Elsässers Auslese

Keine Zinseinnahmen mehr – was nun?

Markus Elsässer Value Investor

Mit den Zinseinnahmen ist es endgültig vorbei. Auf eine Trendumkehr zu setzen, ist naiv. Anleger müssen lernen, ihr Kapital vermehrt Risiken auszusetzen.

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Anzeigetafel an der Börse in Frankfurt. Quelle: dpa

Als Value-Investor habe ich den Niedergang der Zinseinnahmen seit langem vorausgesehen. In der Gründungsrunde meines Value-Fonds „ME Fonds - Special Values“ im Frühjahr 2002 haben wir unsere langfristige Anlagepolitik von vornherein darauf eingestellt: Mit den Zinsen wird es kontinuierlich bergab gehen. Das war mein Credo.

Ich erinnere mich noch genau, dass sehr viele Sparer damals auf eine Umkehr der Zinslandschaft hofften. Sie gingen davon aus, dass das Zinsniveau für gute zehnjährige Anleihen von vier Prozent doch bald wieder auf sechs Prozent steigen würde. In ihrer Anlagestrategie der folgenden fünf Jahre hatten sie sich auf diese Zinsumkehr verlassen. Ganz so unverständlich war diese Fehleinschätzung nicht.

Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung aus welcher Welt die Geldanleger in Deutschland damals kamen. Nicht lange zuvor, in der Zeit der Deutschen Mark, erzielten Sparer und Pensionäre jahrzehntelang im Schnitt sechs bis sieben Prozent Zinseinnahmen auf gute Post-, Bahn- und Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland.

Federn lassen im zweiten Quartal

Wer mit einer Million Deutsche Mark an Ersparnissen in den Ruhestand trat oder als Profisportler aus seiner aktiven Laufbahn ausschied, war fein raus. Mit 60.000 Mark festen Zinseinkünften, gesichert auf zehn Jahre Laufzeit der Anleihe, mit einem Schuldner allerbester Bonität und einer stabilen Währung, war ein guter Lebensstandard gesichert. Mit 5.000 Mark im Monat Zinsen zuzüglich einer Rente, Einkünften aus Lebensversicherungen, einer Staats- oder Firmenpension kam man „problemlos“ über die Runden. Hatte man obendrein sein „Häuschen“ abbezahlt und sich einen neuen Mercedes der Mittelklasse zugelegt, ging es einem wahrlich prächtig. Man hatte alle Veranlassung schmunzelnd in die Zukunft zu schauen.

Zurück in die Gegenwart: Was ist aus der einen Millionen Deutsche Mark heute geworden? 500.000 Euro. Ich überlasse es Ihrer Rechenkalkulation und Ihrem letzten Bankbesuch, wie weit Sie es mit einer festen Verzinsung damit bringen können und welchen Beitrag ihre 500.000 Euro zu ihrem Lebensstandard beitragen. Ja, so schnell kann sich das Blatt drehen!

Bevor wir in Lethargie, Depression oder Ärger über Zentralbanken und Politiker verfallen, sollten wir lieber pragmatische Konsequenzen ziehen. Was bedeutet die derzeitige Finanzlandschaft für den Kapitalanleger?

Kapital gibt es nicht mehr ohne Risiko

Zum einen: mit festen, risikolosen Zinseinnahmen in substanzieller Höhe (und die fängt bei mir bei fünf Prozent per anno an), ist es ein für alle mal aus. Das hat nichts mit Konjunkturdellen oder volkswirtschaftlichen Zwängen zu tun. Diese Art der Einnahmen ist schlicht und einfach abgeschafft worden.

Zum anderen sind wir in einem Zeitalter angekommen, in dem der unternehmerische Geist vorherrscht und alles dominiert. Die Epoche einer statischen Gesellschaftsordnung in harmonischen und stabilen Verhältnissen, wie in den sechziger bis achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland, gehört der Vergangenheit an.

Ganz gleich welchen Beruf Sie haben, ob Sie es wollen oder nicht, es gilt: Wenn Sie aus Ihrem Kapital auf Dauer Einkünfte ziehen wollen, müssen Sie sich dem Faktor „Risiko“ stellen. Da gibt es keinen Weg drum herum. Sie müssen lernen, wie ein Unternehmer zu denken. Chancen gegen Risiken abwägen.

Das Ziel für Sie muss sein, dass Sie gute Aussichten haben, Ihr Kapital im Wert zu erhalten, vielleicht sogar zu vermehren und gleichzeitig Einkünfte zu erzielen. Viele Wege führen nach Rom. Den ersten Schritt können Sie nur selber machen. Treten Sie heraus aus Ihrer „Komfortzone“ oder Niedergeschlagenheit und schneiden Sie alte Zöpfe und Glaubenssätze ab. Sonst kommen Sie nicht vom Fleck und Ihre Ersparnisse werden mittel- und langfristig verkümmern.

Beschäftigen Sie sich unvoreingenommen mit Kapitalanlagethemen in der vollen Breite. Sie werden dann schon sehen, wo Ihr Herz schlägt. Und da suchen Sie sich dann mit Geduld und Gespür den besten Profi oder Ratgeber.

Da fällt mir der Spruch der alten Bankiers ein: „Geld allein macht nicht glücklich. Man muss auch Aktien, Immobilien, Kunst, Gold und Silber, Waldgrundstücke, Diamanten und mehr haben“. Na, denn man tau. Ich bin gespannt, für welches Mix Sie sich entscheiden.

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