Anfang des Jahres erlebte die Solarbranche ein kurzes Aufflackern. Nachdem Investment-Guru Warren Buffett mehr als zwei Milliarden Dollar in kalifornische Solarkraftwerke investierte, erlebten auch die deutschen Solartitel eine kurze Renaissance. Die war allerdings nur von kurzer Dauer. Noch nicht einmal die jüngste Börsenrally konnte den Aktien von Solarworld und Co. Leben einhauchen. Kein Wunder, schließlich kämpfen die Unternehmen der Solarbranche ums Überleben. Das haben auch die Anleger zu spüren bekommen. So ist es wenig überraschend, dass die Solar-Konzerne 2012 einmal mehr die Liste der Aktien anführen, die das meiste Anleger-Kapital vernichtet haben.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) veröffentlichte am Dienstag ihre sogenannte "Watchlist", den Kapitalvernichter-Index. Das Bild ist eindeutig, denn mit Centrotherm, Solarworld und Phoenix Solar gehen die ersten drei Plätze der größten Kapitalvernichter ausschließlich an Unternehmen der Solarbranche. "Die Branche, aus der der Träger der roten Laterne stammt, ist wenig überraschend einmal mehr die Solarbranche", sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer des DSW. Jedes zweite Unternehmen der Top-Ten käme aus der Solarsparte.
Erst auf dem vierten Platz folgt mit der Zhongde Waste Technology AG das erste branchenfremdes Unternehmen. Der deutsch-chinesische Hersteller von Müllverbrennungsanlagen war bisher noch nicht im Index vertreten und stieg gleich auf dem vierten Platz ein - auch der größte Kapitalvernichter Centrotherm ist ein Neueinsteiger.
Während der Dax im vergangenen Jahr ein Plus von 29 Prozent erzielte, mussten die insgesamt 50 Unternehmen des Kapitalvernichter-Index ein Minus von 21 Prozent hinnehmen. Noch schlimmer ist der Blick auf den Fünf-Jahres-Zeitraum. Hier verloren die Unternehmen der Watchlist ganze 81 Prozent ihres Werts. "Die hohe Präsenz von Werten aus der Solarbranche zeigt deutlich, das Anleger sich davor hüten sollten, bei ihren Investitionsentscheidungen Trends als Grundlage zu nutzen", sagt Tüngler. Wichtiger sei eine genaue Analyse der Branche und des jeweiligen Unternehmens. Das gelte insbesondere für Branchen, deren Geschäftsmodell am Subventionstropf der Regierung hängt. "Besonders gefährlich wird es, wenn bei der Begeisterung für ein Thema die Risikostreuung des eigenen Depots vergessen wird", sagt Tüngler.
Auch Dax-Konzerne auf der Liste
Um den Kapitalvernichtungs-Index zu berechnen, betrachtet die DSW verschiedene Zeiträume, in denen entsprechend der Performance des jeweiligen Konzerns Minuspunkte verteilt werden. Das Unternehmen, welches im vergangenen Jahr prozentual den größten Wertverlust erlitten hat, bekommt beispielsweise Minus 200 Punkte. Für die schlechteste Performance im Dreijahres-Zeitraum gibt es bereits 300 Minuspunkte, das Unternehmen mit der prozentual höchsten Kapitalvernichtung über fünf Jahre bekommt 500 Punkte abgezogen. Auf diese Weise wird die langfristige Entwicklung der Unternehmen deutlich stärker gewichtet als kurzfristige Änderungen. "Damit soll verhindert werden, dass kurzfristige Ausrutscher das Gesamtergebnis beeinflussen", sagt Tüngler. Dividenden und Sonderzahlungen werden ebenfalls nicht berücksichtigt. In die Untersuchung gehen sämtliche im Prime Standard gelisteten Unternehmen ein, also neben den Dax- und MDax-Unternehmen auch die Gesellschaften aus SDax und TecDax.
Commerzbank, RWE und E.On
Immerhin drei Konzerne aus der ersten Börsenliga sind in der 50 Unternehmen umfassenden Liste vertreten. Die Commerzbank ist bereits zum wiederholten Mal in den Index eingezogen. Immerhin konnte sich das Geldinstitut vom neunten Platz im vergangenen Jahr auf den 20. Rang verbessern. Auch Versorger RWE ist erneut im Index vertreten, konnte sich aber ebenfalls von Platz 36 auf 43 verbessern. Schlechter steht es um Neueinsteiger E.On, aufgrund einer vergleichsweise schlechten Entwicklung im vergangenen Jahr landete der Energiekonzern gleich auf Platz 35. Auch für den Handelsriesen Metro sieht es nicht gut aus. Nachdem sich die Düsseldorfer im September aus dem Leitindex Dax verabschieden mussten, folgt jetzt der Aufstieg in den Kapitalvernichter-Index (Platz 38). Hier liegt der Konzern allerdings noch hinter den neuen Index-Kollegen von Wacker Chemie (Platz 28), allerdings vor Klöckner & Co. (Platz 46). Mit Air Berlin (Platz 14) und Praktiker (Platz 9) sind auch prominente Vertreter des SDax im Index weit vorne.
Müssen Anleger ihre Papiere jetzt sofort verkaufen, nur weil sie im Kapitalvernichter-Index aufgeführt werden? Nicht unbedingt. "In jedem Fall ist es aber ein Warnsignal, was man als Aktionär ernst nehmen sollte", sagt Tüngler. Solange das Unternehmen ein funktionierendes Geschäftsmodell habe, könne eine Platzierung in der Liste allerdings sogar ein Kaufsignal sein.