Dollar-Schwäche dürfte anhalten Polit-Chaos treibt Euro auf neue Höhen

In Washington stehen nicht mehr Reformen im Vordergrund, sondern die vielen geschassten Mitarbeiter – wie zuletzt Kommunikationschef Anthony Scaramucci. Der US-Präsident sorgt so für einen ungebremsten Euro-Anstieg.

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Eine Euro-Münze liegt auf einem Dollar-Geldschein. Die europäische Gemeinschaftswährung ist über die Marke von 1,18 US-Dollar gestiegen. Quelle: dpa

Frankfurt Die Umsetzung der geplanten Reformen des US-Präsidenten Donald Trump wird immer unrealistischer. Die geplante Reform der Unternehmenssteuern hält inzwischen sogar der Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Senat, der Republikaner Hatch für kaum realisierbar. Auch bei den Bemühungen um eine Änderung der unter Trumps Vorgänger Obama verabschiedeten Gesundheitsreform sieht er keine Fortschritte. Die Senatoren seien zu gespalten, als dass sie weiter an einer Überholung des Gesetzes arbeiten könnten, sagte er. „Es herrscht einfach zu viel Feindseligkeit.“

Im Gegenzug steigt die Zahl der geschassten Mitarbeiter: Neustes Opfer: Kommunikationschef Anthony Scaramucci. Dieser verließ am gestrigen Montag seinen Posten als Chef des Kommunikationsstabes von Donald Trump, nach gerade einmal zehn Tagen im Amt. Der Ex-Wall-Street-Banker wolle dem neuen Generalstabschef John Kelly einen sauberen Neuanfang ermöglichen und Gelegenheit geben, ein eigenes Team zusammenzustellen, teilte das Präsidialamt gestern mit.

Trump hat seit Beginn seiner Präsidentschaft mit Personalproblemen zu kämpfen. So trat etwa vor zehn Tagen Pressesprecher Sean Spicer zurück. Im Februar gab Trumps Nationaler Sicherheitsberater, Michael Flynn, nach nicht einmal einem Monat sein Amt auf, weil er falsche Angaben zu seinen Russland-Kontakten gemacht hatte. Auch andere zentrale Mitarbeiter sind im Zusammenhang mit der Russland-Affäre unter Druck geraten, darunter Trumps Berater und Schwiegersohn Jared Kushner und Justizminister Jeff Sessions.

Dieses Polit-Chaos hat auch Auswirkungen auf das Währungssystem: Der Dollar schwächelt, im Gegenzug steigt der Euro und zwar so stark, wie schon lange nicht mehr. So notiert die europäische Gemeinschaftswährung über 1,18 US-Dollar, nachdem sie am Montagabend zeitweise bis auf 1,1846 Dollar gestiegen war und damit ein neues Hoch seit Anfang 2015 erreicht hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuletzt am Montagnachmittag deutlich tiefer auf 1,1727 Dollar festgesetzt.

Der Dollar habe dem Euro-Anstieg nichts entgegenzusetzen, stellte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt fest. „Ich bin sicher, nicht nur mich erinnert das ganze Drama und die Verwicklungen in Washington an das Drehbuch einer Seifenoper“, sagte Reichelt.

„So sehr im November und Dezember Donald Trumps Wahlsieg dem Dollar geholfen hatte, so sehr werden der US-Präsident und die republikanische Kongress-Mehrheit nun zu Belastungsfaktoren für die US-Währung“, erläutert ihr Kollege Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. Die „Flitterwochen“ des Devisenmarktes und neuer US-Administration seien jedenfalls eindeutig vorbei. Der siebte Monat der Trump-Präsidentschaft fühle sich an wie das verflixte siebte Jahr in der Ehe. „Auch wenn bei Währungsniveaus nahe der Höchststände der Vorwoche ein kleiner Rücksetzer drin ist, die grundsätzliche Dollar-Schwäche dürfte zunächst anhalten“, meint der Experte. Er hat vor kurzem ein Kursziel von 1,20 Dollar prognostiziert.


Keine Signale von der EZB

Die gleiche Sichtweise auf das Währungspaar haben die Analysten der DZ Bank: „Der Euro scheint gegenüber dem US-Dollar nur auf eine Gelegenheit zu warten, neue Gipfel erklimmen zu können“, heißt es in einer aktuellen Studie.

Auf Unterstützung durch die Europäische Zentralbank könne der Dollar nicht hoffen. Denn angesichts der Sommerpause würden keine Stellungnahmen auf dem Programm stehen. „Und Sorgen über eine zu scharfe Euroaufwertung würde zuerst die Exportindustrie äußern“, meinen die DZ-Bank-Analysten. „Zumindest deutsche Autobauer haben aber derzeit andere Sorgen“.

Die Landesbank-Baden-Württemberg ist hingegen skeptischer. „Der Kursanstieg geht über das hinaus, was nach der Entwicklung des US-Zinsvorsprunges als angemessen erscheint“, lautet deren Analyse. Ihr Szenario: Die US-Notenbank wird bis Mitte 2018 ihren Leitzins auf 1,75 Prozent heraufsetzen, was von den Märkten noch nicht berücksichtigt werde und dem Dollar Rückenwind verleihen. Zudem werde die Europäische Zentralbank ihren Einlagensatz – entgegen der allgemeinen Erwartung – nicht vor Mitte 2019 anheben wird.

Darüber hinaus bleibe die Erwartung eines US-Wachstumsvorsprunges trotz der zuletzt guten Nachrichten aus dem Euroraum bestehen. „Daher halten wir getreu der Börsenweisheit 'Politische Börsen haben kurze Beine' an unserer Prognose einer Abwertung des Euro auf 1,10 US-Dollar per Mitte 2018 fest“, schreibt die LBBW. „Unserer Kurzfristprognose haben wir indes angesichts der jüngsten Wechselkursentwicklung angepasst und erwarten nunmehr einen Eurokurs von 1,15 US-Dollar per Ende September 2017“. Die bisherige Prognose lag bei 1,12 US-Dollar.

Neben dem Polit-Chaos sorgten auch enttäuschende Konjunkturdaten aus den USA für Auftrieb beim Euro. Am Vortag war ein Indikator zur Stimmung von Einkaufsmanagern in der Region Chicago unerwartet stark gefallen. Im weiteren Handelsverlauf am heutigen Dienstag könnten positive Konjunkturdaten aus der Eurozone die Gemeinschaftswährung weiter stützen. Auf dem Programm stehen Daten zum Wirtschaftswachstum in der Eurozone und Daten vom deutschen Arbeitsmarkt.

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