Devisen-Experte Redeker „Die Flucht aus dem Euro hat begonnen“

Hans Redeker, Chef-Devisenstratege bei Morgan Stanley, sagt dem Euro eine schwere Zukunft voraus. Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt er, warum der Euro schon bald nur noch 1,20 Dollar kosten wird.

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Hans Redeker ist bei der amerikanischen Bank Morgan Stanley Global Head of Foreign Exchange Strategy. Quelle: Pressebild

Frankfurt Handelsblatt: In den letzten zehn Tagen ist der Euro um fünf Cent auf unter 1,30 Dollar gesunken. Woher kommt der plötzliche Wertverfall?

Hans Redeker: Das liegt daran, dass die Europäische Zentralbank in der letzten Woche zum zweiten Mal in Folge den Leitzins gesenkt hat. Das wird nicht der letzte Schritt sein. Denn die europäischen Staaten und Banken haben einen erheblichen Refinanzierungsbedarf.

Die Refinanzierungssorgen sind nicht neu. Warum hat sich der Euro in der Krise so lange stabil gehalten?

Eine Reihe von Sonderfaktoren hat zunächst für Zuflüsse in den Euro gesorgt und so die Währung gestützt: Bis zum Spätsommer gab es zum Beispiel starke Euro-Käufe durch die Zentralbanken. Die sind inzwischen zum Stillstand gekommen. Daneben haben Banken Geschäfte im Ausland zurückgefahren und dadurch Euro repatriiert, also zurückgeholt. Auch dieser Prozess hat sich sehr verlangsamt.

Bisher parkten Investoren ihr Geld in Krisenzeiten in langlaufenden Bundesanleihen oder Gold. Doch in den letzten Monaten sehen wir hier fallende Kurse. Wohin fließt das Geld?

Wir sind in eine neue Phase der extremen Risikoaversion getreten. Deswegen trennen sich Investoren von langlaufenden Anleihen, Aktien und sogar von Gold und stecken das Geld in kurzlaufende festverzinste Papiere, bei denen der Investitionszeitraum überschaubar ist. Weil die Nachfrage nach diesen Geldmarktpapieren so groß ist, sahen wir zuletzt sogar negative Renditen. Alternativ legen Investoren ihr Geld zum Beispiel in Dollar an. Wir beobachten derzeit eine Flucht aus dem Euro. Deswegen sinkt der Euro-Dollar-Kurs, aber auch der Kurs des Euros gegenüber vielen anderen Währungen.

Warum gerade Dollar? Dort sind die Zinsen doch niedriger und die Amerikaner haben ihr eigenes Verschuldungsproblem.

Der Dollar hat die größte Liquidität. Über 50 Währungen sind an ihn gekoppelt. Letztlich repräsentiert der Dollar den größten homogenen Kapitalmarkt der Welt.

Wie lange wird die Flucht in den Dollar anhalten?

Das wird sich bis ins vierte Quartal 2012 fortsetzen. Spätestens im Sommer liegt der Euro bei 1,20 Dollar.


Euro wird als langfristige Verschuldungswährung interessant

Was müsste passieren, um diesen Trend zu stoppen?

Die europäischen Institutionen müssten sich auf Maßnahmen zur Stärkung des Euro-Kapitalmarkts einigen. Zurzeit ist dieser Markt für Investoren uninteressant, weil die Anleihemärkte der Peripherieländer zu stark schwanken. Gelingt hier eine Beruhigung, ohne dass die EZB zusätzliches Geld druckt, kann der Euro steigen.

Was passiert, wenn die Euro-Zone auseinanderbricht?

Die Währungen für Kerneuropa würden dann auch sofort aufwerten. Aber so ein Szenario halten wir aus politischen und ökonomischen Gründen für sehr unwahrscheinlich.

Was bedeutet der weitere Kursverfall des Euros für die Kapitalmärkte?

Der Euro wird für Investoren künftig als langfristige Verschuldungswährung interessant. Das heißt, sie nehmen einen Kredit in Euro auf und legen diesen in einer anderen Währung an. Dadurch kommt es zu weiteren Euro-Abflüssen, was den Euro weiter schwächt. Bisher war der Dollar eine klassische Verschuldungswährung, nun teilt sich das zunehmend auf Dollar und Euro auf.

In welche Währungen lohnt es sich zu investieren?

Wir empfehlen den australischen Dollar und asiatische Währungen. Diese Währungen werden im nächsten Jahr gegenüber dem Euro gewinnen.

Was ist mit schwedischer oder norwegischer Krone?

Für beide sehen wir wenig weiteres Aufwertungspotenzial. Schweden ist ökonomisch zu stark mit der Euro-Zone verbunden. Von einer Konjunkturverlangsamung in Europa wäre das Land direkt getroffen. Das könnte die Notenbank zu einer Zinssenkung veranlassen, was wiederum die Krone schwächt. Norwegen hat bereits deutliche Zuflüsse gesehen. Weitere werden dadurch gebremst, dass die Währung vergleichsweise illiquide ist.

Nicht jedes Land wird der Aufwertung der eigenen Währung im Vergleich zum Euro tatenlos zusehen. Die Schweizer Notenbank hat im August einen Mindestwechselkurs für den Franken festgelegt.

Der schwächer werdende Euro wird den Franken stark unter Aufwertungsdruck bringen. Die Notenbank wird eine erneute Aufwertung des Frankens 2012 nicht mehr verhindern können.

Herr Redeker, vielen Dank für das Interview.

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