Von außen kann man es nicht auf den ersten Blick erkennen. Für den Investor, auf der Suche nach einer guten Aktienanlage, ist die Beantwortung der Frage gar nicht so einfach: Um was für einen Typ von Unternehmen handelt es sich? Ist die Firma ein waschechter Innovator oder ist es eher ein vertriebsorientierter Imitator? Ist dieser Punkt geklärt, dann muss geprüft werden, ob die Firmenkultur des Unternehmens - die Corporate Culture - auch stimmig zum Geschäftsmodell passt.
Wenn Unternehmen diszipliniert ihrem Business-Ansatz folgen und mit den richtigen Leuten arbeiten, dann können sie sowohl als Imitatoren als auch als Innovatoren langfristig überdurchschnittliche Erfolge erzielen.
Unter den Investoren werden die Aktien, die einen Ruf als Innovator genießen, favorisiert. Es ist aber eher eine Geschmacksfrage, in welcher Kategorie von Firma der Aktionär sich besser aufgehoben fühlt. Innovatorisch geprägte Aktiengesellschaften haben nicht von vornherein einen Vorsprung. Der Risikograd ist bei den Innovatoren höher. Die Ergebnisentwicklung ist weniger prognostizierbar. Dafür besteht die realistische Chance, dass die Aktie plötzliche Kurssprünge macht und zu neuen Ufern aufbricht.
Fokussierte Unternehmen im Business-Segment „Imitator“ haben verlässlichere Geschäftsmodelle. Sie gehören zu den Gewinnern der Globalisierungswelle. Die Expansionsmöglichkeiten sind bei den erfolgreichen Imitatoren oft auf Jahre hinaus kalkulierbar. Ihr Potenzial als ein weniger schwankungsanfälliges Investment wird unterschätzt.
Was Innovatoren auszeichnet
Wenn man an „Innovatoren“ denkt, kommt einem unweigerlich Silicon Valley in den Sinn. Ohne Frage, die dominanten Aktiengesellschaften wie Alphabet (Google) und Apple haben mit ihrem ausgeprägt dynamisch-liberalen Arbeitsumfeld neue Maßstäbe in der innovativen Arbeit gesetzt. Hier stehen wir erst am Anfang eines neuen Typus von Firmenkultur.
Aber nicht alle amerikanischen Unternehmen, die seit langem mit Innovationen glänzen, brauchen eine Art „Hippie-Kultur“. Der Konzern 3M ist ein wahrer Meister des rund herum innovativen Arbeitens und hat seine ganz eigene Firmenkultur geschaffen. Eine Atmosphäre, in der jeder einzelne zum Experimentieren motiviert wird.
Innovation ist also nicht zwingend an ein Turnschuh-Outfit, eine Kuschelecke und Partyräume im kalifornischen Stil gebunden. In Europa gedeihen extrem innovative Unternehmen durchaus mit hierarchischen Organisationsstrukturen. Hier wäre der erfolgreiche Weltkonzern L`Oreal zu erwähnen, der straff und zentralistisch von Paris aus gesteuert wird.
In den deutschsprachigen Ländern finden Aktienanleger hervorragende Innovatoren mit einer eher militärischen Führungsstruktur. Den Zugangs- und Türspezialisten Dorma-Kaba, hervorgegangen aus der Fusion der Schweizer KABA AG und der privaten deutschen DORMA Gruppe, würde ich hier erwähnen. Bei der Schweizer Sanitärfirma Geberit AG sehe ich den Fall ähnlich. Als Value-Investor mag ich diese alteingesessenen Unternehmen. Sie schaffen es, in einer traditionellen Firmenkultur, Mitarbeiter an sich zu binden, welche die Innovation dauerhaft vorantreiben.
Die Kunst des Top-Managements liegt darin, genau das Umfeld zu schaffen, in dem die letzten Reserven des innovativen Sich-Einbringens mobilisiert werden. Und dies ist nun einmal in jedem Land und in jeder Branche ein anderes.
Imitatoren sind gute Globalisierer
Die Stärke der Unternehmen, welche auf das Kreieren eigener Innovationen verzichten, liegt im hoch effizienten Auswalzen des Geschäftsmodells über den Globus. Während deutsche Firmen besonders erfolgreich exportieren können, sind die Amerikaner die naturbegabten Weltmeister des „Roll-Outs“. Mit ihrem Missionseifer und ihrem historischen Background einer Einwanderer-Pionier-Nation, sind sie es gewohnt, „Neuland vor Ort zu beackern“.
Spitzenreiter in dieser Kategorie ist sicherlich Coca Cola aus Atlanta. Kaum einen Winkel in der Welt, der nicht schon von einem Coca Cola Landesvertreter aufgesucht worden ist. Zeichnet sich bei der Konkurrenz eine innovative Erfolgsgeschichte ab, so wird das Unternehmen aufgekauft oder an sich gebunden. Zuletzt ist dies im Segment der „Energy Drinks“ mit der Marke Monster passiert. Den Kaugummi-Weltmarktführer Wrigley würde ich in dieselbe Kategorie wie Coca Cola einordnen.
Noch am Anfang eines echten globalen „Roll-Outs“ steht Ecolab, ein Reinigungs-Chemikalien-Produzent aus Minneapolis. Wie kaum ein anderes Unternehmen regiert Ecolab über Heerscharen von Reinigungs-Beratern für Kantinen, Schulen und Krankenhäuser. Über Jahrzehnte hat Ecolab wertvolle Erfahrung in diesem Routine-Business in den Vereinigten Staaten aufgebaut. Hier geht es nicht um innovative Produktentwicklungen, sondern die tagtägliche Feinsteuerung des „People-Managements.“ Über die nächsten Jahrzehnte sind die Expansionsmöglichkeiten im Ausland aussichtsreich.
Gemischte Firmenkulturen – nein danke
Als Value-Investor glaube ich an die Kraft der Fokussierung auf eine Aufgabe: Innovation oder Imitation. Beide Geschäftsmodelle können an der Börse langfristig attraktive Anlagemöglichkeiten sein. Fehlt eine dieser beiden Komponenten, dann wäre ich als Aktionär skeptisch.
Vorsichtig bin ich auch, wenn ein Unternehmen beide Felder unter einem Dach abzudecken versucht: Ein wenig Innovator und ein bisschen Imitator. Dazu ist alleine schon das Kostendenken und die Margen-Kalkulation viel zu unterschiedlich. Das sind getrennte Welten.
Dies ist auch die Krux bei der Beurteilung des Pharmakonzerns Novartis in Basel. Forschende Pharmaindustrie auf der einen Seite und das Generikageschäft unter der Flagge Sandoz-Hexal auf der anderen. Diese ungewöhnliche Kombination zweier Geschäftsmodelle, die grundverschieden sind, war schon vor Jahren der ausschlaggebende Punkt, warum sich die Roche-Erben gegen eine Fusion mit Novartis ausgesprochen haben. Im Ergebnis ist Novartis dann ja mit seiner Roche-Beteiligung als „Finanzbeteiligung“ stecken geblieben.
Für mich ist der Menschentyp, der sich gern in ein Innovationsumfeld einbringen möchte, zu verschieden, von dem klassischen „Roll-Out-Imitator-Mitarbeiter“. Letzten Endes geht es ja um die Motivation, mit der sich auch ein großer Personalbestand mobilisieren lässt. Von den Finanz- und Bankanalysten, die nur selten in einem Industrieunternehmen gearbeitet haben, wird übersehen:
Für den Erfolg eines Unternehmens ist kaum ein Faktor so wichtig, wie der Wohlfühl-Effekt eines zufriedenen Alltags eines jeden Mitarbeiters.