Elsässers Auslese

Wie Stiftungskapital gut wachsen kann

Markus Elsässer Value Investor

Mit der richtigen Anlagepolitik lassen sich Vermögen in Stiftungen geradezu ideal verwalten. Vielen Gremien fehlt allerdings Weitblick und Mut. Nicht so der Nobel Stiftung. Von ihr kann man einiges lernen. Eine Kolumne.

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Nobel-Preis-Münze Quelle: dpa

Stiftungen haben zwei Vorteile gegenüber Privatpersonen, wenn es um die Kapitalanlage geht. Zum einen spielt die Zeitkomponente kaum eine Rolle. Stiftungen haben nur selten ein Verfallsdatum. Sie sollen nach Möglichkeit die Zeiten überdauern. Dies ist ein unschätzbarer Vorteil bei den Geldanlage-Überlegungen. Das Kapital einer Stiftung hat viel Zeit, zu wachsen.

Zum anderen kann eine Stiftung sozusagen im „emotionsfreien Raum“ besonnen agieren. Anders als bei privaten Kapitalbesitzern spielen hoch-persönliche Kriterien, wie das Älterwerden oder die persönliche Risikobereitschaft keine Rolle. Die Stiftung ist losgelöst von Verlustängsten, sie ist ein Neutrum.

Zur Person

Doch wie sieht es in der Realität häufig aus? Die Stiftungsverantwortlichen stellen ihre Tätigkeit eben gerade nicht auf das „ewige“ Bestehen des Stiftungsvermögens ab. Sie wollen während der Zeit ihres Mandates keine Fehler machen. Hauptsache das nominale Geldvermögen erleidet keinen Verlust. Welche Konsequenzen das langfristig hat, interessiert weiter nicht. Ist der Stiftungsgeber verstorben, findet sich häufig kein Protest. Das Stiftungskapital ist schutzlos den Entscheidungsgremien ausgeliefert.

Nicht nominal denken

In Zeiten der fortwährenden de facto Inflationierung und Niedrigst-Verzinsung bei Termin- und Rentenanlagen ist das Festhalten an nominalen Geldgrößen langfristig ein verhängnisvoller Irrweg. Das Mandat eines erfolgreichen Stiftungsmanagements ist nicht das Vermeiden von Risiko, sondern der professionelle Umgang mit Geschäftsrisiken. Ohne gezielte unternehmerische Entscheidungen lässt sich kein Kapital über Jahrzehnte oder Jahrhunderte erhalten, geschweige denn ausbauen. Eine nicht optimale Nutzung der langfristigen Möglichkeiten des Kapitals widerspricht geradezu dem Sinn einer Stiftung mit seiner langfristigen Orientierung.

Nobles Beispiel

Ein Beispiel erfolgreicher Arbeit mit Stiftungskapital ist die Nobel-Stiftung. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen. Die Nobel-Stiftung geht auf testamentarische Verfügungen des schwedischen Industriellen Alfred Nobel zurück. Die Stiftung wurde im Juni 1900, vier Jahre nach dem Tod des Stifters, in Gang gesetzt. Das eingebrachte Vermögen betrug damals 31 Millionen Schwedische Kronen.

Heute verfügt die Alfred-Nobel-Stiftung über ein Gesamtkapital in Höhe von etwa drei Milliarden Schwedischen Kronen. Das Kapital hat sich also verhundertfacht und dies ohne weitere Kapitalzuführungen von außen. Außerdem wurden (fast ausnahmslos) jährliche Ausschüttungen (die berühmten Nobelpreise) vorgenommen. Bei der geschichtlichen Betrachtung imponiert mir besonders, dass die Stiftung zwei Weltkriege überstanden hat.

Die Investmentideen der Anlagegurus

Interessant ist, dass auch die Alfred-Nobel-Stiftung um ein Haar vermögensmäßig untergegangen wäre. Denn zunächst wurde das Geld weitgehend in staatliche Obligationen angelegt, die aber im Verlauf der Zeit immer weniger Ertrag abwarfen. Durch die Inflation sank der reale Wert des Vermögens. Schließlich entschloss man sich im Jahre 1953 zu neuen Investitionsregeln. Seither investiert die Nobel-Stiftung frei, so wie es „am ertragreichsten“ erscheint.

Der Schwerpunkt wurde auf Aktien gelegt, in der Regel über 50 Prozent des Vermögens. 70 Prozent des Kapitals wurden im Ausland investiert. Trotz mancher Kapitalrückschläge in Folge der Krisenjahre 2008 und 2009 ist die Leistung unter langfristigen Gesichtspunkten beeindruckend. Selbst in einer inflationsbereinigten Betrachtung (ein statistisch schwieriges Unterfangen) hat die Nobel-Stiftung das Ursprungskapital eindeutig gesteigert.

Gestaltungsfreiraum ist besonders wichtig

Alfred Nobel war ein weitsichtiger Mann. Er hatte erkannt, dass eine Stiftung nur dann die Zeiten überstehen und wirken kann, wenn man sie nicht unter dem Eindruck des eigenen Zeitgeschehens einengt. Kein noch so erfolgreicher Unternehmer kann voraussehen, welche Konstellationen in 50 oder 100 Jahren vorliegen werden. In seinem Testament hat er nur wenige Details festgelegt.

Wer ein Stiftung ins Leben rufen möchte oder für die Geschicke einer Stiftung verantwortlich ist, sollte zunächst auf den richtigen Standort achten. Die staatlichen Rahmenbedingungen sind unterschiedlich. Eine Stiftung ist dort anzusiedeln, wo eine freie Kapitalanlage ohne gesetzliche Einschränkungen möglich ist und Rechtssicherheit geboten wird.

Diese Milliardäre spenden ihr Vermögen
Michael Otto Quelle: dpa
Apple-Chef Tim Cook Quelle: AP
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan waren 2013 die größten Spender Amerikas. Das Ehepaar spendete im Dezember 18 Millionen Facebook-Aktien im Wert von insgesamt mehr als 970 Millionen Dollar (711 Millionen Euro) an eine Stiftung im kalifornischen Silicon Valley. Damit führen beide die jährliche Liste der 50 großzügigsten Amerikaner, die von der Zeitschrift „The Chronicle of Philanthropy“ herausgegeben wird. Aktuell spendete das Paar 75 Millionen Dollar für ein Krankenhaus in San Francisco. Es soll künftig ihre Namen tragen. Die Spende werde dem San Francisco General Hospital erlauben, in der Notaufnahme die Fläche zu verdoppeln und vier Mal mehr Betten unterzubringen, schrieb Zuckerberg in einem Facebook-Eintrag. Außerdem solle mit einem Teil der umgerechnet 66,3 Millionen Euro die Ausrüstung erneuert werden. Quelle: dapd
Einige der größten Spender der USA tauchen auf der Liste für 2013 nicht auf, so zum Beispiel Microsoft-Mitgründer Bill Gates und seine Frau Melinda. Der Grund dafür ist, dass ihre tatsächlichen Spenden bereits in vorherigen Jahren als zugesagte Spenden gezählt wurden. So gaben die Eheleute Gates ihrer Stiftung im Jahr 2013 etwas mehr als 181,3 Millionen Dollar, die Summe war aber Teil einer Spende von rund 3,3 Milliarden Dollar, die sie 2004 angekündigt hatten. Quelle: dpa
Warren Buffett und Microsoft-Gründer Bill Gates Quelle: dapd
Der neunte Platz geht an den Google-Mitentwickler Sergey Brin und seine Ehefrau Anne Wojcicki. Die beiden spendeten 219 Millionen Dollar an die Brin Wojcicki Foundation. Den zehnten Platz belegt Jeffrey Carlton, der Gründer eines Stahlkonzerns, der hauptsächlich für das Militär, die Luftfahrt sowie Energieunternehmen produzierte. Calton verstarb bereits 2012, vermachte einer wohltätigen Organisation allerdings 212 Millionen Dollar. Quelle: dpa
Irwin Jacobs und seine Frau Joan spendeten 221,1 Millionen Dollar - überwiegend an das technische Institut der New Yorker Cornell Universität. Irwin Jacobs ist der Mitbegründer des Kommunikationsunternehmens Qualcomm. Quelle: Gemeinfrei

Am Beispiel der Nobel-Stiftung sieht man, wie wichtig Freiräume in den Statuen der Stiftung sind. Noch so gut gemeinte Vorgaben können nur unter dem Eindruck der aktuellen Lebensbedingungen gegeben werden, führen jedoch zu einer „Vergewaltigung“ des Kapitals.

Risiken aktiv entgegentreten

Während in Deutschland das Geld zweimal komplett entwertet wurde, durch kriegsbedingte Zerstörung und Enteignung die Kapitalien einer ganzen Bevölkerung vernichtet wurden, gelang es der Nobel-Stiftung zu überleben. Dies macht deutlich, wie wichtig eine Abkehr vom „Kirchturmdenken“ ist. Auch für Stiftungen gelten uralte, gesunde kaufmännische Regeln. Zu einem aktiven Umgang mit Risiken gehört ein systematischer Denkansatz „über den Tellerrand“ hinaus. „Nie alle Schiffe auf einer See“, lautet eine meiner Lieblingsregeln aus dem Kaufmann von Venedig. Nicht auf eine Detailversessenheit in Finanzmathematik und Indices kommt es an, sondern auf das rechte Augenmaß sowie die richtige Einschätzung der großen Bewegungen im Weltgeschehen. Nur so kann man dem schutzbefohlenen Kapital einer Stiftung gerecht werden.

Wer nicht bereit ist, sich mit großem Enthusiasmus und Einsatz einer solchen Aufgabe zu stellen, sollte von einer Gründung (oder Führung) einer Stiftung Abstand nehmen. Als Ernst zu nehmende Alternative bietet sich dann das gezielte, systematische Spenden an.
Mir imponiert die Ehefrau meines Schulfreundes. In Bezug auf ihr Vermögen in Höhe von vielen hundert Millionen Euro, sagt sie immer: „Am besten verschenken wir eines Tages alles“.

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und sind vielleicht einen Gedanken wert für Kapitalbesitzer, die im neuen Jahr Gutes vorhaben. Es ist gar nicht so schwer. Ehrlich mit sich selbst den eigenen Standpunkt klären und dann nur Mut. Alfred Nobel hat es geschafft. In diesem Sinne einen guten Start in ein spannendes 2016.

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