaktion der Anleger feststellen: Rasch wurden nun von den zuvor schwach abgesicherten Profis Short-Positionen aufgebaut, Privatanleger haben wiederum ihre Short-Positionen sehr schnell aufgelöst.“ Die unterschiedliche Positionierung zwischen den Privaten und Profis ist somit aufgehoben.

In den USA zeigt der „technische Angst-und-Gier Index“ des S&P 500 mit 43 Prozent mittlerweile leichte Angst an. Die Investitionsquote der US-Profis ist mit 67 Prozent weiterhin sehr defensiv. US-Privatanleger werden diese Woche vorsichtiger, der Bulle/Bär-Index notiert mit minus 11,3 Prozent im deutlich negativen Bereich. Dieses Niveau ist noch nicht zu vergleichen mit dem extremen Pessimismus in Deutschland. Doch der extreme Optimismus, der unmittelbar nach dem Wahlsieg Donald Trumps zu verzeichnen war, ist nun verflogen.

„Ich weiß nicht, in welche Richtung der Dax als nächstes laufen könnte“, erläutert der Sentimentexperte. Seine beiden Szenarien: Überspringt der deutsche Leitindex sein bisheriges Intraday-Allzeithoch bei 12.390 Punkten, dann dürften viele Anleger unter Zugzwang geraten. Absicherungspositionen müssten durch Käufe aufgelöst werden, zu gering investierte Anleger müssten in die steigenden Kurse hinein ihre Positionen aufstocken. „Die Rally, die sich dann ergeben könnte, dürfte meiner Einschätzung nach heftig ausfallen.“ Das sehen andere Experten auch so: „Ein deutliches Überschreiten der 12.400er Marke würde die Pessimisten in Zugzwang bringen, weil Skepsis in diesem Falle kaum mehr hoffähig wäre“, sagt beispielsweise Anlage-Experte Joachim Goldberg von der Beratungsfirma Goldberg & Goldberg.

Auf der anderen Seite ist der Pessimismus so groß, dass in fallende Kurse hinein immer weitere Verkäufe erfolgen könnten. Doch Pessimisten können keinen Ausverkauf initiieren, denn sie sind ja bereits für fallende Kurse (short) positioniert. Heibels Fazit für das zweite Szenario: „Ein entsprechender Ausverkauf würde schnell auslaufen“.

Für ihn lautet das beste Argument der Bären derzeit: Nach den heftigen Kursanstiegen der vergangenen Monaten ist eine deutliche Korrektur mehr als fällig. Aus Sicht der Sentimentanalyse ist das eher ein Kontraindikator. Gerade weil so viele Anleger auf solch eine Korrektur warten und noch mehr Anleger sich sogar schon durch Absicherungspositionen darauf vorbereitet haben. „Ich erwarte nicht mehr, dass der Dax in den kommenden Tagen unter die Marke von 12.000 Punkten rutscht“, erläutert Heibel. „Und wenn ja, dann wäre es eine Kaufgelegenheit.“

Die Handelsblatt-Umfrage startet jeden Freitag und endet am Sonntag. Die Auswertung lesen Sie tags darauf auf Handelsblatt Online. Einfacher haben es Leser, die sich für eine kostenlose Erinnerungsmail eintragen. Sie erhalten automatisch eine Mail mit der Bitte, an der Umfrage teilzunehmen, und eine, wenn die Experten-Auswertung auf Handelsblatt Online zu lesen ist

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