EZB sorgt für gute Laune - Börsenchef Kengeter tritt zurück
Der Rücktritt von Börsenchef Carsten Kengeter sorgt am Finanzplatz Frankfurt vorwiegend für Erleichterung. Spätestens als der angestrebte Vergleich mit den Justizbehörden im Verdachtsfall des Insiderhandels scheiterte, war die Linie dessen überschritten, was Investoren, Nutzern und Mitarbeitern der Börse an Unsicherheit zugemutet werden konnte.
„Entscheidend ist, dass die Börse sich nun auf die Zukunft konzentrieren kann“, sagte etwa der Präsident des Verbands einer deutschen Bankengruppe unmittelbar nach Bekanntwerden von Kengeters Rücktrittsangebot.
Kengeter war zur Börse gekommen, um einen neuen Anlauf für die Großfusion mit einem anderen internationalen Börsenbetreiber zu nehmen. Der geplante Zusammenschluss mit der Londoner Börse scheiterte jedoch wegen des Brexits und am Veto der Brüsseler Wettbewerbsaufsicht. Doch auch den deutschen Finanz- und Börsenaufsehern war Kengeters Fusionsplan mit der Sitzverlagerung der Börse nach London ein Dorn im Auge.
Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten
Milliardenschwere Übernahmen, Umbau des Vorstands und die geplante Fusion mit der London Stock Exchange (LSE): Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, hat seit seinem Amtsantritt am 1. Juni 2015 ein hohes Tempo vorgelegt. Doch Anfang 2017 hat das Image des tatendurstigen Managers Kratzer bekommen. Der 50-jährige frühere Investmentbanker ist wegen des Verdachts des Insiderhandels ins Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft geraten.
Kaum im Amt als Vorstandschef bei der Deutschen Börse, zieht der Manager im Sommer 2015 zwei Übernahmen für mehr als 1,3 Milliarden Euro durch - die Devisenhandelsplattform 360T und das Indexgeschäft von Stoxx. Er krempelt den Vorstand um und gibt dem Aktienhandel wieder stärkeres Gewicht.
Sein Ziel: „Die Gruppe Deutsche Börse dorthin zu führen, wo sie hingehört - an die Weltspitze.“ Kengeter untermauert seinen Anspruch mit Fakten: Am 23. Februar 2016 werden die Fusionspläne mit London gekannt gegeben. „Größe ist in unserer Branche das A und O“, wirbt der gebürtige Heilbronner, dessen Familie in London lebt, für den Zusammenschluss.
Praktisch sein gesamtes Berufsleben arbeitete der studierte Betriebswirt als Kapitalmarktexperte bei internationalen Großbanken: Barclays, Goldman Sachs und schließlich bei der UBS, wo er als oberster Investmentbanker in die Konzernleitung aufstieg. 2013 verlässt der Vater von drei Kindern, der gerne Berg-Marathon läuft, die Schweizer Großbank.
Im Herbst 2014 präsentiert die Deutsche Börse Kengeter als Nachfolger von Reto Francioni. Als „prächtigen Fang“ für den Dax-Konzern bezeichnete die „Börsen-Zeitung“ den Manager vorab. Als Chef der neuen europäischen Mega-Börse hätte Kengeter mehr Zeit in London verbringen können, dort sollte der rechtliche Sitz der Dachgesellschaft des fusionierten Unternehmens sein. Aber die Fusion platzte endgültig nach dem Veto der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende März 2017.
Am 26. Oktober 2017 gab er seinen Rücktritt bekannt. Zum 31. Dezember 2017 verlässt Kengeter das Unternehmen.
Der Verdacht des Insiderhandels mit Aktien der Deutschen Börse, den Kengeter deutlich von sich gewiesen hat, ließ schließlich Zweifel an der Eignung für die Führung eines so wichtigen Börsenbetreibers aufkommen. Ob es tatsächlich Insiderhandel war, müssen die Justizbehörden klären. Sie wollen weiter ermitteln und können dies nun in aller Ruhe und ohne Zeitdruck tun. Denn das ursprüngliche Ablaufdatum von Kengeters Vertrag im März 2018 besitzt keine Relevanz mehr. Vor dem Abschluss der Ermittlungen war und ist eine Vertragsverlängerung undenkbar, auch aus diesem Grund scheint der Rücktritt konsequent.
Kengeter will mit dem für ihn wahrscheinlich nicht einfachen Schritt dafür sorgen, dass die Börse sich unbelastet durch das Ermittlungsverfahren schnellstmöglich wieder voll auf ihr Geschäft konzentrieren kann. Die Börse ist neben den finanzkrisengebeutelten Großbanken die tragende Säule des Finanzplatzes Frankfurt. Deshalb wünscht sich die gesamte Finanzbranche aber auch Bürger und Politik einen Neuanfang bei der Deutschen Börse. Die muss den Kopf frei kriegen, um sich zum Beispiel in den Wettbewerb der europäischen Finanzplätze um Neuansiedlungen durch den Brexit stürzen zu können.
Erster Schritt in die Zukunft
Dabei ist der Rücktritt Kengeters nur ein erster Schritt auf dem Weg zu diesem Neuanfang. Der Insiderverdacht hat seinen Schatten nicht nur auf den Börsenchef geworfen, sondern auf das gesamte Führungssystem des Unternehmens. Nicht nur Kengeter persönlich war und ist daher Gegenstand der Ermittlungen. Auch die Börse selbst befindet sich wegen der Insideraffäre im Visier der Justiz und Finanzaufsicht. Die weiteren Ermittlungen könnten also noch Konsequenzen für das Unternehmen haben.
Eine weitere offene Frage ist, wie sich Aufsichtsratschef Joachim Faber verhalten wird, der sich in der Vergangenheit voll hinter den zurückgetretenen Kengeter gestellt hat. Faber hat das Aktienkaufprogramm, welches zum Insiderverdacht führte, nicht nur verteidigt.
Er gilt auch als dessen Architekt und trägt daher einen wichtigen Teil der Verantwortung. Für Fabers Zukunft dürfte entscheidend sein, ob er zeitnah einen überzeugenden Nachfolger für Kengeter präsentieren kann, der das Vertrauen des Kapitalmarkts und der Mitarbeiter wieder gewinnen kann.