Elsässers Auslese

Gehören RWE und E.On noch an die Börse?

Markus Elsässer Value Investor

Das Mandat der Energieversorger hat sich geändert, gesellschaftspolitische Anforderungen stehen heute im Mittelpunkt. Die Börsenkurse sind ein Schatten ihrer selbst. Macht eine Börsennotiz noch Sinn? Eine Kolumne.

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RWE-Kohlekraftwerk Niederaußem Quelle: dpa

Was ist aus den einst fast als risikolos geltenden Aktien der großen Energieversorger nur geworden? Die Lieblingsanlagen für Witwen und Waisen mit scheinbar sicherer Dividendenrendite gehören zu den desaströsen Geldanlagen der letzten Jahre. Die Situation ist dramatisch.

Im Dezember 2007 notierten RWE-Papiere bei 95 Euro im Höchstkurs. Seitdem geht es schrittweise bergab. Heute notiert die Aktie bei etwa zehn Euro. In der gleichen Zeit wurde die jährliche Ausschüttung an die Aktionäre von 3,50 Euro pro Aktie auf einen Euro pro Aktie im vergangenen Jahr nach und nach gekürzt. Ähnlich sieht es bei E.On (der früheren VEBA) aus. Der Kurs erreichte im Dezember 2007 ein Hoch von 46 Euro und ist nun bei etwa acht Euro pro Aktie angekommen. Die Dividende ging von 1,12 Euro 2007 auf 0,50 Euro pro Aktie 2015 zurück.

Zur Person

Der Vergleich dieser Dividendentalfahrt mit der Entwicklung anderer Industrieunternehmen macht deutlich, wie sehr die RWE- und E.On-Aktionäre gelitten haben. Die Linde AG zahlte in 2007 eine Dividende in Höhe von 1,50 Euro pro Aktie. Im vergangenen Jahr erhielten die Aktionäre 3,15 Euro. Bei Nestle lag die Dividendenhöhe im Jahr 2007 bei 1,04 Schweizer Franken, gegenüber 2,20 Schweizer Franken je Aktie 2015.

"Dividendenfalle"

Das Ganze hat tragische Züge. Zaghaften Investoren, Stiftungen, allen denjenigen, die besonderen Wert darauf legten, wenig Risiko an der Börse einzugehen, wurden in der Vergangenheit häufig RWE oder E.On-Papiere zum Kauf empfohlen - wegen ihrer Dividendenstärke. Weitere wirtschaftliche Überlegungen wurden meistens nicht angestellt. „Da kann ja nicht viel passieren, Strom wird immer gebraucht“, lauteten die Argumente. Wir haben es hier mit dem typischen Phänomen einer „Dividendenfalle“ zu tun. Vor einer Investitionsentscheidung sollte sich der Geldanleger nicht auf die Dividende alleine verlassen, sondern sich ein Bild von den wirtschaftlichen Ertragsaussichten machen. Denn aus denen wird die Dividende gespeist.

Der Abwärtstrend der Energieversorger hat also schon lange vor der Atomabschaltung begonnen. Die Werthaltigkeit der Anlageklasse „Energieversorger“ befindet sich in einem lang anhaltenden Sinkflug. Zur Beurteilung der Zukunft ist eine kurze Standortbestimmung nötig.

Im historischen Rückblick haben die Energieversorger ihren großen Aufschwung in den Wirtschaftswunderjahren nach dem zweiten Weltkrieg genommen. Mit dem systematischen Aufbau einer modernen, flächendeckenden Stromversorgung haben sie wesentlich zum Wirtschaftserfolg der Bundesrepublik Deutschland beigetragen. Und gleichzeitig haben sie von der Expansion profitiert wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig.

Zusammen mit dem immer grösser werdenden Erfolg setzte aber schon bald eine Fehlentwicklung ein. Aus den klassischen Strom- und Energiedienstleistern (eben: dem „Versorgern“) wurden Wirtschaftskolosse. Mit byzantinischen Organisations- und Holdingstrukturen entstanden Konglomerate, die weit über das Energiegeschäft hinaus tätig wurden. So war RWE beispielsweise im Jahr 2001 Großaktionär bei Heidelberger Druckmaschinen und dem Baukonzern Hochtief AG. Tankstellennetze wurden gekauft, ebenso wie eine führende Wassergesellschaft in Großbritannien (Thames Water Plc). Gärtnereibetriebe wurden unterhalten und vieles mehr. Aus eher monotonen Vorstandstätigkeiten wurden spannende Top-Manager-Existenzen. Einen großen Teil der Vorstandszeit konnte man nun außerhalb des „Strombetriebs“  in zahlreichen Aufsichtsratsmandaten verbringen. Die Energievorstände waren ein integraler Bestandteil des Netzwerks der alten „Deutschland AG“.

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