Drohende Abspaltung Pfund geht auf Talfahrt

Neueste Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Gegnern und Befürwortern der schottischen Abspaltung. Noch ist die Währungsfrage im Falle der Unabhängigkeit nicht geklärt – das schickt den Pfund auf Talfahrt.

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Hatten Devisen-Anleger die Risiken, die von dem näher rückenden Votum der Schotten ausgehen, bislang mehr oder weniger ausgeblendet, trafen die neuesten Umfrageergebnisse das Pfund mit voller Härte. Quelle: ap

Das nahende Schottland-Referendum sorgt für Nervosität bei Pfund-Anlegern. Umfragen zufolge liegen Gegner und Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit fast gleichauf. In den vergangenen Tagen hatte die Verunsicherung über die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Unabhängigkeit das Pfund Sterling zeitweise auf ein Zehn-Monats-Tief von 1,6050 Dollar gedrückt.

Eine Abspaltung Schottlands würde viele offene Fragen und damit große Unsicherheit mit sich bringen, warnen die Analysten der Barclays Bank. Das könnte laut Marktbeobachtern auch die Bank of England dazu verleiten, ihre lang erwartete Zinserhöhung nach hinten zu verschieben.

Spekulationen auf eine baldige Zinswende, die Investitionen im Pfund-Währungsraum attraktiver macht, hatten die britische Währung im ersten Halbjahr deutlich nach oben getrieben. Bis Ende Juni verteuerte sich das Pfund um mehr als drei Prozent. Zuletzt rechneten Experten damit, dass die Notenbank den rekordniedrigen Leitzins von 0,5 Prozent bis März 2015 anheben wird.

Unklar ist bislang vor allem, welche Währung Schottland im Falle einer Abspaltung nutzen würde. Die Forderung der schottischen Nationalisten nach einer Pfund-Währungsunion, in der die Bank of England weiterhin die großen Richtlinien der Geldpolitik für Schottland und den Rest Großbritanniens gestaltet, lehnt London ab. Ebenfalls noch im Dunkeln liegt die Aufteilung der Ölvorkommnisse in der Nordsee sowie der britischen Staatsverschuldung von 1,3 Billionen Pfund (rund 1,6 Billionen Euro).


Schottischen Nationalisten gelingt Aufholjagd

Hatten Devisen-Anleger die Risiken, die von dem näher rückenden Votum der Schotten ausgehen, bislang mehr oder weniger ausgeblendet, trafen die neuesten Umfrageergebnisse das Pfund mit voller Härte. Dem renommierten Institut YouGov zufolge sprachen sich zeitweise 51 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit aus und 49 Prozent dagegen. Noch vor einem Monat hatten die schottischen Nationalisten in Umfragen 22 Prozentpunkte hinter den Unabhängigkeitsgegnern gelegen. „Die Geschwindigkeit, mit der die Stimmung umgeschlagen ist, hat viele Leute schockiert“, sagt Adam Myers, Chef der europäischen Devisen-Anlagestrategie bei der Credit Agricole.

Auch die Commerzbank-Analystin Esther Reichelt sprach von einem „Weckruf“: „Sogar die Regierung in London scheint langsam zu erkennen, dass man sich über einen Sieg der Unabhängigkeitsgegner nicht zu sicher sein sollte, und hat bereits eine größere Autonomie in Aussicht gestellt, sollte sich Schottland für einen Verbleib im Vereinigten Königreich entscheiden.“ Finanzminister George Osborne versprach den Schotten mehr Rechte zur Erhebung von Steuern und mehr Mitsprache bei öffentlichen Ausgaben.

Eine schnelle Beruhigung der Lage ist aus Sicht der Metzler Bank allerdings eher unwahrscheinlich. Vor allem in den Tagen bis zur Abstimmung könnte die britische Währung weiter schwächeln, schreiben die Analysten in einem Kommentar.

Doch selbst wenn sich die Unabhängigkeitsgegner bei dem Referendum durchsetzen sollten, dürfte das laut Marktexperten nicht unbedingt eine Erleichterungsrally beim Pfund auslösen. Gerade wenn der Sieg nur hauchdünn ausfällt, könnten sich die schottischen Nationalisten dazu ermutigt fühlen, zeitnah erneut politisch den Umbruch anzustoßen, heißt es in einer Kurzstudie des Brokerhaus FXCM. Folglich dürfte auch ein knappes "Nein" das Pfund ordentlich durchrütteln.

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