Zur Zeit bin ich in Südasien mit einer Unternehmer-Delegation unterwegs. Der deutsche Ostasien-Verein hat die Reise organisiert. Neben hochrangigen Regierungsvertretern, Vorsitzenden verschiedener Verbandsorganisationen und Handelskammern hat unsere Delegation die Möglichkeit, Unternehmer aus verschiedenen Branchen vor Ort zu treffen.
Alles geht leicht von der Hand. Auffällig ist die stets freundliche Atmosphäre, mit der man aufgenommen wird. In kurzer Zeit erhält man tiefe Einblicke in die Geschäftsaussichten und Möglichkeiten der Länder.
Der Zugang zur politischen und wirtschaftlichen Oberschicht eines Landes ist von unschätzbarem Wert. Im Verlauf der Gespräche rundet sich das Bild in kurzer Zeit ab. Das Mosaik aus Versprechungen, idealisiertem Denken und realistischen Einschätzungen wird auf der Reise von Tag zu Tag klarer. Das Eintauchen in Probleme des Alltags einerseits im Vergleich zu den langfristigen Geschäftstrends andererseits ermöglicht jedem Delegationsmitglied einen eigenen Fahrplan für das weitere Vorgehen zu entwickeln.
Zur Person
Nach einer Industriekarriere ist Elsässer seit 1998 selbständiger Value Investor und gründete vor dreizehn Jahren den Value Fonds "ME Fonds - Special Values“ (www.aqualutum.de). Elsässer wuchs in London, Hongkong und Paris auf. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium in Köln arbeitete er in einer Wirtschaftsprüfungs-Sozietät, als Finanzdirektor bei Dow Chemical Deutschland, in Sydney für Benckiser und in Singapur für die Storck Gruppe. Darüber hinaus arbeitete er einige Jahre eng mit dem New Yorker Investor Guy Wyser-Pratte zusammen, mit dem er unter anderem 2001 gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall zu Felde zog. Im Jahr 2012 gründete er mit dem Profifußballer Simon Rolfes das Sport-Management Unternehmen Rolfes & Elsässer - The Career Company.
Bei meinen Reisen wird mir immer wieder klar, wie wertvoll das Vergleichen verschiedener Länder ist. Wer nur die Verhältnisse eines Landes kennt, kann die spezifischen Gegebenheiten nicht einordnen und nicht in der Weltperspektive sehen. Verstrickt im Detailwissen um die nationalen Rahmenbedingungen neigt der „Lokalmatador“ zur Überfokussierung: Entweder neigt er aus Frust zum durchaus verständlichen Pessimismus oder er ist ungerechtfertigt euphorisch.
Von daher kann ich die Teilnahme an gut organisierten Delegationsreisen mit tiefen Landeskontakten sehr empfehlen. Nur so werden Sie im Verlauf der Zeit durch persönliche Gespräche und private Einblicke ein halbwegs abgerundetes Bild über unsere globale Wirtschaft bekommen.
Und manchmal werden Sie auf Ideen gebracht, mit denen Sie vorher gar nicht gerechnet haben. Vergangene Woche hatte ich so eine Begegnung, eine schöne Bestätigung für den alten Spruch „Reisen bildet“:
Auf dem abendlichen Empfang eines Unternehmers aus der Logistikbranche wurde mir eine lokale Immobilieninvestorin vorgestellt. Sie war erst Mitte vierzig, gehörte aber schon zur Immobilien-Elite ihres Landes. Als „Selfmade Unternehmerin“ hatte sie ihre Firma gleich nach dem Studium gegründet und aus kleinsten Anfängen aufgebaut. Ihre Geschäfte laufen gut, die weiteren Aussichten sind ausgezeichnet. Der Bauboom im Land ist greifbar. Es gibt viel zu tun.
Wirtschaftlicher Aufschwung für die ganze Bevölkerung
Voller Stolz teilte Sie mir mit, dass sie ihre Firmengruppe nächstes Jahr an die Börse bringen möchte. Auf meine verwunderte Frage, warum sie diesen Schritt in Erwägung ziehe, erhielt ich eine interessante Antwort. Zur Finanzierung oder Eigenkapitalausstattung brauche sie keinen Börsengang. Die Firma ist über zwanzig Jahre lang organisch gewachsen und hat sich eine gute Reputation aufgebaut. Die Banken finanzieren ihre Immobilienprojekte ohne Probleme.
Nein, sagte sie mir, wer in ihrem Land seine Firma an der Börse einführt und mindestens zwanzig Prozent des Kapitals freien Aktionären anbietet, erhält vom Staat ein Ertragssteuerprivileg in Höhe von 50 Prozent! Da war ich einigermaßen von den Socken. Als alter Börsianer hatte ich das noch nie gehört. Dabei ist die Logik recht einleuchtend.
Um zu verhindern, dass nur die aktiven Unternehmer vom Unternehmenswachstum profitieren, schafft der Staat gezielt der gesamten Bevölkerung die Möglichkeit, an dem wirtschaftlichen Aufschwung teilzunehmen: Und zwar indem börsengelistete Unternehmen nur die halbe Ertragsteuer zu zahlen haben. Mit einer Mindestquote von zwanzig Prozent gehandelter Aktien eines Unternehmens ist die unternehmerische Führung in jedem Fall für die Gründer gesichert.
Nach dem Empfang, kurz vor dem Schlafgehen im Hotelzimmer, musste ich unweigerlich an Deutschland denken. Ein Land, in dem die Sparer keine Zinsen mehr auf ihre Bankguthaben oder bei Anleihekäufen erhalten. Der Kurszettel der deutschen börsengelisteten Unternehmen ist kurz. Gleichzeitig gibt es einer riesigen Zahl von Unternehmen, welche in Deutschland fest in privater Hand sind. Das deutsche Spektrum ist ja gewaltig: Von den Drogeriemarktketten Rossmann, Müller und DM-Drogerie, den Hörgeräte Filialisten, den Discountern Aldi und Lidl bis hin zu dem Universum der deutschen Maschinenbauer, Nahrungsmittel- und Süßwaren-Giganten, um nur einige zu nennen. Ein ganzes Wirtschaftswunderland, verschlossen für die Sparer.
Ich plädiere dafür, dass Deutschland meinem asiatischen Beispiel als Vorbild folgen solltet: Massive Anreize sind zu schaffen, damit sich jeder Sparer an einer großen Palette dieser (noch) privaten Erfolgsunternehmen als Aktionär eigenständig beteiligen kann. Nur so ist auf Dauer der Schritt vom „Zins zur Dividende“ zu realisieren. Wie sollen sonst die Sparer und Kapitalanleger für ihren Konsumverzicht belohnt werden? Wie ist auf Dauer ansonsten die Altersversorgung von 80 Millionen Menschen gewährleistet? Wenn man es nüchtern überlegt, ein einfaches, aber überzeugendes Modell, auf das ich da in Asien gestoßen bin.
Von Asien lernen, in der Tat - einmal ganz anders.