Deutsche-Börse-Chef unter Insiderhandels-Verdacht Aufsichtsrat stellt sich hinter Kengeter

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Chef der Deutschen Börse Carsten Kengeter. Der Vorwurf: Insiderhandel. Aufsichtsratschef Faber stellt sich hinter seinen Vorstandsvorsitzenden.

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Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter Quelle: dpa

Mitten im Tauziehen über die Fusion mit der Londoner Börse ist Deutsche-Börse -Chef Carsten Kengeter ins Visier der Strafverfolger geraten. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Kengeter wegen Insiderhandels, weil er gut zwei Monate vor dem Bekanntwerden der Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) in großem Stil Aktien von Deutschlands größtem Börsenbetreiber gekauft hat. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon seit Monaten Gespräche mit der LSE geführt, erklärte die Behörde. Die WirtschaftsWoche hatte bereits am Mittwoch über den Vorwurf des Insiderhandels gegen Kengeter berichtet.

Aufsichtsratschef Joachim Faber stellte sich hinter seinen Vorstandschef. "Die Vorwürfe sind haltlos", ließ er am Mittwochabend mitteilen. Kengeter habe die Aktien etwa einen Monat vor der Aufnahme konkreter Fusionsverhandlungen mit der LSE gekauft.

Es geht um Deutsche-Börse-Aktien für 4,5 Millionen Euro, die Kengeter im Dezember 2015 erworben hatte. Gut zwei Monate später machte die Börse die Fusionspläne mit der LSE öffentlich. Beider Aktienkurse zogen daraufhin deutlich an. Kengeter soll auch Chef der fusionierten Börse werden. Um den Insiderhandelsverdacht zu klären, hatten Ermittler und Polizisten am Mittwochvormittag das Büro Kengeters in Eschborn bei Frankfurt sowie seine Wohnung im noblen Frankfurter Westend durchsucht, wie die Staatsanwaltschaft bestätigte. Kengeter selbst war zu der Zeit abwesend. Er war am Dienstagabend beim Neujahrsempfang des Börsenbetreibers in London aufgetreten. "Das Unternehmen und der Vorstandsvorsitzende kooperieren in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft", betonte die Deutsche Börse.

Nach Erkenntnissen der Ermittler hatten die "Leitungsebenen" der Deutschen Börse und der LSE bereits im Juli/August 2015 über eine mögliche Fusion und sogar über den Sitz einer gemeinsamen Holding gesprochen. "Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, Mitte Dezember 2015 in Kenntnis dieser bis dato nicht veröffentlichten Vertragsgespräche, welche die Staatsanwaltschaft als Insiderinformation (...) wertet, Aktien der Deutsche Börse AG erworben zu haben." Faber stellte sich hinter den Vorstandschef: Er habe die Aktien im Rahmen eines Vergütungsprogramms gekauft, das vom Aufsichtsrat beschlossen worden und das bis Ende Dezember 2015 befristet gewesen sei.

"So einfach ist die Angelegenheit nicht"

Ob bei dem Aktienkauf alles mit rechten Dingen zugegangen ist, nehmen auch die Wertpapieraufseher der BaFin unter die Lupe. Sie habe die Untersuchung aber noch nicht abgeschlossen, die sie in solchen Fällen regelmäßig betreibt, sagte eine Sprecherin der Bonner Behörde. "So einfach ist die Angelegenheit nicht", hieß es in Aufsichtskreisen. Auslöser der Ermittlungen waren vielmehr Strafanzeigen gegen Kengeter, eine davon anonym, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Diese befasst sich bereits seit Februar 2016 mit dem Verdacht.

Die LSE will sich von den Ermittlungen gegen Kengeter nicht von dem Fusionsplan abbringen lassen. Die Londoner Börse begrüße die Rückendeckung Fabers für den Deutsche-Börse-Chef. "Wir freuen uns, weiter an der Vollendung der vorgeschlagenen Fusion zu arbeiten", sagte ein LSE-Sprecher. Die beiden Börsenbetreiber haben dabei aber noch hohe regulatorische Hürden zu überwinden, von der EU-Kommission bis zur hessischen Börsenaufsicht. Ein Knackpunkt ist, wo die fusionierte Börse ihren Sitz haben soll - zumal nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Deutsche-Börse -Aktie gab am Donnerstag 1,2 Prozent nach, LSE verloren 0,8 Prozent.

Kengeter als Wachstumstreiber angeheuert

Mit dem Vergütungsprogramm wollte der Aufsichtsrat der Börse Kengeter einem Insider zufolge langfristig an das Unternehmen binden. Die Compliance- und Rechtsabteilung habe den Aktienkauf vorab geprüft und grünes Licht gegeben. Kengeter hatte sich bei dem aus eigenen Mitteln finanzierten Kauf verpflichtet, die Aktien mindestens bis Ende 2019 zu halten. Das Investment war die Voraussetzung dafür, dass er von der Börse sogenannte "Co-Performance Shares" für ebenfalls 4,5 Millionen Euro erhielt. Deren Wertentwicklung hängt vom Gewinn in den kommenden fünf Jahren sowie von der Aktienrendite der Deutschen Börse im Vergleich zu anderen Finanzkonzernen ab. Ausbezahlt werden sie schrittweise ab 2019.

Der 49-jährige Kengeter hatte zuvor unter anderem für die Investmentbanken UBS und Goldman Sachs gearbeitet. Aufsichtsratschef Faber hatte ihn in der Hoffnung verpflichtet, dass er für neues Wachstum sorgt. Finanzkreisen zufolge begann Kengeter unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Juni 2015 mit seinen Vorstandskollegen über denkbare Fusionen und Zukäufe zu sprechen - inklusive eines Deals mit der LSE. Konkrete Vorbereitungen und erste Sondierungsgespräche fanden Insidern zufolge aber erst im Januar 2016 statt - nach Kengeters Aktienkauf. Faber erklärte: "Erst in der zweiten Januarhälfte 2016 haben sich die beiden Chairmen und CEOs gemeinsam darauf verständigt, Verhandlungen über eine Fusion zwischen LSE Group plc und Deutscher Börse AG zu beginnen."

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