Devisenreserven Warum der Euro bei Zentralbanken plötzlich wieder gefragt ist

Immer mehr Devisenreserven werden künftig in Euro gehalten. Für Staaten hat das Vorteile in mehrfacher Hinsicht.

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Die protektionistische Politik der USA macht die Gemeinschaftswährung als Devisenreserve immer interessanter. Quelle: dpa

Frankfurt Wenn es in der Vergangenheit um Devisenreserven von Zentralbanken ging, war der US-Dollar stets unangefochten. Reserven wurden allerorts überwiegend in der Weltleitwährung gehalten. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt blicken Zentralbanken nun jedoch über den Dollar hinaus. Die Aussichten für den Euro seien selten besser gewesen, sagen einige Strategen von der Wall Street.

Zentralbanken halten Devisenreserven auf der Aktivseite ihrer Bilanz. Devisenreserven umfassen alle Finanzaktiva in ausländischer Währung. Damit können Notenbanken im Bedarfsfall am Markt zu intervenieren – etwa, um Wechselkurse zu stabilisieren und Schwankungen auszugleichen. Wenn ein Staat beispielsweise massive Leistungsbilanzüberschüsse erzielt, kann er diese in ausländische Staatsanleihen anlegen und Reserven aufbauen.

Der Dollar macht natürlich noch den Löwenanteil an den weltweiten Devisenreserven aus – und Experten sind sich einig, dass dies so bleibt. Dennoch: Auch eine kleine Verschiebung könnte große Folgen haben. Bei Analysten und Managern der größten Zentralbanken ist die Euro-Anhäufung gefragt wie noch nie.

„Viele Länder auf der ganzen Welt wenden sich Europa zu, für eine verstärkte Partnerschaft im Handel“, sagt Jens Nordvig, ehemals führender Währungsstratege der Wall Street und heute Inhaber eines Analysehauses. Er schätzt, dass in den nächsten zwei Jahren eine halbe Billion Dollar in den Euro fließen könnte.

„Wir denken, dass eine Erholung der Nachfrage nach Euro für Reserven kurz bevorsteht“, sagt auch Zach Pandl von Goldmans Sachs. Er geht davon aus, dass die Zentralbanken in den nächsten ein bis drei Jahren 300 Milliarden Dollar in den Euro pumpen könnten.

Während US-Präsident Donald Trump China mit einem Handelskrieg droht, bringt die Europäische Union Freihandelsabkommen in Asien und Lateinamerika voran. Demnach steht die EU kurz davor, die USA als größten Handelspartner Chinas zu verdrängen. Das macht sich auch im Bereich der Devisenreserven bemerkbar.

Die Dominanz des Dollar als Devisenreserve hat den USA einige bemerkenswerte Vorteile gebracht. Die Regierung konnte die Finanzierungskosten niedrig halten und Haushaltsdefizite in Kauf nehmen. Auch für amerikanische Unternehmen gab es Vorteile: Mit der verbreiteten Verwendung des Dollar im globalen Handel – etwa bei Öl und Rohstoffen – konnten multinationale US-Konzerne im Vergleich zu ihren ausländischen Konkurrenten oftmals billiger Kredite aufnehmen.

Derzeit lauten rund 64 Prozent der weltweiten Devisenreserven auf Dollar. Der Euro, die einzige andere primäre Reservewährung, liegt weit entfernt auf Platz zwei mit 20 Prozent der offiziellen Reserven. Außerdem wird eine Mischung anderer nationaler Währungen gehalten, etwa dem britischen Pfund, dem japanischen Yen und dem kanadischen Dollar.

Entwicklungsländer und erdölexportierende Länder im Nahen Osten, die stark vom internationalen Handel abhängen, dürften ihre Euro-Allokationen am ehesten aufstocken. Sechs Schwellenländer – China, Saudi-Arabien, Taiwan, Indien, Südkorea und Brasilien – halten fast die Hälfte der weltweiten Devisenreserven, wie Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg zeigen. China allein hat Devisen in Höhe von über drei Billionen Dollar angehäuft, vor allem aufgrund seiner billigen Exporte in die USA.

Die Zentralbanken waren gegenüber dem Euro so negativ eingestellt, dass viele die Währung vollständig aus ihren Reserven verbannt hatten. Im Jahr 2016 hielt Brasilien, der zehntgrößte Besitzer von Devisenreserven, keinen einzigen Euro. Und Saudi-Arabien, immerhin Nummer vier, hielt kaum mehr als zehn Prozent seines Portfolios in Euro, weit weniger als der Durchschnitt.

2009 hatte der Euro-Anteil in der Spitze bei fast 28 Prozent gelegen. Es folgte eine Reihe von Rückschlägen: Der Ausbruch der Schuldenkrise, der Beinahe-Kollaps des Euro-Mitglieds Griechenlands und die Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen. All das ließ das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung massiv sinken.

Notfallmaßnahmen der Europäischen Zentralbank ließen die Renditen von Staatsanleihen der Eurozone unter Null fallen. Für Manager von Devisenreserven, die typischerweise stabile Erträge anstreben, hatte der Euro fortan wenig Anreiz. Zwischen 2010 und 2016 verlor der Euro gegenüber dem Dollar ungefähr 30 Prozent.

Diese Entwicklung dürfte nun zu Ende sein. Die Konjunktur im Euroraum boomt, zuletzt lag das Wirtschaftswachstum bei 2,3 Prozent. Auch politisch zeigt sich die EU robuster – insbesondere nach den Wahlen in Frankreich, wo Emmanuel Macron die aufflammende Anti-EU-Stimmung zurückdrängen konnte.

Nicht zuletzt profitiert Europa von den protektionistischen Tönen aus den USA, die die globale Position des Dollar untergraben könnten. Außerdem merkte die Regierung indirekt an, dass sie einen schwächeren Dollar bevorzugt. Exportorientierte Firmen haben es folglich auf dem Weltmarkt leichter, da ihre Waren relativ billiger werden. Sollte die USA den Dollar aggressiv drücken, um sich Handelsvorteile zu sichern, „würde dies den Glanz der Währung als Reserve verringern“, sagt Barry Eichengreen von der University of California in Berkeley.

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