Dax-Vorschau Tut sie's oder tut sie's nicht?

Die Börsianer rätseln, wann die US-Notenbank die Zinsen erhöht. Der Dax dürfte deswegen erst einmal in Warteposition gehen – doch gerade jetzt steigt die Unsicherheit, wie ernst es die Briten mit dem Brexit meinen.

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Die US-Notenbank steht bald vor der Entscheidung: Sollen die Zinsen in den USA weiter steigen oder lässt man sich noch etwas Zeit damit? Quelle: AFP

Frankfurt Tapfer hat sich der Dax in der vergangenen Woche hochgearbeitet. Gute Konjunkturdaten wie die zum ifo-Geschäftsklima gaben Rückenwind, und auch die Hilfsmaßnahmen für Griechenland sorgten an den Börsen für gute Stimmung. Sogar die Sorgen vor dem „Brexit“ verringerten sich angesichts neuer Umfrageergebnisse.

Ein Nachrichtenpaket, das viele Investoren überzeugte. Am Freitag setzte sich der Dax deutlich über der Marke von 10.000 Zählern fest und nahm damit ein sattes Plus von insgesamt fast fünf Prozent mit ins Wochenende.

Doch die wichtigen Fragen, die über die weitere Entwicklung der Börsen entscheiden werden, sind damit nach wie vor nicht geklärt: Bleibt Großbritannien Mitglied der Europäischen Union (EU)? Und wann wird die US-Notenbank ihren nächsten Zinsschritt gehen?

Die Experten zerbrechen sich darüber die Köpfe. „Erhöht die Fed im Juni die Zinsen und kann ein Brexit vermieden werden, ist es aus unserer Sicht sehr wahrscheinlich, dass die Aktienkurse wieder anziehen werden“, sind die Aktienexperten der DZ Bank zuversichtlich. Sie erwarten „seit geraumer Zeit eine weitere Leitzinsanhebung im Juni“, schreiben sie in einer aktuellen Markteinschätzung.

Beim Zinsentscheid dürfte die US-Konjunktur eine Rolle spielen. Die US-Wirtschaft hat einen schwachen Start ins Jahr hingelegt und bietet der Notenbank Fed nur wenig mehr Spielraum für eine Zinserhöhung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von Januar bis März aufs Jahr hochgerechnet lediglich um 0,8 Prozent, wie das Handelsministerium am Freitag in Washington mitteilte. Es ist das schwächste Wachstum seit einem Jahr. Experten hatten mit einem Tick mehr gerechnet, nachdem eine frühere Schätzung lediglich 0,5 Prozent ergeben hatte.

Experten sind skeptisch, dass die US-Notenbank wirklich schon die Zinsen bei ihrer nächsten Sitzung am 15. Juni anhebt. So rechnen die Volkswirte der HSBC damit, dass sich die Fed mit diesem Schritt bis September Zeit lassen wird. Zur Begründung verweisen sie auf den amerikanischen Arbeitsmarkt. Diese Richtung bestätige auch Fed-Chefin Janet Yellen am Freitagabend bei einer Rede in Cambridge. Falls das Wachstum weiter anziehe, seien schrittweise und vorsichtige Schritte nach oben angebracht. Yellen ließ indes offen, ob sie eine Erhöhung im Juni oder erst im Juli oder September anvisiert.

Am kommenden Freitag werden die aktuellen Daten zur Zahl der Beschäftigten und der Arbeitslosenquote veröffentlicht. Im Schnitt erwarten die von Reuters befragten Volkswirte, dass die Zahl der Stellen (Landwirtschaft ausgenommen) um 170.000 gestiegen ist und die Arbeitslosenquote leicht auf 4,9 Prozent gesunken ist. HSBC ist hier aber weniger optimistisch. Und auch die NordLB verweist in einem aktuellen Marktkommentar auf die Möglichkeit, dass „auch der Juli terminanvisiert werden“ könne, „der nach dem Brexit-Referendum liegt“.


Bleibt Großbritannien in der EU oder nicht?

Die Briten stimmen am 23. Juni über den Verbleib ihres Landes in der EU ab. Umfragen zufolge läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden Lagern hinaus. Bis die Lösung dieser Fragen klar ist, dürften alle Konjunkturdaten auf Hinweise dazu abgeklopft werden. In den Hintergrund rückt für die Börsianer da sogar die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Wien am Donnerstag, wo Zinserhöhungen kein Thema sein dürften.

Wichtigster Termin in dieser Woche abseits Zinsen und Konjunktur wird wohl der Quartalsbericht von Volkswagen sein. Am Dienstag lässt sich Europas größter Automobilhersteller in die Bücher blicken. Zwar stehen darin, wie dpa unter Berufung auf Insider berichtet, wohl keine neuen Rückstellungen für „Dieselgate“ drin. Erwartet wird aber, dass unter anderem Kosten für Rabattaktionen auf das Ergebnis gedrückt haben. Rocket Internet veröffentlicht ebenfalls am Dienstag Ergebnisse, Ahold und Audi folgen am Mittwoch und Scania am Donnerstag.

Doch das war es dann auch schon von Seiten der Unternehmen. Für die meisten Schlagzeilen dürften in den kommenden Tagen Konjunkturzahlen sorgen.

Ohnehin sieht es nach einem ruhigen Wochenstart aus. Es ist „Memorial Day“ in Amerika; man gedenkt den im Krieg gefallenen Soldaten. An den US-Börsen wird daher am Montag nicht gehandelt, und auch in London ist Feiertag. Für viele internationale Investoren beginnt die Arbeitswoche erst am Dienstag. Da der viel beachtete Arbeitsmarktbericht erst für Freitag auf dem Zettel steht, wird sich am deutschen Aktienmarkt nach Ansicht von Experten erst einmal kaum etwas tun. „Der Dax wird mehr oder weniger auf der Stelle treten“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Aktienstratege Tobias Basse von der NordLB. „Der Fokus liegt ganz klar auf der Geldpolitik und den Wirtschaftsdaten in den USA.“

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