Elsässers Auslese

Jeder Investor braucht seinen eigenen Krisenfahrplan

Markus Elsässer Value Investor

Die Rückschläge an der Börse verunsichern viele Geldanleger. Das liegt daran, dass sie keinen Fahrplan für Zeiten fallender Kurse in der Tasche haben. Worauf es bei so einem Krisenfahrplan für Anleger ankommt.

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Nach unten zeigt am 18.09.2015 in Frankfurt am Main (Hessen) im Handelssaal der Börse am Vormittag die Kurve des Dax (Aufnahme mit Zoomeffekt). Nach der Entscheidung der US-Notenbank Fed, die Leitzinsen auf dem historischen Tief zu belassen, reagierte der deutsche Aktienmarkt zunächst mit Verlusten. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Im meiner Auslese vom vergangenen Montag, den 15. Februar 2016, habe ich über die Hintergründe plötzlicher Kursstürze an der Börse berichtet. Nur wenige Geldanleger haben die Ruhe, solche Kursschwankungen gelassen hinzunehmen. Steigende Aktienkurse werden wohlwollend und genüsslich zur Kenntnis genommen. Es ist jedoch naiv, sich als „Schönwetter-Kapitän“ auf das Börsenparkett zu wagen. Wie ich aufgezeigt habe, gehören fallende Kurse zum Börsensystem. Sie sind keine Katastrophe, sondern gehören einfach zum Ablauf des Geschehens.

Aus meiner Erfahrung wird der Hauptfehler von den meisten Investoren schon zum Zeitpunkt des Aktienkaufs gemacht. Wer sich für ein Börsenengagement entscheidet, sollte sich von Anfang an seine persönliche „Krisenstrategie“ zurecht legen. Und diese sollte man auch über eine längere Zeit der Hausse nicht vergessen oder ad acta legen. Denn auch nach Jahren noch so schöner Kursavancen, wird es sich an der Börse wieder einmal verdunkeln.

Welche Eckdaten sollte mein „Krisenfahrplan“ enthalten? Zunächst einmal sollte der bewusste Entscheid festgehalten werden, dass ich meine Aktie zu einem wohl überlegten Preis kaufe. Das ist nicht bei allen Investoren so. Oft überwiegt doch der spontane Entschluss, ohne weitere Überlegung „mit zu segeln“.

Das wurde 2015 aus 100.000 Euro
Ukraine Quelle: dpa
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Im nächsten Schritt sollte ich festlegen, bis zu welchem tieferen Kurs ich mich noch freuen kann, da ich die Aktie billiger nachkaufen möchte. Und danach gehört derjenige Kurs in meinen Krisenbüchlein, bei dem ich anfange, mich zu ärgern (aber trotzdem die Aktie im Bestand behalten werde, komme, was da wolle). Im letzten Abschnitt sollte ich festhalten, zu welchem Kurs ich im Tief verkaufen werde, weil mir dann das Risiko einfach zu hoch ist. Ohne den festen Krisenfahrplan als Begleiter in der Schublade, werden Sie es nicht schaffen, mit Abstand einen Börsen-Crash zu ertragen oder gar zu nutzen. Geraten die Börsenkurse erst einmal ins Rutschen, dann verliert der ungeübte Investor die Lust an seinem Aktiendepot. Je tiefer die Kurse fallen, umso weniger will er hinschauen. Am Ende, wenn die Verluste auf dem Papier ganz enorme Dimensionen angenommen haben, macht er frustriert den Aktendeckel zu und schaut nicht mehr hin. Er gibt auf und schmeißt hin. Dieses Verhalten kennen wir aus der Arztpraxis. Wenn der Onkel Doktor mit der großen Spritze mit einer dicken Nadel ansetzt, dann machen wir die Augen zu oder schauen in die andere Richtung. Was beim Arztbesuch ganz in Ordnung ist, hat an der Börse für den leidgeplagten Investor fatale Folgen. Denn im Börsen-Crash heißt es: Gerade jetzt hinschauen, das Krisenbüchlein herausholen und in Ruhe mit Abstand nachdenken.

Alle Dax-Aktien im Check für 2016

Hier noch ein paar weitere Gedanken, die Ihnen auf Ihrer Reise durch die Börse vielleicht helfen werden: Rechnen Sie sich bei steigenden Kursen nicht dauernd reich. Bleiben Sie in Ihrer Vermögensaufstellung bei dem Wert, den Sie für die Aktie gezahlt haben, dem sogenannten Einstandskurs. Es ist zwar ein angenehmes Gefühl, höhere Kurse im Depot zu sehen. Aber sie sind ja nur eine „Papiergröße“, solange Sie die Aktie im Bestand halten. Erst wenn Sie eine Verkaufsorder erteilen, haben Sie am nächsten Tag den Gegenwert als Gutschrift auf Ihrem Konto. Erst dann wissen Sie, was Sie verdient oder verloren haben.

Orientierung nur am Einstandskurs

Verabschieden Sie sich vom Quartals- und Kalenderdenken. Mich interessiert nur eines: Was habe ich damals für die Aktie gezahlt und was habe ich nach dem Verkauf „raus bekommen“. Bis dahin orientiere ich mich nur am Einstandskurs. Das hat mir schon immer geholfen, die Ruhe zu bewahren. Denn bei den meisten Langfrist-Investoren, sind Kursstürze keine realen Verluste des „Urvermögens“, sondern Rückgänge von zwischenzeitlichen „Papiergewinnen“. Und das ist ein großer Unterschied. Ich bin aus jeder Börsenkrise am Ende des Tage besser herausgekommen als zuvor. Warum? Weil ich mich nicht über die viel zu tiefen Kurse aufrege, sondern in der tiefen Kursphase die Entwicklung der Aktien mit einander vergleiche.

Die Aktien fallen sehr unterschiedlich. Und meistens hat mir erst die Krise ermöglicht, Aktien zu kaufen, die mir vorher viel zu teuer waren. Die finanziellen Mittel habe ich, in dem ich umschichte. Das ist der ganze Trick. Die meisten Anleger befinden sich ratlos quasi im Schock und starren, wie das Kaninchen gelähmt auf die Schlange. Sie sind über den Kursverfall entsetzt und bringen es nicht über das Herz, eine Aktie mit „so“ viel Verlust zu verkaufen. Dadurch verpassen sie die Gelegenheit, ihr Depot besser auszurichten.

Der kluge Investor hat nach dem Börsen-Crash ein Depot von höherer Qualität. Deshalb achte ich darauf, aktiv mein Depot zu bereinigen und Fehler zu korrigieren. Im Sturm schmeiße ich Ballast von Bord und kauere nicht in der Kajüte. Als Resultat habe ich nach dem Crash mehr von den guten Aktien.

Auf die Depotbewertung im irrationalen Börsen-Stimmungstief kommt es nicht an, sondern auf das Einsammeln von möglichst vielen der guten Aktien. Und das schaffe ich, in dem ich mutig und beherzt im Depot umschichte. Seien Sie sich von Anfang im Klaren, dass Aktienkurse auch allerbester Unternehmen bis zu 80 Prozent oder gar 90 Prozent an der Börse fallen können. In der Massenpsychose einer Börsenhysterie ist dies in den Jahren 1929, 1931, 1987 und auch 2008 vorgekommen. Und es wird wieder passieren. Wer solche vorübergehenden Ausschläge nervlich nicht ertragen kann, sollte sein Geld besser woanders anlegen.

Als Value-Investor achte ich auf die fundamentalen Daten in meinem Research. Aber in Krisenzeiten sollte man durchaus, die Chart-Technik mit zu Rate ziehen. Vor allem in den Langfrist-Charts der Aktien spiegelt sich die Psyche der Börsenteilnehmer wieder. Ich mag grundsätzlich den Zehn-Jahres-Chart einer Aktie. Dort kann ich tiefe und grundlegende Widerstands- und Auffanglinien in den Kursen berechnen. Sicherlich, ich finde dort nicht die ganze Antwort, aber ein brauchbares Thermometer. Es zeigt mir an, wie es um die Temperatur in der Börsenpanik steht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Börsenwoche.

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