Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart wurde in der vergangenen Woche über eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Baden-Württemberg entschieden. Es ging dabei unter anderem um die Frage, ob die Stadt Stuttgart Fahrverbote für besonders schmutzige Dieselautos verhängen darf. Ja, darf sie, sagten die Richter.
Das Recht auf saubere Luft habe hier Vorrang vor dem Eigentumsrecht der Autofahrer. Die haben ihre Wagen in dem Glauben gekauft, überall und immer damit fahren zu dürfen. Mögliche Fahrverbote aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes könnten die Freiheit der Autobesitzer jetzt deutlich einschränken.
Ähnliche Klagen hat die Umwelthilfe auch in 15 anderen großen Städten angestrengt, darunter München und Frankfurt. Was hat das alles mit der Börse zu tun?
Abgasreinigung per "Coladose"
Während die Aktien der großen Autohersteller durch den Dieselskandal, drohende Fahrverbote und Nachrüstkosten gebeutelt werden, rechnet sich ein kleines börsennotiertes Unternehmen wegen der ganzen Abgasmisere Chancen aus.
So wichtig ist die Autoindustrie für Deutschland
Erst der Skandal um manipulierte Abgaswerte, dann der Kartellverdacht gegen BMW, Daimler, Volkswagen und Co. Es drohen Strafzahlungen und Schadenersatz - und das in einer Zeit, in der die deutschen Autobauer durch neue Konkurrenten wie den Elektroauto-Hersteller Tesla oder Trends wie dem autonomen Fahren ohnehin vor großen Herausforderungen steht. Ein Überblick, wie wichtig die Autobranche für Deutschland ist.
Quelle: Reuters
Gemessen am Umsatz ist die Autobranche der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland: Die Unternehmen erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von mehr als 405 Milliarden Euro. Das entspricht rund 23 Prozent des gesamten Industrieumsatzes. Mittelständisch geprägte Zulieferer sind für den Großteil der Wertschöpfung - etwa 70 Prozent - verantwortlich. Insgesamt werden mehr als 1300 Unternehmen der Branche zugerechnet.
Die Autounternehmen zählen in Deutschland direkt mehr als 800.000 Mitarbeiter. Indirekt sind es viel mehr, da für die Fahrzeugfertigung viele Teile, Komponenten und Rohstoffe zugekauft werden - etwa in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, bei Maschinenbauern sowie in der Elektro-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Auch Autohändler, Werkstätten und Tankstellen sowie weitere Dienstleister - etwa Versicherer - sind von der Autokonjunktur abhängig.
Fahrzeuge sind der größte deutsche Exportschlager. Mehr als drei Viertel der in Deutschland hergestellten Pkw werden exportiert: 2016 waren es gut 4,4 Millionen. Die Ausfuhren von Kraftwagen und Kraftwagenteilen summierten sich 2016 auf mehr als 228 Milliarden Euro. Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten deutschen Exporten. Ein Großteil des Auslandsumsatzes wird in den EU-Ländern erwirtschaftet.
Weltweit investierte die deutsche Autoindustrie zuletzt fast 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Im Deutschland sind es knapp 22 Milliarden Euro, was mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben der heimischen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung entspricht. Mehr als 110.000 Mitarbeiter sind in den Entwicklungsabteilungen beschäftigt. Von den weltweit 3000 Patenten zum autonomen Fahren entfallen etwa 58 Prozent auf deutsche Firmen.
Es handelt sich um die Baumot Group, die Anlagen zur Abgasreinigung von Autos baut. Derzeit liefert die Baumot-Tochter Twintec vorwiegend für große Fahrzeuge wie Lkw, Busse oder Bagger. Die Reinigungsgeräte in der Größe einer Coladose können aber auch nachträglich in kleinere Autos eingebaut werden, also in Pkw. Laut einem externen Sprecher des Unternehmens soll die Nachmontage allein mit gängigen Ersatzteilen der betroffenen Automarken und Modelle möglich sein und könnte in Kfz-Werkstätten um die Ecke erledigt werden. Kosten pro Fahrzeug: 1500 Euro.
Das klingt besonders interessant, denn die Stuttgarter Richter haben den Plan von Politik und Autoindustrie abgeschmettert, wonach die Abgaswerte durch eine überarbeitete Motorsoftware verbessert werden sollten. Softwareupdates aber reichen laut Landgericht Stuttgart nicht, um die Grenzwerte einzuhalten.
Aus Sicht der Umwelthilfe könne dagegen das von Baumot angebotene BNOx genannte Nachrüstsystem Dieselautos so sauber machen, dass sie in die Sperrzonen der Innenstädte fahren dürften.
Baumot-Chef Marcus Hausser sieht angesichts der aktuellen Debatte um Fahrverbote und Nachrüstungen bei Pkw zusätzliche Potenziale für sein Unternehmen.
Baumot ist Profiteur und Leidtragender gleichzeitig
Klar, dass diese Möglichkeit auch die Phantasie von Anlegern und Investoren beflügelt, denn Baumot ist börsennotiert und könnte mit Nachrüstaufträgen für Diesel-Pkw sein Geschäft stark ausbauen. Im Juli ist der Kurs bereits von etwa 80 Cent auf zwischenzeitlich 2,80 Euro weit in die Höhe geschossen.
Wer jetzt noch kauft, könnte also schon zu spät kommen, daher sollten Anleger hier nichts überstürzen und sich das Unternehmen erst mal genauer anschauen.
Baumot ist nämlich nicht nur Profiteur des Abgasskandals, sondern leidet gleichzeitig unter diesem. Zudem gibt es andere Firmen, die ebenfalls Abgasreiniger für Dieselautos anbieten könnten, etwa Oberland Mangold, HJS aus Mengen im Sauerland oder die Continental-Tochter Emitec. Die Konkurrenten sind zwar nicht börsennotiert, könnten Baumot aber trotzdem Marktanteile abjagen.
Baumot hat das Thema der drohenden Diesel-Fahrverbote kommunikativ offensiv an sich gerissen und informiert etwa über Pressemitteilungen detailliert über das öffentlich viel beachtete Abgasverfahren in Stuttgart. Mitten in dieser günstigen Nachrichtenlage hat das Unternehmen in der vergangenen Woche mit einer Kapitalerhöhung 4,2 Millionen Euro eingesammelt. Die Aktien wurden allerdings privat platziert, gewöhnliche Anleger waren davon ausgeschlossen.
Probleme bei einer Tochterfirma
Im Geschäftsjahr 2016 konnte Baumot den Umsatz um 42 Prozent auf 38,2 Millionen Euro kräftig steigern. Das sind allerdings nur vorläufige Zahlen, der geprüfte Jahresabschluss wird erst im Herbst veröffentlicht.
Grund für die Hängepartie ist, dass Tochterunternehmen von Baumot aktuell mit Insolvenzverfahren zu kämpfen haben. Es geht um Gesellschaften der Kontec-Gruppe, die erst 2015 von Baumot übernommen wurde. Der Abgasprüfer Kontec hat jedoch unter anderem durch den Dieselskandal wichtige Großkunden verloren. Jetzt will sich Baumot nach kurzer Zeit schon wieder von der glücklos erscheinenden Akquise trennen, um sich voll auf das Geschäft mit der Abgasreinigung zu konzentrieren.
Mit Blick auf die Probleme bei seiner Tochter Kontec sieht Baumot also eher wie ein Leidtragender des Abgasskandals aus und nicht wie ein Profiteur.