Die Meldungen von einer möglichen Schwäche der US-Wirtschaft treffen die Aktienmärkte in einer schwierigen Situation. Das gilt für die Signale der Abschwächung aus China und die mögliche Eintrübung in Deutschland, wie es zuletzt der abdriftende Ifo-Index signalisiert hat.
Bisher haben die meisten Anleger zwar die Probleme um die Schuldenkrise (zuletzt vor allem die Verschärfung in Spanien und das politische Gezerre um die Regierungsbildung in Griechenland) auf der Rechnung; dennoch ist die Mehrheit von einer insgesamt guten konjunkturellen Entwicklung ausgegangen. Selbst wenn es derzeit einige schwächere Monate geben könnte, so waren die Erwartungen für das zweite Halbjahr und erst recht für 2013 durchaus optimistisch. Das spiegelt sich in den bisherigen Gewinnprognosen für 2013 wider. Sie gehen davon aus, dass die Unternehmen in Deutschland ihre Gewinne 2012 und in den Folgejahren mit deutlich zweistelligen Prozenten erhöhen. So gesehen waren die meisten großen Aktienmärkte auch keineswegs zu teuer.
Im Zuge einer stärkeren Konjunktureintrübung ist eine Herabsetzung der bisher zu optimistischen Prognosen allerdings wahrscheinlich. Für Anleger dürfte das erhebliche Konsequenzen haben, wie eine Hochrechnung für den Dax zeigt: Die durchschnittlichen Gewinnschätzungen liegen, auf den Index hochgerechnet, aktuell für das Jahr 2012 bei etwa 690 Euro. Danach hätte der Dax bei einem Stand von 6000 Punkten etwa eine neunfache Gewinnbewertung. Das wäre zwar noch nicht extrem billig, aber durchaus günstig.
Börse Frankfurt am Mittag
Darin unterstellt sind allerdings gut 20 Prozent Gewinnplus. Wenn dieser Zuwachs nun aber wegen der schwachen Konjunktur nicht erreicht wird und die Erträge nur stagnieren, könnten es – grob gerechnet –nur um die 500 Euro Gewinn werden. Auch das wäre wirtschaftlich noch keine Katastrophe, würde aber im Dax schon bei einer zehnfachen Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis 2012) nur noch ein faires Kursniveau um 5000 Punkte rechtfertigen. Da Märkte natürlich nicht „fair“ sind, sondern in der Regel in beiden Richtungen übertreiben, können die Kursausschläge sogar noch größer ausfallen.
Fazit zur Tendenz an den Aktienmärkten
Dow Jones, EuroStoxx, Dax – alle großen Märkte sind schwer angeschlagen. Charttechnisch sind wichtige Unterstützungen gerissen (im Dax das Niveau um 6200), von fundamentaler Seite drohen Konjunkturrisiken und zurückgestutzte Prognosen.
Wo genau die Märkte kurzfristig ihre Tiefpunkte bilden, kann niemand mit Sicherheit sagen. Die hohe Dynamik der bisherigen Abwärtsbewegung und die tiefe Verunsicherung der Anleger sind Zeichen dafür, dass trotz der bisherigen Kursverluste noch erhebliche weitere Risiken bestehen.
Tipps für die nächsten kritischen Wochen
Erstens: Sicherheit ist oberstes Gebot
Die Zeiten, in denen Anleger wegen ein oder zwei Prozentpunkten Mehrgewinn kaufen oder verkaufen, sind vorbei. Der aktuelle Krisenmix (Schulden, Euro, Konjunktur) ist so tiefgreifend, dass es zunächst darum geht, die nächsten Wochen mit möglichst geringen Verlusten zu überstehen.
Bei den Aktien wird es zunächst die Verlierer der vergangenen Wochen weiter treffen. Bank- und Finanzwerte leiden unter erhöhten Abschreibungsrisiken, Zykliker unter der Eintrübung der Konjunktur. Jetzt schon mit solchen Papieren gegenhalten? Es ist zwar möglich, dass es nach den bisherigen Kurseinbrüchen zu schnellen, kurzen Erholungen kommt. Doch da die Märkte mittelfristig erheblich angeschlagen sind, sind solche Papiere für Anleger noch zu riskant.
Auch defensive Aktien können problematisch werden, zumindest kurzfristig. Das sind die Aktien von Unternehmen, die wenig oder gar nicht von Konjunkturschwankungen abhängen. Vor allem aus den Branchen Nahrungs- und Genussmittel oder Pharma. Klassiker sind dabei etwa Nestle, BAT (Zigaretten) oder Pfizer. In der Tat haben sich diese Papiere bisher vergleichsweise gut gehalten, und unterm Strich dürften sie die aktuelle Krise auch besser überstehen als konjunktursensible Werte (Stahl, Auto, Maschinenbau) oder die gebeutelten Finanzaktien. Dennoch droht auch hier die Gefahr von Kursrückgängen, wenn Anleger diese Papiere aus Liquiditätsnot verkaufen müssen.
Zweitens: Beweglich bleiben, Liquidität zählt
Jetzt noch an schwachen Tagen Aktien über Bord werfen, ist wenig sinnvoll. Auch in der schärfsten Baisse gibt es Zwischenerholungen. So könnte der Dax etwa bei einem Fall auf 5800 sich in wenigen Tagen wieder bis 6100 oder 6200 erholen. Solche Tage eignen sich dann für Teilverkäufe.
Auch wenn das Ende des Kurssturzes noch nicht absehbar ist, hat man damit wenigstens die Chance, auf tieferem Niveau dann wieder interessante Werte einzusammeln. Übrigens: Wenn Sie Geld auf dem laufenden Konto oder dem Wertpapierkonto ansammeln – achten Sie auf darauf, dass Ihr Geld bei einer sicheren Bank ist.
Wer ein Gefühl für die kurzfristigen Schwankungen an den Märkten hat, kann sich natürlich auch an aktive Absicherungsstrategien wagen. Das Problem dabei: Ist der Unfall schon eingetreten – wie aktuell an den Börsen – ist eine Versicherung sehr teuer. So gesehen rentieren sich Absicherungsstrategien nur nach einer Zwischenerholung. Die WirtschaftsWoche hatte bereits vor einer Woche Zertifikate für die Dax-Absicherung empfohlen. Das Bonus-Reverse-Zertifikat liegt bereits knapp acht Prozent im Plus, die Verkaufsoption für die drohende Dax-Baisse sogar knapp 22 Prozent. Beide Papiere sind noch immer grundsätzlich für eine Absicherung geeignet.
Exotische Länder vermeiden
Drittens: Alternativen prüfen
Anleihen sind derzeit die großen Gewinner des Börsencrashs. Allerdings gilt das vor allem für Anleihen sicherer Gläubigerländer. Vermeiden Sie exotische Länder, konzentrieren Sie sich vor allem auf Bunds oder US-Staatsanleihen (die man durchaus in Deutschland handeln kann).
Achtung: Kommt es zu Zwischenerholungen am Aktienmarkt, werden die Zinsen ebenfalls steigen und die Kurse der Anleihen wieder nachgeben. Wem das zu riskant ist, der parkt sein Geld lieber auf dem Tagesgeldkonto (einer sicheren Bank).
Unternehmensanleihen sind zweischneidig. Je sicherer die Unternehmen sind, desto eher laufen die Anleihen wie Staatspapiere, reagieren also auf die Zinsentwicklung. So gesehen sind derzeit Unternehmensanleihen mit geringeren Renditen meist vorzuziehen. Wer angesichts der aktuellen Magerzinsen noch vier Prozent und mehr bietet, birgt dafür in der Regel ein enormes Risiko. Finger weg von Hochzinsanleihen.
Die klassische Krisenwährung bleibt Gold. Bei Preisen um 1600 Dollar für die Feinunze und nach mehreren Monaten Korrektur sind die Restrisiken überschaubar. Sogar die Aktien von Goldminen sind zuletzt angesprungen – ein gutes Vorzeichen für den gesamten Edelmetallmarkt. Große Werte der Branche wie Barrick oder Newmont bevorzugen.
Und - als Reserve für harte Zeiten und nicht zum schnellen Spekulieren – immer wieder Gold als physisches Metall.