Die Aktienbörsen in China sind kein Platz für die ruhige Bewertung von Vermögen und Firmen. Die Masse der Geldanleger sind auch keine langfristig orientierten Sparer oder Investoren. Es geht rein um die spekulative Möglichkeit, in kurzer Zeit ohne Arbeit viel zu verdienen. Hier treffen sich die großen Aktionäre als Drahtzieher mit Insider-Interessen sowie das Heer von Millionen von Zockern. Die Aktienspekulation ersetzt in diesen Kreisen das Sparbuch.
Aus der uralten Spielernatur breiter Bevölkerungskreise resultiert auch das psychologische Panikverhalten. Je grösser die Ängste und die Unruhe werden, umso mehr wird erst recht verkauft, koste es, was es wolle. Bei den Chinesen ist der Totalverlust oder der Privatbankrott ein ganz normaler Teil einer Familiengeschichte.
Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum
Seit Jahren schießen die Immobilienpreise in Chinas Großstädten in ungeahnte Höhen - seit Monaten mehren sich jedoch Zeichen für einen Kollaps.
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert, die der Staat bislang nicht kontrollieren kann.
Banken haben ohne genaue Prüfung Firmen immense Kredite für unproduktive und verschwenderische Investitionen gegeben.
Mit Subventionen der Regierung haben viele Branchen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, beispielsweise die Solarindustrie. Aber sie werden ihre Produkte nicht los.
Chinas Wirtschaft hängt vom Export ab. Geraten wichtige Abnehmerländer in Krisen, hat auch China Probleme.
Von daher haben extreme Kursstürze, beispielsweise an der Aktienbörse von Shanghai, einen völlig anderen Hintergrund als Kursveränderungen an der Züricher Börse. Diese Haltung zum drastischen, prozyklischen Investmentverhalten gilt übrigens auch für Immobilienbesitzer. Ein älterer Verwandter von mir erzählt, wie ihm von seinem Vermieter gleich zweimal in 15 Jahren das Hochhaus, in dem er wohnte (auf Victoria Island in Bestlage von Hong Kong) zum Spottpreis händeringend zum Kauf angeboten wurde. Der Hintergrund der Panik: In den 70er Jahren kam es immer wieder zu politischen Unruhen in Hong Kong und die Oberschicht hatte Angst, dass die Kommunisten Hong Kong einnehmen würden. Die Geschichte hat ja gezeigt, dass es für den besonnenen Investor kaum eine bessere Geldanlage als erstklassige Hong-Kong-Immobilien gab.
Auch die Sorge vor einer Verlangsamung des Wachstums der chinesischen Wirtschaft ist unbegründet. Natürlich werden die jährlichen Prozent-Zuwachsraten sinken. Es ist ja sonnenklar, dass ein Land in seiner Entwicklung vom Emerging-Market-Status hin zu einer etablierten Wirtschaftsnation eine Verlangsamung seiner Wachstumsraten haben wird. Solange man von einer supertiefen Ausgangsbasis startet, ist das Wachstum in Prozent ja beeindruckend. Im Lauf des Aufbaus der Infrastruktur und des Wohlstands flacht die Rate nach und nach ab. So wird selbstverständlich die chinesische Wirtschaft eines Tages ein jährliches Wachstum von ein bis zwei Prozent aufweisen. Und das ist eine ganz normale Entwicklung.
Der Ausblick ist und bleibt positiv. Mit 1,4 Milliarden Menschen, die als Nation wie kaum eine andere dem materialistischen westlich geprägten Konsum- und Luxusmodell zusprechen, wächst in China eine gigantisch große Mittelschicht heran. Für die Unternehmen, welche ihr Geschäft kurzfristig nicht über-expandieren, sondern sich langfristig und auf einer soliden Basis darauf einstellen, eine interessante unternehmerische Perspektive.