WirtschaftsWoche: Herr Eichler, Sie stehen mit dem Mainfirst-Germany-Aktienfonds 2015 schon zum zweiten Mal in Folge als bester Aktienfondsmanager für deutsche Titel auf dem Siegertreppchen. Was haben Sie richtig gemacht?
Olgerd Eichler: Wir sind bei der Aktienauswahl sehr wählerisch und nehmen jährlich nur sieben bis zwölf Unternehmen neu ins Portfolio auf, die wir genau analysieren. Wir mögen es zudem, neue Unternehmen mit viel Potenzial zu entdecken, die noch nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Das sind meist kleine Unternehmen. Unser Kennzeichen ist ebenfalls, dass wir die Aktien, die uns überzeugen, entsprechend im Fonds mit bis zu acht Prozent und damit sehr hoch gewichten und die rund 30 Einzelwerte im Depot sehr genau begleiten.
Was sagen Ihnen die Unternehmenschefs, wenn Sie mit ihnen sprechen. Ist die Lage nur grau, oder düster?
Eichler: Die Lage der von uns gewählten Unternehmen ist nicht abhängig von solchen kurzfristigen Stimmungsschwankungen. Wir haben viele im Depot, die noch von ihrem Gründer gelenkt werden, wie etwa Sixt, oder die starke familiäre Ankeraktionäre haben wie der Autobeleuchtungsspezialist Hella.
Zur Person
Olgerd Eichler ist einer der wenigen Starmanager in der Branche. Er hat sich zunächst bei der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment einen Namen gemacht unter anderem managte er dort einen erfolgreichen US-Aktienfonds sowie den milliardenschweren Uniglobal, das Flaggschiffprodukt des Fondshauses. Dann entschied er sich, zu einer kleinen Fondsgesellschaft wie Mainfirst zu wechseln und zog dort auch rasch Milliarden mit seinem europäischen Aktienfonds Mainfirst Top European Ideas an. 2013 übernahm er den deutschen Aktienfonds Mainfirst Germany, dessen Volumen rasch von wenigen Millionen Euro auf 161 Millionen Euro stieg. Eichler muss Vergleiche mit Börsenindizes nie scheuen und gilt als sehr ehrgeizig.
Die blicken über konjunkturelle Schwankungen hinweg und haben den langfristigen Bestand des Unternehmens im Blick. Es gab ja immer folgenreiche Ereignisse wie Ebola oder Fukushima, die stets neue Fragen aufwerfen, aber dem stellen sich die Unternehmen. Die sind hungrig und legen sich ins Zeug und sind keine trägen Tanker. Wobei ich da auch eher Tiefstapler mit schwäbischer Mentalität mag als die angelsächsisch geprägten Firmenlenker, die sich immer für toll halten.
Hatten Sie Ihr Fondsdepot für die Fed-Zinsentscheidung präpariert?
Eichler: Wir investieren nur in Aktien, halten also keine Derivate, mit denen wir schnell auf irgendwelche Marktentwicklungen wetten könnten. Und bei den Aktien gab es keinen Grund, irgendwelche Änderungen am Portfolio vorzunehmen. Meine zwei Co-Manager und ich, wir stehen in einem engen Austausch mit den Unternehmen und die Termine mit Firmenchefs sowie unsere Erwartungen an die Gewinn- und Verlustrechnung spielen die große Rolle. Ob es bei ein bis zwei Prozent Wirtschaftswachstum bleibt oder wie sich die Währungen entwickeln werden, das sind Fragen, die wir ganz hinten anstellen. Darüber kann man natürlich endlos debattieren, für eine Aktienanlage ist das aber nicht entscheidend. Ein Sportler muss auch immer Leistung brinen, egal wie das Wetter ist.
Kleine und mittelgroße Aktien, die der Fonds überwiegend hält, gelten aber als volatil, da können solche Ereignisse doch durchaus einschlagen?
Eichler: Die zwischenzeitlichen Kursschwankungen stören nicht. Wenn man Unternehmen mit viel Potenzial und gutem Management hält, dann können die sich auch in schlechteren Zeiten durchsetzen und fliegen nicht aus der Kurve. In unser Beuteschema passen Aktien, die in drei Jahren etwa einen Kursgewinn von 50 Prozent ermöglichen. Dazu loten wir unter anderem das Margen- und Umsatz-Potenzial aus und prognostizieren das auch für ein schwächeres Konjunkturumfeld. Wir prüfen ebenso die Kundenstruktur und die Vorstands-Vergütung. Bekommen die Chefs eine Kompensation, wenn sie einen bestimmten Vorsteuergewinn erreichen oder die Kapitalrendite steigern, dann signalisiert uns das, dass man sich hohe Ziele zutraut.
Aber hat der deutsche Aktienmarkt nach dem langen Kursanstieg noch Potenzial? Exportrekorde werden angesichts der Schwellenländer-Krise wohl nicht mehr aufgestellt.
Eichler: Tatsächlich liegen die Herausforderungen eher außerhalb Deutschlands. Die US-Konjunktur könnte sich abflachen, die Schwellenmärkte haben ihre langsamere Gangart noch nicht abgeschlossen. Doch diese Außenfaktoren sind für die von mir gewählten Unternehmen nicht so entscheidend, die eher etwas auf den Heimatmarkt konzentriert sind. Hierzulande wird das Wirtschaftswachstum mit etwa einem Prozent niedrig sein, aber robust. Und im Euroland scheint die Binnenkonjunktur gefestigt zu sein.
Was ist bei deutschen Aktien noch zu holen?
Eichler: Es ist die logische Konsequenz der negativen Realzinsen, dass es am Aktienmarkt noch für zwei bis drei Jahre steigende Kurse geben wird und Aktien noch um 20 bis 30 Prozent steigen können – mit Unterbrechungen allerdings. Und in einer späteren Baisse könnte es durchaus kräftiger abwärts gehen. EZB-Präsident Mario Draghi dürfte in seiner Amtszeit, die noch vier Jahre dauert, die Zinsen nicht mehr erhöhen. Derzeit ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei europäischen Aktien im Schnitt bei 16.Es könnte auf 20 steigen. Die Konstellation ist allerdings ungewöhnlich, denn zu zwei Dritteln werden die Kurse steigen, weil sich Aktien einfach verteuern, nur ein Drittel stammt aus einer Gewinnsteigerung der Unternehmen.
Wie wollen Sie von dem erwarteten Kursanstieg profitieren?
Eichler: Wir halten derzeit doch etwas mehr zyklische Aktien, die von dem Inlandskonsum profitieren können und von dem Trend zur Digitalisierung in Unternehmen. Leifheit ist ein Konsumwert, aber nicht für extreme Kursveränderungen bekannt. Der Autobeleuchtungsspezialist Hella ist konjunkturabhängiger, als familiengeführtes Unternehmen sehr solide finanziert und geführt.
In die digitale Richtung gehen Unternehmen wie All In One Steeb, ein SAP-Consultant, das auch Rechenzentren betreibt und da die Datenmenge steigt, profitieren sie, sind aber nicht weltmarktabhängig. Ähnlich ist es mit dem Beratungsunternehmen Atoss, das ausschließlich mit deutschen Kunden seinen Umsatz seit 2005 jährlich steigern konnte.
Autoverleiher Sixt ist Ihre größte Aktienposition. Beim US-Geschäft sind die Münchner nach vier Jahren noch nicht in der Gewinnzone trotz der guten Konjunktur und 60 Standorten. Bleiben Sie geduldig?
Eichler: Natürlich, die Aussichten sind langfristig gut. Bis zu zehn Prozent Marktanteil sind dort durchaus vorstellbar. In Europa haben sie sich immerhin schon fast 20 Prozent im Laufe der Zeit erarbeitet. In den USA geht es um einen fast 30 Milliarden Dollar großen Markt. Sixt besetzt dort nicht den Massenmarkt, sondern eine Nische, weil es vor allem BMW, Mercedes und Audi verleiht. Der Standortausbau hat dem Konzerngewinn nicht geschadet, dafür steigt das Umsatzpotenzial. Riskant ist daran, dass es mit Herrn Sixt eine prägende Figur gibt, die ein gewisses Personenrisiko birgt. Preiskämpfe in den USA sind nicht ausgeschlossen und die Autovermietung an Geschäftskunden ist konjunkturabhängiger als das Touristengeschäft.
Sie waren beim Börsengang von Hapag Lloyd derjenige, der sich früh zum Kauf eines großen Anteils entschlossen hatte, dafür aber den Preis weit unter der damals genannten Spanne angesetzt hatte. Die Emission kam auch nur zu ihrem niedrigen Kurs zustande.
Eichler: Schaut man sich ein Unternehmen richtig an, bekommt man auch eine klare Preisvorstellung. Und da haben wir gleich gesagt, wir machen mit, aber nur bis zu einem bestimmten Preis, der uns noch Chancen bietet. Aber viele Fondsmanager schauen sich diese Titel gar nicht mehr an, mit der Begründung, sie seien nicht benchmarkrelevant. Das halte ich für falsch.
Mancher Fondsmanager mag Börsengänge gar nicht, weil die Unternehmen für die Börse aufgehübscht würden. Bei Ihnen ist das anders, sie haben auch beim Autoentwickler Edag ordentlich beim IPO gekauft.
Eichler: Ein Börsengang ist etwas ganz Besonderes. Es ist die Geburtsstunde auf dem Kurszettel. Ich fühle mich da nicht benachteiligt, denn alle Marktteilnehmer haben zu diesem Zeitpunkt die gleichen Informationen. Keiner kennt Edag jetzt viel besser als ich. Ich habe mich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt und den fairen Wert errechnet. Häufig sind die Börsenneulinge sehr ambitioniert, weil sie zu den Etablierten aufschließen wollen und deren Bewertung anstreben. Ich bin aber durchaus auf der Hut, wenn die Private-Equity-Unternehmen Aktien abgeben.