Ich halte diesen Umstand auch für das größte Manko des Marktes für Mittelstandsanleihen. Zwar ist es auf der einen Seite zu begrüßen, dass sich Privatanleger über das Instrument der Mittelstandsanleihe an der Finanzierung kleinerer und mittlerer Unternehmen beteiligen können. Gerade in Zeiten, in denen das Renditeniveau für Staatsanleihen und Bankschuldverschreibungen auf ein Niveau abgesunken ist, auf dem man den Kupon mit der Lupe suchen muss, sind Corporate Bonds oftmals eine gute Alternative.
Aber: Es ist ein Unterschied, ob ich als Privatanleger die Anleihe eines Weltkonzerns kaufe, über den Presse, Funk und Fernsehen regelmäßig berichten und über dessen Produkte und Geschäftsaussichten ich mir mit eigenen Nachforschungen ein eigenes Bild machen kann oder ob ich die Anleihe eines Mittelständlers kaufe, von dem ich zwar vermute, dass er solide wirtschaftet, über den ich aber nur eingeschränkt Informationen bekommen kann. Ein Rating allein scheint mir hier zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit nicht ausreichend. Zumal die jüngere Vergangenheit gelehrt hat, dass Ratingagenturen ihre Einstufungen bisweilen auch erst dann ändern, wenn das Kind bereits vom Boden des Brunnens um Hilfe ruft.
Geschenkt gibt's nichts
Der Markt für Mittelstandsanleihen ist durch zahlreiche Zahlungsausfälle in Verruf geraten. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht zu einzelnen Papieren äußern – Banker, die in der Öffentlichkeit über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen schwadronieren, leben zu Recht gefährlich. Deshalb an dieser Stelle nur der allgemeine Hinweis: Wenn Unternehmen Renditen von 8, 9 oder mehr Prozent anbieten, während zehnjährige Bundesanleihen nur eine Rendite von 1,7 Prozent abwerfen, sollten beim Anleger die Alarmglocken läuten.
Allzugern übersieht man auf der verzweifelten Suche nach rentierlichen Kapitalanlagen den Grundsatz, wonach ein hoher Ertrag in der Regel nur mit einem hohen Risiko erwirtschaftet werden kann. Und wie will man als Privatanleger den Einblick in die wirtschaftliche Situation eines Mittelstandsunternehmens gewinnen, den ein Bankmitarbeiter vor Ort neben dem Studium der Bilanzen durch das persönliche Gespräch mit dem Unternehmer und durch den Kontakt zu einem lokalen Netzwerk gewinnen kann?
Kritik an Bankern
Trigema und Grupp
Trigema besteht seit 1919. Anders als fast alle Konkurrenten produziert die Bekleidungsfirma aus Schwaben komplett selbst, statt im Ausland fertigen zu lassen. Über die Hälfte der Artikel verkauft Trigema in eigenen Läden und im Internet.
Wolfgang Grupp übernahm 1969 in dritter Generation. Er gab kurz darauf unrentable Firmenteile auf und setzte aufs T-Shirt. Heute garantiert er die Arbeitsplätze - auch den Kindern seiner Mitarbeiter.
Ich liebe Wolfgang Grupp. Auch und vor allem deshalb, weil er sich in die gesellschaftliche Diskussion einbringt anstatt sich auf der Schwäbischen Alb zu verschanzen. Während der Finanzkrise hat Grupp nicht an harten Worten über das Gebaren vieler Banker gespart. Und auch das einmal in einem Zeitungsinterview geäußerte Ansinnen seines Sohnes, er könne sich vorstellen, in London im Bankensektor zu arbeiten, wurde von dem Patriarchen aus Burladingen abschlägig beschieden.
Aber: Wolfgang Grupp kann es sich leisten, konsequent zu sein. Als ihm während der Finanzkrise in einer Talkshow die Frage gestellt wurde, ob sein Unternehmen denn auch unter der Kreditklemme leide, da antwortete er sinngemäß: ‚Nein. Trigema arbeitet zu 100% mit Eigenkapital!‘ Touche, Herr Grupp und ein lautes „Bravo!“. Nur wer auf das Geld anderer Leute nicht angewiesen ist, ist wahrhaft frei! Das hat schon Schopenhauer gesagt.